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nach der Verfertigung der besten Pomade fragte. Man holte die Encyclopädie und verlas aus dieser die betreffenden Abhand: lungen. Der König war entzückt und die Encyclopädie wurde zwar nicht erlaubt aber geduldet.

Selten hat ein so umfangreiches Werk eine so allgemeine Verbreitung gefunden; 30 000 Eremplare umfaßte schon die erste Auflage; im Jahre 1776 waren vier ausländische Uebersezungen

tums.

Das deutsche Gaunertum.

( Schluß.)

So ausgebildet wie die Symbolik ist die Diebspraktik des Gauner­

Lallemant erklärt zuerst den Vertuß( von täuschen, vertuschen), jede Handlung, welche dazu dient, die Aufmerksamkeit dritter von der Diebs­operation abzulenken. Der Gauner, welcher den Massematten"( Beute­gegenstand) gegen den Freier", zu Bestehlenden, handelt"( stiehlt) hat zum Doppelgänger einen Vertußmacher", welcher einen öffentlichen Auf­lauf herbeiführt, eine Fensterscheibe einschlägt, den Freier" als Freund" umarmt, während der andere an den Taschen oder im Kaufladen operirt. Derjenige Vertußmacher, welcher einem Ladendieb( Schautenpister) sekun­dirt und den Verkäufer zur Diversion für den Dieb beschäftigt, ist der Schreckener. Das Vertußmachen ist Meistern", wenn der Vertußmacher ein plözliches Dazukommen( einen Aufstoß") des Freiers oder dritter Leute zu paralysiren hat. Diese verwegensten Vertußmacher, auch Schmören genannt, leisten das Unglaubliche im Foppen der Polizei und der Freier. Der Bertußmacher dient meist zugleich zum Zuplanten", d. h. Zufteden der gestohlenen Waare, was äußerst rasch vor sich geht. So ist oft eine Uhr und Dose schon längst aus dem Teater, ehe der noch bei dem Dieb sizende Bestohlne( Balhei") dieselbe vermißt. Aeußersten Falles wird sie dem Bestohlnen selbst wieder zugeplantet, oder sogar der Polizei während der Verhaftung. Es wird so dem Bestohlenen auf Gefahr von Injurienprozessen schwer, den gegründetsten Verdacht zu äußern. Die erstaunlichste Fertigkeit findet namentlich im Zuplanten von Fluchtmitteln und Mitteilung beim Gefängnisbesuch statt.

Ehe auf den Diebstahl überhaupt ausgegangen wird, gilt es, erst den Massematten zu baldowern", d. h. auszufundschaften. Das Bal­dowern zeigt beim Gaunertum denselben Späherscharfsinn wie beim Wilden. Es gibt keinen bessern Topographen und Statistiker sagt Lallemant, als den Gauner. Jedes Land, jeden Ort, wo er nur kurz verweilt, kennt er genan, er weiß auch alle seine Schlupfwinkel, die Verhältnisse seiner Bewohner. Er kennt das Gerichtsverfahren, das Magistratspersonal, die Inquirenten, die Polizei, den Zustand der Ge­fängnisse. Das Adreßbuch einer Stadt dient auch ihm. Gaunerinnen als Bonnen und Haushälterinnen sind Organe des Baldowerus. Als Kolporteur, Bettler, Krüppel, Blinder, als Polizeidiener, Kommissionär baldowert er den Massematten oft lange bevor er ihn handelt" ( stiehlt). Beim Baldowern nimmt er den Wachsabdruck von Schlössern und Schlüsseln, um die Nachschlüssel vorzubereiten. Ein gründlich aus­gefundschafteter Diebstahl heißt auch ausgekochter"( ausgekochemter) Maffematten.

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Zur Verheimlichung der Tat in ihren vorbereitenden Stadien wie in ihren Spuren hat der Gauner Orte des Verstecks( Kawure, hebräisch Grab) nötig. Das Kawurelegen spielt daher eine große Rolle in der Gaunerpraxis. Kein Teil des Hauses, vom Keller bis zur Krone des Schornsteins, feine Wand, kein Stein, kein Balken, kein Fußboden, kein Kleidungsstück, kein hohler Baumstamm, kein Teich besteht, welcher nicht unter Umständen zur Kawure benüzt würde. Die Kawure am eignen Körper, selbst in der Weise, gegen welche die Polizei mit der Klystier­sprize operirt, ist dem Gauner die nächste und behendste. Feilen und. Sägen sind oft im Bart, unter Toupets und dergleichen versteckt. Die beste Kawure sind dem Gauner die Schärfenspieler" und Kochemer­spieße", d. h. die Verschleißer und Diebshehler gestohlner Waare. Schränken" ist das Stehlen mittelst Einbruchs, unter Ueberwindung des Verschlusses", d. h. sämmtlicher äußrer Bewahranstalten. Auch das Schränken ist beim Gaunertum zu einem mechanischen Raffine­ment geworden, wobei Brecheisen( Schabber, Klamoniß) Säge( Mazire), Feile( Beziere) mit größter Virtuosität gehandhabt werden. Bis auf Chubb, Bramah und Newell und die neuern Geldschränke war kein Schloß fest genug, wie Lallemant in einem längern Abschnitte beson­ders nachweist. Halfen der Dietrich und das Erbrechen nicht, so diente das Umfägen und Umbohren( Lewone legen) der Schloßstellen der Türe. Nächst dem mechanischen Verschlusse ist der wachsame Hund ein Hinder­nis für den Schränker. Dies überwindet er durch das Pegern", Ber­giften durch hingeworfne Brocken meist schon längre Zeit vorher. Vor herannahenden menschlichen Wesen( Lampen, Landen) zieht der Schränker sich zurück, wenn der Vertuß nicht gelingt. Den gehandelten Masse­matten" oder gelungnen Diebstahl schafft man in Säden( Kissiwer) zum Zinkplaz, von da in irgend eine Kawure oder in die nächste Chessen­penne( Gaunerherberge), welche als Ort der Teilung( Chelukke) der " Intippel" heißt. Die Beute wird dann sofort an die Schärfenspieler verkauft und durch diese zum Absaz in möglichst ferne Orte gebracht. Den glücklichen Gauner fordert ein Mitwisser wohl auch um eine Gabe an, berennt" oder brennt" ihn darum in der Chefsenpenne; diese

vorhanden. Der Drud hatte 1 158 958 Livres gekostet, der Rein­ertrag für die Buchhändler nichtsdestoweniger sich auf 2 630 393 Livres belaufen. Diderot aber empfing für seine ungeheure Ar­beit und persönliche Gefahr nur 2500 Livres für jeden Band und außerdem 20000 Livres für allemal.

( Fortsezung folgt.)

Schweigsteuer heißt das Branntweingeld". Die passende Wahl für die auszuführenden Schränkmassematten ist eine wichtige. Die eigentliche Schränkersaison sind die langen und stürmischen Nächte des Herbstes und Frühjahrs, daher die goldne Choschech( Finsternis) genannt; felten wird bei Tage, fast immer baleile( bei Nacht) gehandelt."

Das Schränken oder der Einbruch wird umgangen, namentlich auf dem Lande und in den Wirtshäusern, dadurch, daß schon Abends vor dem Diebstahle ein Chäwer( Bandengenosse) ins Haus schleicht oder als Gast übernachtet und dann den Verschluß öffnet, um mit dem Dieb­stahl davon zu gehen( Pleitehandeln) oder aber erst Morgens unter Zahlung der Zeche mit der Beute abzuziehen( Challehandeln). Noch ausgibiger dient dem Gauner zum gewaltlosen Diebstahl verschlossener Gegenstände der Gebrauch der Nachschlüssel. Der Nachschlüsseldiebstahl heißt das Makkenen, welches sich zu einer der Schlosserkunst spottenden Technik mit einer besondern reichhaltigen Terminologie entwickelt hat. Der Diebstahl unter Hauseinschleichen ist das Rittenschieben. Unter den Rittenschiebern werden verschiedene Sorten unterschieden: Kaudenhalchener oder Zefir-( Morgen) Gänger, welche des Morgens einschleichen; ferner die Erefgänger oder Tchilleshalchener, welche zur Abendzeit in die Häuser einschleichen, in Gasthöfen besonders junge Dirnen, welche sich für bestellt" ausgeben; die Regler oder Gackler, welche in Küchen auf wertvolles Geschirr, und die Merchizer, welche in Seitengelassen auf die Wäsche spekuliren; der Rittenschub in der Stadt heißt R. in Mokum, der auf dem Lande R. in der Mednie.

Eine besonders umfangreiche Art des Gaunerdiebstahls ist der Laden­diebstahl oder das Schottenfellen, welcher nur eine geübte Hand und eine große Rocktasche voraussezt, um fast unter den Augen, im Gespräche des übergefälligen Käufers vollzogen zu werden. Das Schottenfellen wird namentlich von den Gaunerinnen als Komtessen und Baronessen betrieben, welche den devoten Schaute"( betrogenen Kaufmann) durch ihre Brätensionen im Kaufladen umherjagen und einstweilen mit ihren Aermeln manipuliren, um die Waaren in die Gole", d. h. in Säde und unten zusammengenähte Unterröcke durch die weiten Schlize des Mantels oder Paletots zu praktiziren. Den Schottenfellerinnen kommt die Mode oft zu Hilfe. Vielfach lassen sie sich von männlichen und weiblichen Vertußmachern begleiten. Der Kaufmann schüzt sich am besten durch geschickt angebrachte Spiegel, durch welche er den Käufer auch dann im Auge behält, wenn er ihm vorübergehend den Rüden zukehren muß. Nach Lallemant wird vom Kaufmann weit weniger vom alljährlichen Waarendefekt auf das Schottenfellen geschoben, als es nad dem tatsächlichen Umfang dieser Gaunerpraris wohl geschehen sollte. Dem Schottenfellen ähnlich ist das Chilfen, Chalfen, d. h. Diebstahl beim Wechseln von Goldstiden, wenn irgend ein gutmütiger Wechsler, ein halbtrunkener Bauer auf dem Jahrmarkt, eine für Galanterien zu gängliche Komptoirdame oder Ladenmamsell sich dazu herbeiläßt, dem mit der unschuldigsten Miene nahenden Chilfener eine Summe Geldes zur Auswahl der ihm nötigen Sorte vorzulegen.

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Lallemant beschreibt noch eine ganze Reihe anderer Diebstahls- und Betrugspraktiken der Gauner mit sonderbaren Namen: die Münz fälscherei und Münzbeschädigung oder das Linkemefumemetochnen von link betrügerisch in der Gaunersprache, Messume Geld, me lochnen arbeiten; das Fleppemelochnen oder die Urkundenfälschung welche mit allen chemischen Hilfsmitteln betrieben wird; das Stippen ( stipizen) oder das Wegnehmen durch Hineingreifen in unvollständige Verschlüsse mit der Hand oder mit Werkzeugen. Das Torfdrucken oder Chilefziehen ist der heimliche Diebstahl von Gegenständen, welche die Berson verwahrt bei sich trägt, also der Taschendiebstahl im weiteren Sinne, der als Gegenstand zahlloser Anekdoten bekannt und ebenso ein Bravourgebiet des Gauners, als wegen des schnellen Zuplantens der gestohlenen Sachen schwer zu entdecken ist. Ein umfangreiches Ge biet der Gaunerpraxis ist das Jedionen. Eigentlich bezeichnet es jene Praris überhaupt; denn von Jedionen, Jonen schreibt sich Jauner her. Das Jedionen hat sich jedoch zu dem Sinne der spezifischen Wahrsageret und der schwarzen Kunst verengt. Um die Wittischen zum Spiele bringen, verliert einer der Zschoffer immer gegen den andern, was in den Wittischen die Spiellust reizt. Die systematische Verlockung zum Spiel heißt die neue Fahrt". Die Beitreiber oder Fallmacher geben zugleich Zinken zur Mitteilung der Karten des Wittischen. Die vers schiedenen Arten des Betruges im Würfelspiel: das Würfelschleifen, Jung und Alt, Sanduhr, das Deckeles, das Niemenstechen oder Band­spiel, werden von Lallemant beschrieben.

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Die allergefährlichste und nichtswürdigste Klasse der Gauner find die Schärfen- oder Stoßenspieler, platte", d. h. den Gauern vertraute Leute, welche ihnen die gestohlene Waare abkaufen und dieselbe ins Kleine absezen( schärfen") also dem Diebstahl Wert und Interesse vers leihen. Die meisten Schärfenspieler, sagt Lallemant, find Gauner, welche