an wahrem Mut zu ersezen, versuchte er dann durch Hinterlist sein Ziel zu erreichen; Signora Marcella war deren Opfer ge­worden. Jezt, wo er sich allein befand, überfielen ihn nicht nur die Dualen der Gewissensbisse, sondern, und das besonders, das ihn niederbeugende Bewußtsein der nunmehrigen Abhängig keit von seiner Frau. Tötliche Unruhe machte ihn fiebern. War es ihm möglich, sich von Lucie freizumachen? Alles Nachdenken darüber erwies sich vergebens, indem sie sein Geheimnis kannte, war sie seine Herrin, sie besaß die Macht ihn zu demütigen, er war in ihrer Hand. Freilich kam ihm in dieser Angst die Erinnerung in sein Gedächtnis, daß sie glaubte, Marcella sei an Arsenik gestorben. Diese Unkenntnis, welcher Art von Gifte sie erlegen sei, konnte und mußte jeden Verrat von Seite Luciens als eine Erfindung bezeichnen, wenn die Leiche der ärztlichen Untersuchung verfiel, was nicht ausbleiben konnte, da sicher das Gericht darauf bestehen würde. Obwohl dieser Gedanke ihn Obwohl dieser Gedanke ihn durchschauerte, hielt er ihn doch mit derselben frampshaften An­

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strengung fest, wie der Schiffbrüchige die Planke, die ihn über der Tiefe hält. Daß er über seine Frau das Recht verloren, konnte er sich nicht leugnen, und wie lange sie diese seltsame Stellung zu ihm werde behaupten wollen, war für ihn eine drohende Schicksalsfrage. Sein Wille kam bei derselben nicht in Berücksichtigung, nur der ihre... sobald sie eine Trennung von ihm für erwünscht erachtete, konnte sie sie herbeiführen, ihm blieb nichts übrig, als sich in das sklavische Verhältnis zu fügen, das er über sich verhängt wußte. Der Umgang mit einem Giftmischer konnte ihr selbst unmöglich angenehm sein, sie hatte ihn ja stets zu fürchten. War es undenkbar, daß er das Ver­brechen an Marcella an ihr zu wiederholen für nötig fand? Nein. Welche Sicherheit dagegen stand ihr zur Seite? Er konnte sich keine denken. Und doch mußte sie sich auf eine solche verlassen können, daran zweifelte er nicht und sollte sie bald kennen lernen.

( Fortsezung folgt.)

Die pariser Salons und die Encyclopädisten.

Von C. Fehleisen.

Montesquieu ward am 18. Jan. 1689 auf seinem väter­lichen Schloß Brède bei Bordeaux geboren. Im Jahre 1716 wurde er Präsident des Parlamentes zu Bordeaux und im Jahre 1721 veröffentlichte er seine persischen Briefe". Zwei Perser berichten in ihre Heimat über die Eindrücke, welche sie in Paris empfangen; diese Briefe sind eine glänzende Satire auf die herr­schenden Meinungen, Sitten und Zustände; in der Verneinung des Bestehenden spiegelt sich mit fester Klarheit die eigene reli­giöse und politische Ueberzeugung. Noch nie war der religiöse und politische Freisinn kecker und durchgebildeter aufgetreten; nicht blos das Papsttum, das Cölibat, die Klöster, die Sekten­streitigkeiten u. s. w., sondern auch die christlichen Glaubens­säze selbst, namentlich die Lehre von Christus und vom Sünden­fall wurden bitter und wizig verspottet. In politischer Beziehung werden die Gewaltherrschaft und Verschwendung Ludwig's XIV., der Uebermut des Adels und die Finanzschwindeleien Law's , die drückende Last veralterter Privilegien u. s. w. in den man­nigfaltigsten und durchschlagendsten Wendungen gegeißelt und ver­ächtlich gemacht; und es ist überraschend zu sehen, von welchem entschlossenen, demokratischen Fortschrittsgeist die Hinweisung auf eine bessere Staatsform durchhaucht ist. Die republikanische Verfassung wird als die Regierung der Tugend und Einfalt, die Einsezung des Königtums dagegen als Entartung geschildert und nicht nur das unumschränkte, sondern auch das beschränkte Königtum als schmachvoll und verderblich bezeichnet.

In einem der Briefe heißt es 3. B:" Der König von Frankreich ist ein mächtiger Zauberer; er übt seine Herrschaft selbst über den Geist seiner Untertanen aus; er zwingt sie, zu denken, wie er will. Hat er nur eine Million Taler in seinem Schaze und er bedarf deren zwei, so braucht er die Leute nur zu bereden, daß ein Taler zwei gilt, und sie glauben es. Hat er einen Krieg zu führen und es gebricht ihm an Geld, so braucht er ihnen nur in den Kopf zu sezen, daß ein Stück Papier Geld sei, und gleich sind sie davon überzeugt. Was ich von diesem Fürsten erzähle, darf dich nicht sehr verwundern; denn es gibt noch einen anderen Zauberer, der weit mächtiger ist als er und nicht minder seinen, als den Geist aller übrigen beherrscht. Dieser Zauberer nennt sich Papst. Bald zwingt er sie, zu glauben, daß Drei nicht mehr sei, als Eins; bald wieder, daß das Brod, welches man ißt, nicht Brod, und der Wein, welchen man trinkt, nicht wein sei, und hundert andere Dinge solcher Art."

Und in einem andern: Es kommt mir vor, als ver­möchten wir niemals über etwas zu urteilen, ohne insgeheim auf uns selbst Bezug zu nehmen. Ich wundere mich garnicht, daß die Neger den Teufel blendend weiß und ihre Götter kohl­

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( 2. Fortsezung.)

schwarz malen, und daß alle Gözendiener ihren Gottheiten eine menschliche Gestalt geben und ihnen all' ihre Neigungen zu­schreiben. Wahrlich, wenn Triangel( Dreiecke) sich einen Gott bildeten, so würden sie ihm drei Ecken geben. Wenn ich sehe, wie Menschen, welche auf einem Atom auf der Erde, die doch nur ein Punkt des Weltalls ist doch nur ein Punkt des Weltalls ist herumkriechen, sich ge­radezu als Modelle der Vorsehung aufstellen, so weiß ich nicht, wie ich solche Ueberhebung mit so viel Kleinlichkeit zusammen­reimen soll."

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Wie Voltaire , hielt sich auch Montesquieu längere Zeit in England auf und brachte von dort die Erkenntnis und Bewun­derung des englischen Staatslebens mit herüber, sowie das glühende Streben, diese Erkenntnis auch für das Festland frucht­bar zu machen.

Sein Hauptwerk Geist der Geseze" erschien im Jahre 1748. Durch dieses Buch wurde er der Begründer der konstitutionellen Staatslehre. Wenn er auch zum Verfasser einer Reihe von Ideen des verschiedensten Fortschritts und der Humanität ge= worden ist, so kam er eben doch nicht über die englische Ver­fassung hinaus, so daß für uns das Meiste von dem Inhalt dieses Buches als veraltet angesehen werden kann. Sein Staats­ideal war, weil einem einzelnen fremden und durchaus von den Franzosen verschiedenen Volke entnommen, so wenig geeignet, den Drang der Franzosen nach freieren Staatsformen zu be­friedigen, daß es sich keiner nachhaltigen Wirkung auf dieses Volf erfreuen konnte und bald vor einem neuen Stern erbleichen mußte, der in dem Genfer Bürger Jean Jacques Rousseau am Horizont aufging. Im Jahre 1755 starb Montesquieu ; vor­Her weigerte er sich, zudringlichen Jesuiten gegenüber, seine Werke zu widerrufen, aber ließ sich doch die Sakramente ver­abreichen, ohne dies als Abfall von seinen Grundsäzen zu er­klären.

Julien Dffray de la Mettrie, oder gewöhnlich kurz Lamettrie, ist einer der geschmähtesten Namen der Literatur­geschichte, aber ein wenig gelesener, wenigen, die ihn an geeig­neter Stelle zu schmähen für gut fanden, auch nur oberflächlich bekannter Schriftsteller. Lange in seiner Geschichte des Ma­terialismus" nennt ihn den Prügeljungen des französischen Materialismus im 18. Jahrhundert". Dies kam daher, daß Lamettrie nicht nur der konsequenteste, sondern auch der Zeit nach der erste der französischen Materialisten war. Wer nur immer den Materialismus feindlich berührte, stieß zuerst auf ihn; wer selbst sich seinen Ansichten näherte, deckte sich den Rücken gegen die schlimmsten Vorwürfe, indem er Lamettrie einen Tritt gab; Jahrzehnte lang herrschte der Brauch, mit tugendhafter