Zecco!" rief die junge erst seit wenigen Tagen ihm an­getraute Frau erschrocken, als er sie plözlich erblickend vor ihr zusammenbrach.

Unter den bei der Galerie Angestellten verbreitete sich das Gerücht, die verstorbene Signora Marcella spuke, sie sei Master Becco erschienen und er vom Schreck darüber krank geworden.

2. Gegenzüge.

Der Skandalprozeß gegen die Königin, welcher so viele Zer­würfnisse unter den englischen Parteien hervorgerufen und na mentlich den König und seine Minister, wie alle diejenigen, welche zu ihnen hielten, beim Volke gründlich verhaßt gemacht hatte, so daß der Dreifönigskuchen in Carltonhouse wohl auf föniglicher Tafel paradirte, aber um die Tafel durchaus keine Spur von Heiterkeit zu erblicken war, blieb nicht ohne ernſten Nachhall. Jedermann ahnte, daß noch Schlimmes nachfolgen werde, denn man traute dem König und seinem Anhang nicht viel Gutes zu.

Ehe noch der Januar des Jahres 1821 zu Ende ging. ward der Königin Name schon wieder in dem neu zusammen getretenen Parlament, das der König am 23. dieses Monats persönlich eröffnete, in Erwähnung gebracht. In seiner persön lich vorgelesenen Tronrede hatte er das Einkommen der hohen Frau dem Parlamente zur Ueberlegung empfohlen, und es war auf 50 000 Pfund festgesezt worden, was für eine Königin der drei vereinigten Königreiche die Großmut nicht übertreiben hieß. Es würde für eine so hochstehende Frau wie Königin Caroline eine Selbstbeleidigung gewesen sein, hätte sie sich gegen dieses ihr ausgeworfene Einkommen klagend erheben wollen, sie schwieg darüber, aber sie wandelte einen andern Weg, der, wenn er glückte, dem Parlament den Zwang auferlegte, sich selbst zu dem Bekenntnis herbeizulassen, daß es zu einer Schädigung der Ehre seiner Krone die Hand geboten. Hatte es in früheren Jahren sich dazu verstanden, die ungeheuren Schuldensummen zu be­zahlen, welche der Prinz von Wales, der nunmehrige König, zusammen gehäuft hatte, die seine Verschwendungslust, seine Aus­schweifungsgier und Mätressenwirtschaft erforderten, warum fand -es sich jezt bewogen, seine Gemahlin, gegen die im verächtlichsten Prozeß nicht nur vor England, sondern vor allen civilisirten Ländern der Erde kein Beweis von Schuld hatte aufrecht er­halten werden können mit einer jährlichen Summe abzufinden, die eine Königin... und das war sie von Rechtswegen.. in den Augen der Zeitgenossen degradirte?

In ganz London sprach sich das Gerücht herum und eilte wie vom Sturmwind getriebenes Flugfeuer über das dreiteilige Königreich: der König werde sich krönen lassen. Es hing innigst mit seinem Stolze, mit seiner Prachtliebe zusammen, eine so feierliche und von einem König nur einmal in seinem Leben erlebte, allen Glanz überstrahlende Handlung ins Leben zu rufen und sich als deren Mittelpunkt angestaunt zu sehen.

Die Königin hatte keine Kenntnis davon, weder von ihrem Gemahl, noch von seinen Ministern erhalten, und dies war eine bittre Demütigung für sie; aber ihre Freunde unterrichteten sie von dem in Aussicht stehenden Krönungsfeste. Der Karakter der hohen Frau war jederzeit geeignet, ihr Recht zu verteidigen, und so unterließ sie auch jezt nicht, dies zu tun. Sie erklärte den Ministern, daß sie der Krönung des Königs beiwohnen und dem Erzbischof von Canterbury , demselben hochwürdigsten Prälat der englischen Kirche, welcher auf Befehl des Königs in wahr haft geistlicher Unterwürfigkeit den Namen seiner Gemahlin aus der Liturgie gestrichen hatte, daß auch sie einige Tage nach ihres Gemahls Krönung gekrönt sein wolle.

Das war ein zündender Funke in's Pulverfaß. Jedermann fannte die Entschlossenheit der Königin und war überzeugt, daß ein Skandal unausbleiblich sein würde.

Wer jedoch die hohe Frau bei ihrer Freundin, der Herzogin Hamilton, zu dieser Zeit gesehen haben würde, hätte jedenfalls im Aeußeren und in dem wortfargen Wesen derselben durchaus nicht das feste Vertrauen auf die Energie der so arg ange­

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feindeten Königin als eine unfehlbare Gewißheit betrachtet, sie war tief niedergedrückt. Die Herzogin gab sich zwar alle Mühe, den gesunkenen Mut ihrer Freundin möglichst aufzurichten, indes es glückte ihr sehr selten, sie zu einer besseren Stimmung zu bringen.

"

Meine gute Anna," antwortete die Königin eines Vor­mittags auf eine solche Zusprache der Herzogin.

" Du meinst es gut, ich weiß es. Du möchtest mich gern heiter und lustig sehen; aber frage dich selbst, ist mein Schicksal darnach, daß ich es nur annähernd sein könnte? Nein, nein, es ist nicht der Art, um nur einem frohen Gedanken in mir Raum zu geben." Nach einer Pause sprach sie weiter:

Gestern habe ich mich in einem Bilde gesehen, das so genau auf mich paßt, als hätte ich dem Kupferstecher dazu Auftrag gegeben. In einem der mir zugeschickten Werke fand ich die Darstellung eines totwunden Hirsches, der am Stamme einer Tanne gebrochen in die Kniee zu sinken beginnt. Mit seiner Kraft ist's für immer aus... er stirbt elend dahin... wenige Minuten noch und er ist tot." Eine Stille folgte, welche die Herzogin, erschüttert von dieser gleichsam als Prophezeihung er scheinenden Schilderung, nicht zu unterbrechen wagte; war sie doch überzeugt, daß die Energie ihrer königlichen Freundin start im Abnehmen und ihr stolzes Gemüt in der Tat todwund ge worden zu sein schien.

Die Königin erhob sich, sie wollte nicht mehr von ihrem tiefen Leide sprechen. Draußen im Vorzimmer wurden die hellen Stimmen der Nichten der Herzogin laut. Erlaube, daß sie eintreten dürfen, Anna. Sie machen stets in ihrer heitern Kind­lichkeit einen guten Eindruck auf mich, so daß ich mir oft wie der schwermütige, geistesverdüsterte König Saul vorgekommen bin, den nur David's Sang und Saitenspiel der finstern Macht entreißen konnte."

Mit welchen traurigen Bildern du dich quälst!" rief Lady Hamilton und rührte die auf dem Tisch stehende silberne Glocke, auf welches unüberhörbare Zeichen die beiden kleinen Damen in's Zimmer gesprungen kamen. Die Gegenwart der Königin hemmte in etwas den Ausbruch der großen Freude, mit welchem sie der Königin und der Herzogin verkündeten, daß Frau Lucie Becco, welche so lange Zeit nicht bei ihnen zu Besuch sich ein­gefunden, eben jezt gekommen und ihnen ein paar wunderhübsche Wachsbilder unter Glas und Rahmen mitgebracht habe.

Der Eifer, mit dem sie gleichzeitig dieses ihnen höchst an genehme Ereignis kundgaben, entlockte der Königin ein leichtes Lächeln. Mistreß Lucie ist also hier?" fragte sie. Ich habe sie lange nicht gesehen. Wie mag sie sich als verheiratete Frau befinden?"

Sofort erhob sich die Herzogin und rief in's Vorzimmer hinaus: Mistreß Becco! treten Sie ein... der Königin Majestät verlangt Sie zu sehen."

Mistreß Lucie folgte dieser Einladung und begrüßte, in's Zimmer tretend, beide hohe Frauen mit tiefen Verbeugungen. Die Königin reichte ihr die Hand zum Kuß und bemerkte ironisch: Sie haben die Kunst, sich unsichtbar zu machen, gut studirt, Mistreß."

Verzeihung, allergnädigste Frau. Der Schein der Undank barkeit ist allerdings gegen mich; aber ich bin überzeugt, daß Sie mich nicht einer so groben und zugleich unverantwortlichen Unterlassungssünde fähig halten, wie das Vergessen der Dank barkeit es überhaupt ist. Ich habe eine schlimme Zeit über standen. Wenige Tage nach unserer Trauung erkrankte mein Mann an einem, wie die Doktoren es nennen," Hirnfieber", welches ihnen jedoch so rätselhaft erschien, daß sie dasselbe als eine noch nie beobachtete Krankheit bezeichneten, in deren Aeuße rungen sich Jrrsinn mit vollkommen klarem Bewußtsein so seltsam untereinander mischten, daß man das eine nicht vom anderen z unterscheiden vermochte. Des waren schauerliche Tage für mich." Sie Aermste!" sprach die Königin bemitleidend.

Die Herzogin hatte ihren jungen Nichten einen Wink ge geben, sich zu entfernen, denn für dergleichen ernste Angelegen heiten hatten sie ja noch kein Verständnis; aber sie hätten bleiben