Ich ahnte diese Unmöglichkeit," stimmte die Herzogin bei; ,, aber ich fand es am geeignetsten, daß sie diese von Ihnen selbst erfahre. Es wäre immerhin eine Bestätigung der Un­möglichkeit gewesen, der sich nicht hätte widersprechen lassen."

Eine furze Unterhaltung folgte zwischen beiden Frauen; Lady Hamilton liebte es, über das geschäftliche Treiben, wie es bei solcher großartigen Unternehmung gleich der der tardini'schen Galerie bestand, einige Erklärungen zu hören, dann verabschiedete sich Frau Lucie Zecco von ihr.

Fast am Ende des langen Korridors war dieselbe eben im Begriff die etwas enge, gewundene Schneckentreppe hinabzusteigen, welche in den großen, weiträumigen Hof führte, wo die meisten Dienerwohnungen sich befanden, als sie zwei Personen herauf­kommen hörte. Sie trat auf die oberste Stufe zurück, weil es eine Notwendigkeit war, daß einander Begegnende sich so bequem als möglich auf der gewundenen, engen Treppe auswichen. Miß Lucie fühlte sich beim Erblicken der Heraufkommenden schreckhaft überrascht, denn sie erkannte in ihnen den früheren Freund ihres Mannes, den Drogist und Parfümhändler Sennor Martinez, und in seiner Begleiterin, Betty, eine der Zofen der Königin, welche, wenn sie Dienst hatte, in einem nahe dem Zimmer ihrer föniglichen Herrin gelegnen Gemach auf ein von dieser ihr gegebenes Klingelzeichen bei derselben erscheinen mußte. Sennor Martinez lüpfte schweigend seinen Hut und führte Betty am Arme an der Mistreß vorüber. Was hat dieser Mensch hier zu tun?" fragte sie sich im Hinabsteigen.

"

Im Hofe stand der Steward der königlichen Haushaltung. Sie ging auf ihn zu und fragte nach kurzer Begrüßung:" Master Steward, kannten sie den Herren, der mit Betty..."

Den? Ja. Martinez heißt er und ist Drogist... warum sollte ich ihn nicht kennen!" antwortete der alte würdige Diener. Ich " Ich halte es für die Pflicht eines jeden rechtschaffenen Ste­wards, daß er die Leute, die in seiner Herrschaft Haus ein­und ausgehen, nach Kräften kennen zu lernen sucht. Was den in Rede stehenden Herrn anlangt, weiß ich nur eins gewiß, daß er zu der braunhäutigen Menschensorte gehört, wie sie in Spanien wächst und jedenfalls dieselben schönen Eigenschaften besizt, wie ihr landesüblicher Pfeffer, der einem Ehrlichen Zunge und Kehle verbrennen kann. Miß Betty hat ihn unsrer gnädigsten Frau angelegentlichst empfohlen, wie ich vom Kammerdiener gehört habe. Je nun, die Miß ist in ihn verliebt und hat vor kurzem

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erst eine bedeutende Summe von ihrer verstorbenen Schwester geerbt, und dieser Spanier weiß, wie ein guter Fang zu machen ist."

Der würdige Steward würde jedenfalls weiter gesprochen haben, wenn nicht sein Name gerufen worden wäre. Es war der Herr Stallmeister, der von Seite der Stallungen her in den Hof getreten und seiner ansichtig wurde. Mistreß," sagte der Ste­ward lachend... Sie sehen, daß auf Schluß der Debatte angetragen ist, das Parlament vertagt sich pflichtschuldigst. Auf Wiedersehen!" Mistreß Lucie verließ den Hof und bestieg ihre Droschke. Die Begegnung mit Sennor Martinez hatte sie tief verstimmt. Seine Besuche, welche er früher bei Zecco gemacht, hatte er unterlassen... warum? Sie konnte sich diese Frage nicht be­antworten, und gerade das war es, was ihr diesen Mann, den sie vom ersten Augenblick an, daß sie ihn hatte kennen lernen, nicht leiden konnte, ihr noch mehr zuwidermachte, da die Freund­schaft zwischen ihm und Zecco fortbestand. Um ihren Mann von ihm abwendig zu machen, wußte sie kein Mittel aufzufin­den, es hätte doch wenigstens eines Grundes dafür bedurft. Ein Gedanke oder vielmehr ein Verdacht hatte sich ihrer freilich bemächtigt, aber sie erschrack vor demselben zu sehr, um ihn für möglich zu halten. War Martinez vielleicht der Vermittler des Giftes, an dem Marcella gestorben? Jeder Beweis fehlte, und sie fühlte die Notwendigkeit, auch die geringste Aeußerung dar­über streng bei sich zu behalten. Jezt auf der Fahrt nach Hause mischten sich ihre Gedanke bunt durcheinander. Sie ent­sann sich plözlich, daß sie früher, als Martinez ihr noch ein ganz Fremder war, von ihm selber gehört hatte, daß ihm die Lieferungen von Odeurs und Parfüms für den Haushalt des nunmehrigen Königs Georg den Vierten durch Vermittelung des Masters Tistbewood übertragen worden seien, und Martinez, welchen Zecco gelegentlich als eine geldhungrige Kaufmannsseele bezeichnet hatte, schien also im Dienste der der Königin feind­lichen Partei zu sein, und doch hatte er jezt Zutritt im Hause der hohen Frau gefunden... wie ließ sich das zusammen­reimen? Wie sie auch darüber nachdachte, war es ihr doch un­möglich, darüber ins flare zu kommen. Die Liebschaft des Spaniers mit Betty maskirte ein dunkles Geheimnis, wie Lucie fast mit Gewißheit behauptete, daß ein solches hier zu Grunde lag. Mit diesem häßlichen Denken beschäftigt, kam sie am Ein­gang der Galerie an, wo der diensteifrige Portier sie aus der Droschke hob.

( Fortsezung folgt.)

Die pariser Salons und die Encyclopädisten.

Von 6. Fehleisen.

Diderot , der Mann voll Geist und Feuer, der als das Haupt und als der Heerführer der Materialisten gilt, diese edle Natur, welche alle Tugenden und Fehler des Jdealisten in sich hegte, vor allen Dingen den Eifer für das Wohl des Menschen, aufopfernde Freundesliebe und einen unerschütterlichen Glauben an das Gute, Schöne und Wahre und an die Vervollkommnung der Welt, wurde am 5. Oftober 1713 geboren. Wir versagen uns für jezt, näher auf sein Leben und Wirken einzugehen, indem wir uns vorbehalten, sein Andenken in einer eigenen, zur Feier seines 100 jährigen Todestages am 30. Juli 1884 ihm gewidmeten Abhandlung zu ehren. Dasselbe gilt von seinem, besonders auch als Matematiker berühmten, liebenswürdigen Freunde und Arbeitsgenossen, d'Alembert , welcher am 16. No­vember 1717 geboren wurde und am 29. Oktober 1783 starb. Etienne Bonnot de Condillac wurde 1715 zu Grenoble aus adeliger Familie geboren und zum Geistlichen bestimmt. Seit 1746 trat er als philosophischer Schriftsteller auf, zuerst mit einer Untersuchung über den Ursprung der menschlichen Kenntnisse", dem die Abhandlung über die Sinnesempfin­dungen", sein Hauptwerk, und viele andere Schriften folgten, bis er am 3. August 1780 starb. Sein Studium galt nament­

( 3. Fortsezung.)

lich der Philosophie Locke's, welche er dahin modifizirte, daß es nicht, wie dieser meinte, zwei Duellen der Erkenntnis, Sinnes­empfindung und Reflexion, sondern nur eine einzige, die Sinnes empfindung gebe; denn die Reflexion sei blos ein Kanal, durch welchen die Ideen aus den Sinnen in den Geist geleitet werden. Sämmtliche Geistestätigkeiten leitet er aus der sinnlichen Wahr nehmung ab, durch äußere Eindrücke auf die Sinne werden nach und nach alle Ideen hervorgerufen, so daß der Geist am Ende nichts weiter ist, als das Resultat der Sinnestätigkeit.

Der forschende Geist begnügt sich jedoch nicht mit der ein­fachen Einsicht, daß das Erkennen und Handeln aus den Sinnen stamme; er fragt nach dem Ursprung und der Beschaffenheit der Sinne selbst, und damit geht die Seelenlehre, über die Körper­lehre, die Psychologie und die Physiologie, und auf Condillac folgte Cabanis, wie in unsern Tagen auf Feuerbach- Vogt und Moleschott folgten. Cabanis wurde im Jahre 1757 ge boren, widmete sich in der Jugend schöngeistigen Beschäftigungen, wandte sich aber später der Heilkunde und den Naturwissen schaften zu. Die berüchtigten und heute noch verpönten Schlag­worte unsrer modernen Materialisten stammen alle von ihm; durch seine am lebenden Menschen angestellten Beobachtungen