Einflusse seiner Gemahlin, der Prinzeß Adelheid von Sachsen Meiningen, stand, welche den Tories sehr geneigt war. Man verlangte Reformen, von den Tories waren keine zu erwarten und aus diesem Grunde haßte man die Königin und die Stim­mung des Volkes ließ viele schlimme Aeußerungen erwarten.

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Im Hannoveranerlande glaubte man dies benüzen zu müssen. Von Ort zu Ort cilten vertraute Boten, um die schon tief genug erregten Gemüter noch mehr aufzustacheln. Ueberall geschah die Ansage: Man solle sich bereit halten, der Ausbruch der Revolte stehe nahe bevor. ( Fortsezung folgt.)

Gottsched, Götze, Lessing.

Ein Stück Kulturgeschichte.

War nun auch Gottsched in seiner Kritischen Dichtkunst" nicht eben originell, sondern nur Zusammensteller und Vertreter von Ansichten, die er teils bei deutschen Schriftstellern vor ihm gefunden hatte, teils was seine Teorie der Dichtkunst an= langt bei französischen und englischen Kritikern, so bleibt ihm doch eben das Verdienst der Zusammenstellung und Verbreitung von allerlei Gedanken, welche zum mindesten dazu anregten, daß sich viele mit ihnen beschäftigten und manche, so vornehmlich auch die Schweizer  , Bodmer   und Breitinger, in fruchtbringender Polemik sie bekämpften.

Dafür, daß Gottsched in diesem einem seiner Werke auch direkt und positiv Nuzbringendes geschaffen hatte, besizen wir ein sehr gewichtiges Zeugnis.

Kein anderer als Goethe ist es, der da, wo er die deutsche  Literatur um die Mitte des 18. Jahrhunderts karakterisirt, von Gottscheds kritischer Dichtkunst sagt, sie sei brauchbar und belehrend genug gewesen; denn sie überliefere von allen Dichtungsarten eine historische Kenntnis, sowie vom Rhytmus und den verschiedenen Bewegungen desselben; sie habe vom Dichter Kenntnisse, ja Gelehrsamkeit und dann auch Geschmack und, was dergleichen mehr sei, verlangt. Zulezt habe sie die jungen Poeten auf Horazens Dichtkunst als vorzügliches Muster verwiesen. Freilich meint Goethe, das Beste, was man von einem Werke derart verlangen dürfe, daß es nämlich seine Leser vertraut mache mit dem höchsten Prinzip der Kunst, lasse auch Gottscheds fritische Dichtkunst vermissen, aber er sieht scharf und urteilt ge­recht genug, um das als einen Zeitmangel aufzufassen, das Ideelle habe sich eben aus der Welt in die Religion geflüchtet gehabt und von dem höchsten Kunstprinzipe habe bei weitem nicht Gottsched   allein, sondern niemand" eine Ahnung gehabt*).

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Hatte Gottsched   versucht, mit seiner kritischen Dichtkunst das Fundament zu legen, auf und aus welchem eine mit allen Ele­menten des trefflichen ausgestattete neue Literatur in Deutsch  land erblühen könnte, so begab er sich denn auch sofort selbst daran, den deutschen Dichtern mit seinem Beispiel voranzugehen. Er übersezte vielerlei von dem, was die von ihm empfohlenen Musterdichter des Altertums und des Auslandes gedichtet hatten, und er dichtete selber, stets in der freilich sehr unbegründeten Ueberzeugung, Ausgezeichnetes zu schaffen.

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Als Hauptfeld der Betätigung seines literarischen Feuer­eifers wählte er sich das Drama, diejenige Gattung der Poesic, welche allezeit am meisten geeignet war und geeignet bleiben wird, das Interesse der meisten Menschen zu berühren und anzustacheln, und alle nicht ganz Gemütlosen auf das heftigste zu ergreifen und zu bewegen.

Was er leisten wollte und geleistet hat, können wir nicht besser untersuchen und unsern Lesern zur Anschauung bringen, als wenn wir an das bezügliche Urteil des Mannes anknüpfen, den unser Tema an lezter Stelle nennt und dessen Porträt die Neue Welt" gleichfalls vorgeführt hat, des Mannes, den wir hinter Gottsched und selbst hinter dem Hamburger Haupt­pastor Göze nennen konnten, ohne im entferntesten fürchten zu müssen, wir möchten bei irgend einem die Geschichte der Literatur

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*) Siehe Goethe ,, Winkelmann und sein Jahrhundert."

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( 4. Fortsezung.)

und die Neue Welt" auch nur so obenhin kennenden Leser in den Verdacht geraten, daß wir diese beiden höher stellen als ihn oder etwa annähernd ihm zur Seite.

Lessing   schreibt:*)

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Niemand," sagen die Verfasser der Bibliotek**), wird läugnen, daß die deutsche Schaubühne einen großen Teil ihrer ersten Verbesserung dem Herrn Professor Gottsched   zu danken habe.""

Ich bin dieser Niemand; ich läugne es gradezu. Es wäre zu wünschen, daß sich Herr Gottsched   niemals mit dem Teater vermengt hätte. Seine vermeinten Verbesserungen betrafen ent­weder entbehrliche Kleinigkeiten oder sind wahre Verschlimme rungen.

Als die Neuberin  ( die bekannte Teaterprinzipalin, von der wir weiter unten noch zu sprechen haben werden) blühte, und so mancher den Beruf fühlte, sich um sie und die Bühne verdient zu machen, sah es freilich mit unserer dramatischen Poesie schr elend aus. Man kannte keine Regeln; man be­fümmerte sich um teine Muster. Unsere Staats- und Helden­Aktionen" waren voller Unsinn, Bombast, Schmuz und Pöbel­wiz. Unsere Lustspiele" bestanden in Verkleidungen und Zaubereien; und Prügel waren die wizigsten Einfälle derselben.

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Dieses Verderbnis einzuschen brauchte man etwa nicht der seinste und größte Geist zu sein. Auch war Herr Gottsched  nicht der erste, der es einsah; er war nur der erste, der sich Kräfte genug zutraute ihm abzuhelfen. Und wie ging er da­mit zu Werke? Er verstand ein wenig Französisch und fing an zu übersezen; er ermunterte alles, was irgend nur Oui Monsieur verstehen konnte, gleichfalls zu übersezen; er ver­fertigte, wie ein schweizerischer Kunstrichter sagt, mit Kleister und Scheere" seinen Cato; er ließ den" Darius" und den Au­stern" und die Elise" und den Bock im Prozesse", den Au­relius" und den Wißling", die" Banise" und den Hypo­chondristen" ohne Kleister und Scheere machen; er ließ den Harlekin feierlich vom Teater vertreiben, welches selbst die größte Harlekinade war, die jemals gespielt worden; kurz, er wollte nicht sowohl unser altes Teater verbessern, als der Schöpfer eines ganz neuen seyn. Und was für eines neuen? Eines französirenden; ohne zu untersuchen, ob dieses franzö­sirende Teater der deutschen Denkungsart angemessen sei, oder nicht.

Er hätte aus unsern alten dramatischen Stücken, welche er vertrieb, hinlänglich abmerken können, daß wir mehr in den Geschmack der Engländer als der Franzosen einschlagen, daß wir in unsern Trauerspielen mehr sehen und denken wollen, als uns das furchtsame französische   Trauerspiel zu sehen und zu denken gibt; daß das Große, das Schreckliche, das Melancholische besser auf uns wirkt, als das Artige, das Zärtliche, das Verliebte, daß uns die zu große Einfalt mehr ermüde, als die zu große Verwicklung. Er hätte also auf dieser Spur bleiben sollen, und sie würde ihn geraden Weges auf das englische Teater geführt haben. Sagen Sie ja nicht, daß er auch dieses zu muzen ge­sucht, wie sein Cato es beweise. Denn eben dieses, daß er den

*) 17. Literaturbrief.

**) Bibliotek der schönen Wissenschaften und der freien Künste. Leipzig   bei Dyt. Herausgeber Nicolai.