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können, denn die Königin, von welcher die Lady vermutete, daß sie, ihrer Gewohnheit nach, einer größeren Neugierde sich hin geben werde, ließ den Gegenstand beinahe ganz fallen, nachdem die Mistreß noch die Frage, ob die Krankheit Master Zecco's nun beseitigt sei, mit einem:„ Ich hoffe, Majestät" beantwortet hatte; dafür aber ließ die hohe Frau den Wunsch auftauchen, über das Geschäftliche der Galerie etwas genaueres zu er= fahren.
" Sie sind also zufrieden mit dem Gange der Geschäfte?" fragte die Königin.
„ Vollkommen, allergnädigste Frau. Unsere Einnahmen sind zuweilen sogar glänzende, der hohe Adel... die reichen Lords und Ladys, sowie die vornehmen Fremden und die fashionable Gesellschaft der Großgrundbesizer mit ihren Familien aus der Londoner Umgegend finden sich in unseren Sälen ein, und dies Beispiel wirkt sichtbar auf die gut fituirte Bürgerklasse... sie will nicht zurückbleiben. Mir ist dieser zahlreiche Besuch eine besondere Belohnung für die noble Dekorirung, welche ich unserer Galerie während meines Mannes Krankheit geben ließ, das Publikum findet sich dadurch geschmeichelt und unsere Kassen geschäfte sind gute."
" 1
Nun, Mistreß, ich wünsche Ihnen den glücklichsten Fortgang Ihrer Geschäfte. Wie lange dauert Ihr Pachtvertrag?" „ Drei Jahre."
,, Warum nicht länger?"
" Die verstorbene Signora Marcella, die Frau Tardini's, des Onkels meines Mannes, war dessen Feindin, und Tardini würde sich nicht zur Verpachtung seiner Galerie bewogen ge= funden haben, wenn er Zecco, seinen Geschäftsführer, nur hätte entbehren können, aber dies ging nicht. Um ihn festzuhalten, mußte er ihm den Pacht zugestehen. Es ging dem alten geizigen Herrn hart an die Seele und jedenfalls hat ihn seine Frau vor ihrem Tode noch zu dem Versprechen beredet, Zecco, seinem Neffen, bei jeder Gelegenheit feindselig entgegenzutreten. Nun, die zugestandene furze Pachtfrist bezeugt, wie er Marcella's Haß gegen meinen Mann fortgesezt hat, weil dessen Vater in Deutschland Protestant geworden und den Sohn protestantisch
erzogen hat."
" Ueberall Feindschaft, Neid, Bosheit, Haß... Ach, Anna, ist das Leben lebenswert?" rief die Königin. Dann reichte sie Mistreß Lucie die Hand zum Abschiedskuß.
" Ich sehe Sie noch bei meinen fleinen Ladys," sagte die Herzogin, als Lucie das Zimmer verließ.
Gegen die Mittagszeit war die tardini'sche Galerie weniger bon Schauluſtigen besucht, als in den Stunden des Nachmittags bis zum Schluß der zehnten Abendstunde. Die bürgerliche Geschäftswelt widmete diese Zeit in der Regel ihren Arbeiten, man war in den Bureaus tätig und würde es sich als unverzeihliches Verbrechen gegen den uralten englischen Spruch: Zeit ist Geld angerechnet haben, diese Stunden dem Vergnügen zu opfern. Was die vornehme Gesellschaft anlangte, so band sie sich, wenn auch nicht unbedingt an die Zeit nach dem Mittage, aber doch meist an diese, wo sie wußte, daß ihre hohen Standesgenossen daselbst anzutreffen waren. Mistreß Lucie hielt in einer vierräderigen Droschte vor dem großen Eingange der Galerie. Dies ursprünglich russische Fuhrwert machte damals noch viel Aufsehen in London und man gaffte es mit Neugierde an, zumal es unter die Spekulationen der Mistreß gehörte, indem die fashionable junge Welt es sich zum Vergnügen machte, mit demselben, wenn sie die Galerie besucht hatte, eine Tour nach irgend einem Rendezvous zu fahren, natürlich für einen keineswegs geringen Fahrpreis, der jedoch gern bezahlt wurde... Hydepark war in der Regel das Ziel dieser Ausflüge.
Mistreß Lucie, vom Portier herausgehoben, eilte auf ihre Freundin, Mistreß Stanhope, die im Eingang ihrer harrte, zu und fragte in deutscher Sprache, welche die umher Stehenden, wie sie recht wohl wußte, nicht verstanden:„ Wie ist's mit ihm?" " Dasselbe wie bisher. Zuweilen überfällt ihn Schwermut, dann wird er wieder heiter und lezteres allemal dann, wenn er viele Personen vor dem Tableau:„ Die Anbetung der heiligen
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Dreifönige" stehen sicht... ich habe das ganz deutlich bemerkt und mich nicht getäuscht."
Nach einer Weile sagte Misfreß Lucie:„ Ich finde das erklärlich, meine gute Stanhope. Er selbst hat dies allen so sehr gefallende Tableau gearbeitet, vielmehr nicht nur gearbeitet, sondern auch vorher als Bild mit Wasserfarben gemalt entworfen... es ist sonach sein geistiges Eigentum, das ihm Freude macht."
"
,,, das glaube ich wohl," lautete die Antwort der alten Dame. Warum sollte er sich nicht freuen, wenn er sieht, daß manche mit fromm gefalteten Händen vor dem lieblichen, auf seiner heiligen Mutter Schoße ſizenden Christuskindchen stehen und beten?"
„ Gewiß, meine liebe Freundin, das erfreut ihn. Ich habe nur den einen Wunsch, zu ergründen, was ihm so plözlich zugestoßen sein muß, daß sein Denken verfinstert werden konnte. Auch keinen Anhalt für dieses Unglück zu finden, ist entsezlich." Sie schwieg eine Weile, dann streifte sie die beiden Hälften der Sammetportiere, die den Eingang in den ersten Saal verhü'lten, zurück und ließ ihre Augen forschend in den weiten Raum nach Becco schweifen... vergebens, er war nicht zu entdecken. „ Er wird oben sein," meinte Mistreß Stanhope. „ Gehen wir also hinauf."
Unge
Sie traten in das Kassenzimmer zurück und längs der Wand hingehend, verschwanden sie hinter der zur linken Hand gelegenen Kassenloge in einer Türe, welche in den Saal führte. sehen konnten sie einen schmalen Gang zwischen der Saalwand und den Hinterwänden der daselbst aufgestellten Tableaux hinschreiten, auf den Boden liegende Läufer machten ihre Tritte unhörbar. Am Ende dieses schmalen und nur wenig hellen Ganges stießen sie auf eine gewundene in die erste Etage hinaufführende Holztreppe. Mistreß Lucie hatte ihre Wohnung er reicht, in welcher auch ihre Freundin Stanhope seit wenigen Wochen mit wohnte. Master Becco ging mit großen Schritten in dem von ihm bewohnten Zimmer auf und nieder, die Hände auf dem Rücken ineinander gelegt. Die gesunde Röte seincs Gesichts war der fahlen Färbung gewichen, wie man sie an mit Kummer belasteten oder von geheimen körperlichen Leiden niedergedrückten Personen erblickt. Seine Frau, die er nicht zur Türe hereinkommen gehört hatte, trat plözlich vor ihn hin, daß er
erschrocken zurückprallte.
„ Ich
„ Aber Zecco, erkennst du mich nicht?" fragte sie. bin ja dein guter Geist, wie du mich immer nennst, deine Lucie." „ Ach ja, ach ja, Lucie... ich weiß wohl," antwortete er, die Hand nach ihr streckend. Du siehst so heiter aus. Hast du Freude über etwas gehabt? Und worüber Lucie?"
"
Unten im Saale I. sah ich eine Menge Publikum vor deinem schönen Tableau: Die Anbetung der Dreikönige stehen und es bewundern. Das machte mir Freude und deshalb kam ich jezt herein zu dir, um dir es mitzuteilen... ich weiß, daß dich das sehr glücklich macht."
"
Warum sollte es nicht?" entgegnete er...„ Es ist ja mein Werk und ein gelungenes."
"
Das ist es, ja gewiß. Du hast recht, Zecco. Signora Marcella würde aber doch keine Freude daran gefunden haben, sie haßte dich zu bitter, um dir gerecht zu sein. Sie war wirklich ein böses Weib."
Nach kurzem Schweigen sagte Becco mit dumpfer, gedrückter Stimme:„ Sie ist heute noch mein Gespenst... sprich nicht von ihr, Lucie, du peinigst mich... die Erinnerung an sie ist ein Fluch, der mich für immer elend macht, ich mag ihren Namen nicht nennen hören."
Er warf sich in einen Sorgenstuhl und verdeckte sein Geſicht mit der Hand. Eine lange Stille folgte.
Lucie stand starr vor ihm, seine Rede hatte sie im Innersten der Seele erschreckt, es war ihr gewesen, als müßte sie zu Boden sinken. Derselbe Gedanke, der sich während der Krankheit des Mannes ihr so oft gewaltsam aufgedrängt und den sie mit Abscheu und Schreck abgewiesen hatte, nahm jezt plözlich mit Uebermacht Besiz von ihr. Sie trat an ihn heran und