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wieder zurückzukehren. Was die Logif im Kopfe nicht zu Stande brachte, bewirkten sechs Blutegel am Gegenteil, und die Gespenster mußten abziehen zum Triumph der Aufklärung. Die naive Offenherzigkeit, womit Nikolai die erwähnte Opeveröffentlichte, hat ihm viel grausamen Spott zugezogen. Unter andern hat ihn Goethe im Faust als Proktophantasmist
Blutegeln, die er sich an einem Körperteil ansezte, den man gern euphemistisch umschreibt. Die Operation wurde zwei Monate nach der ersten Begegnung mit den Gespenstern vollzogen. Beim Beginn derselben wimmelte das Zimmer noch von menschlichen Spukgestalten jeder Art, die sich lebhaft durch- ration einander drängten. Bald aber fingen sie an, sich langsamer zu bewegen, ihre Farben wurden blässer, ihre Umrisse schwankender( Steißgespensterseher) verhöhnt. zerflossen sie gleichsam in der Luft, um nicht
und zulezt
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( Schluß folgt.)
Die pariser Salons und die Encyclopädisten.
Von 6. Fehleisen.
Wenn ein neuerer Schriftsteller über die französischen Philosophen des vorigen Jahrhunderts schreibt, so verdammt er sie entweder als oberflächliche höchst unbedeutende Denker oder er entschuldigt sich vorher, über diese Männer überhaupt zu schreiben; mit allen möglichen Gründen sucht er zu erklären, wie eine so verderbliche Philosophie überhaupt entstehen konnte und wie Männer, welche nach dem übereinstimmenden Zeugnis ihrer Zeitgenossen, selbst ihrer Feinde, durchweg noble, liebenswürdige und sittenreine Karaktere waren, einem solch crassen Materialismus und Ateismus huldigen konnten. Zu ihrer Entschuldigung werden dann die verschiedensten Gründe ins Feld geführt: der verdorbene Sittenzustand der damaligen Zeit, der sich ausbreitende Unglaube, die politischen Leidenschaften, welche sich gegen alle Autorität, besonders aber den Klerus erhoben, indirekt auch der Cartesianismus durch gewisse Lücken, welche er in seinem Syſtem ließ, u. s. w. Als ob diese kühnen und unerschrockenen Männer, welche mit der edelsten Selbstverleugnung und Begeisterung, mit dem kraftvoll einschneidenden Unwillen sittlicher Empörung sich gegen alles wenden, was in Kirche und Staat den Anforderungen der Vernunft zuwiderläuft, einer Entschuldigung oder Rechtfertigung bedürfen! Es ist wahr, sie haben feine künstlich aufgebauten Systeme hinterlassen, ihre Werte erfordern fein lebenslanges Studium, um verstanden zu werden; in zwar oft derber, aber gerader, ehrlicher, überzeugender Sprache schrieben sie für jedermann, machten sie die Berallgemeinerung der Ideen allen Schichten der Gesellschaft zugänglich. Sonst wäre es ja nicht möglich gewesen, daß bei dem damaligen Bildungsgrade der Gesellschaft z. B. Montesquieu's" Geist der Geseze" 1748 in den ersten 18 Monaten 22; Helvetius' Buch ,, leber den Geist" 1758 in fürzester Zeit 50 Auflagen erlebte; ganz zu schweigen von den Werken Voltaire's und Rous seau's, welche bei ihrem Erscheinen auch sofort vergriffen waren und in alle gebildeten Sprachen übersezt wurden. tulativer Tiefe und Produktivität stand das 18. Jahrhundert bem 17. nach, welchem Gassendi, Descartes, Spinoza , Leibnitz, Locke angehörten, mit welchen Denkern, Kant ausgenommen, fein Philosoph des 18. Jahrhunderts sich messen darf, dagegen betrieb dasselbe die Berbreiterung, die Anwendung der Ideen und machte die. Vernunft zum alleinigen Maßstab, um die Zuſtände der Gesellschaft zu fritisiren. Es handelte sich damals nicht darum, neue Wahrheiten aus den Tiefen der Natur und des menschlichen Geistes herauszuholen, sondern die erkannten zu verbreiten, sie für die weitesten Kreise verständlich und an ziehend zu machen, ganz besonders aber alles, was ihre Ausbreitung hinderte, das Verlebte und Verrottete, Mißbräuche und Vorurteile, aus dem Wege zu räumen. Es handelte sich darum, wie der durch seine Festungsbauten berühmte Marschall Vauban schon in einem am 19. März 1707 öffentlich verbrannten Buche jagte:„ Tas armre leidende Bolk aus den Händen jenes Ottern gezüchts zu befreien, das zu nichts da sei, als um die Galeeren zu füllen und das doch in Paris so stolz herausfordernd ein herschreite, als habe es den Staat gerettet." Und wer wäre tauglicher hiezu gewesen, als eben jene unter dem Namen„ Ency
An spe=
clopädisten" für ewige Zeiten bekannten Philosophen, welche, unter dem von Voltaire ausgegebenen Losungsworte:„, Ecrasons l'infame!" Vernichten wir die Infame! nämlich die katolische Kirche, so erfolgreich gegen altüberkommenen Pfaffenlug und Pfaffentrug zu Felde zogen? Die alphabetisch geordnete„ Encyclopädie" sollte das Zaubermittel werden, das Privilegium der Fachgelehrten, die Alleinwissenden zu sein, zu zerstören.
Diderot war der Herausgeber und die Seele dieses großen, denkwürdigen Werkes; an ihn schlossen sich d'Alembert, Condillae, Holbach, Helvetius , Grimm und viele andere, welche teils als ständige Mitarbeiter, teils in selbständigen Schriften dasselbe Ziel verfolgten. Mit seltener Umfänglichkeit wurden die menschlichen Wissenschaften, Künste und Fertigkeiten zusammengefaßt und gemeinnüzig gemacht; aber die Encyclopädie war kein friedlicher Speicher, in welchem die Gelehrten und Denker aller Gattungen ihre erworbenen Reichtümer niederlegten und überschauten; sie war eine riesige Belagrungsmaschine und Angriffswaffe.
Gegen die beiden ersten 1751-52 erschienenen Bände erhob sich sofort der heftigste Sturm. Der Erzbischof von Paris er= ließ einen Hirtenbrief, welcher aber nur die Folge hatte, daß das teure und seltene Buch, welches bisher nur wenigen bekannt gewesen, nunmehr jedermann lesen wollte. Beide Bände wurden mit Beschlag belegt; jedoch wurde die Fortsezung nicht verboten. D'Alembert dachte daran, das Unternehmen nach Berlin zu verlegen; Voltaire riet jedoch davon ab, weil man dort mehr Bajonette als Bücher sehe und weil dort Athen nur im Kabinet des Königs sei." Die Herausgeber waren jedoch vorsichtiger ge= worden und blieben eine Zeitlang unangefochten. 1757 erschien aber der 7. Band, über welchen d'Alembert triumphirend au
Voltaire schrieb, dieser werde alle übrigen an Schärfe übertreffen;
und dies war in der Tat der Fall.
Unglücklicherweise veröffentlichte kurz nachher Helvetius sein
berühmtes Buch„ Ueber den Geiſt", was die Gemüter so erregte und die Angriffe nahmen wieder zu an Zahl und Stärke. Es wurde ein Untersuchungsausschuß niedergesezt und durch ein Arrêt du Conseil d'État vom 8. März 1759 wurde das im Jahre 1796 erteilte Privilegium aufgehoben und der Verkauf der erschienenen und noch erscheinenden Bände verboten in Anbetracht, daß der Nuzen, welcher etwa für Kunst und Wissenschaft erwachse, in keinem Verhältnis stehe zu dem Schaden, welchen Religion und Sitte erleiden."
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D'Alembert ermüdete und zog sich zurück. Diderot dagegen wurde durch diesen Unfall nur um so eifriger und hartnäckiger. Er arbeitete ununterbrochen unter unsäglichen Mühen und Ge
fahren und brachte es so weit, daß im Jahre 1766 die lezten
10 Bände erschienen. Das Geschrei der Geistlichkeit wiederholte
sich und die Buchhändler wurden 8 Tage in die Bastille geworfen; doch wurden dem Verkauf keine ernstlichen Hindernisse in den Weg gelegt. Die Minister Choiseul und Malesherbes hatten, den König günstig zu stimmen, ein fleines Hofmanöver veranstaltet. Man wußte es einzurichten, daß der König bei Tafel nach der Verfertigung des Pulvers, die Gräfin Dubarry