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Der Obrist stand daneben, ohne eine Hand zum Beistande| zu bewegen.

Gesindel treibt sich genug auf den Straßen herum, was schleppst du das in unser Haus hab' Sorge genug, auch ohne das, in unserem Hause," sagte er finster." Laß sie in das Gemeindehaus bringen, dort ist Plaz für sie.

Damit wollte er sich umwenden und in sein Kabinet zurück gehen.

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" Mich friert," flüsterte die Kranke zitternd und bebend in deutscher Sprache. Wie mich friert! D, mein Kopf brennt mein Herz! mein Herz! Laßt mich Muß ich sterben? doch sterben!"

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Der Obrist blieb stehen und warf einen Blick auf die Kranke, als überkäme ihn Mitleid. Wieder aber kehrte er sich ab und ging wortlos in sein Zimmer.

Unterdes kamen zwei Mägde. Sie nahmen die Kranke auf

ihre Arme und trugen sie in ein oberes kleines Stübchen. Dort wurde sie der nassen Kleider entledigt und zu Bette gebracht. Die Schwester des Obristen ließ ihr heißen Tee einflößen und saß an ihrem Bett. Sie konnte sich nicht abwenden und lauschte den fieberhaften Atemzügen der Kranken, die wie eine schöne Leiche regungslos, mit geschlossenen Augen vor ihr in den weichen, schwellenden Kissen lag. Die Arme war frank und war un­glücklich und eine Deutsche ! Vielleicht vor nicht langer Zeit aus Deutschland herübergekommen. Aus den holden, kindlich reinen Zügen wehte es sie an, wie deutsche Luft, deutscher Himmel, deutsches Leben und Lieben!

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Die alte gute Dame saß am Bett und schloß dann und wann die Augen und wenn sie wieder aufsah und in das Antliz der Kranken blickte, mußte sie sich immer von neuem die langsam quellenden Tränen wischen. Sie dachte an ihre eigene Jugend, an ihre Heimat, an Deutschland ! ( Forts. folgt.)

Bur Geschichte der Presse in der französischen Revolution.

In allen Geschichtsbüchern lesen wir von der Zügellosigkeit der Presse in der französischen Revolution, und, um Abscheu zu erwecken vor Vertretern der neuen Ideen, werden die Ergüsse Ma rat's in seinem Ami du Peuple , Hebert's in seinem Père Duchesne und anderer mehr vorgeführt.

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Daß die Sprache der Presse in jener furchtbar erregten Zeit eine das Maß ruhiger Zeiten über­schreitende war, daß die revolu tionären Gedanken und Leiden­schaften oft mit einer Wildheit und einem Cynismus ausgedrückt wur­den, die für jeden, der sich in jene Periode allgemeiner Auflösung und chaotischer Entfesselung aller Elementarkräfte nicht zu versezen imstande ist, etwas unbegreif­liches haben müſſen das kann nicht in Abrede gestellt werden. Wer sich darob wundert, möge gewisse Preßerzeugnisse der Gegen­wart zur Hand nehmen, in denen der Interessenkampf" gepredigt wird, und wenn er die heutige Zeit mit der damaligen, die heu­tigen Kämpfe mit den damaligen vergleicht, wird er zur Ueberzeu­gung gelangen, daß die größere Heftigkeit der Sprache in der Re­volutionszeit in der unendlich größeren Intensität der Kämpfe ihre genügende psychologische Erklärung findet.

zwischen der alten Welt des abgestorbenen Feudalismus mit der neuen Welt des zur Alleinherrschaft emporstrebenden Bür­gertumstein einziger, der nicht mit seiner ganzen Person be­teiligt gewesen wäre ein Ringen um die Existenz, so gewaltig, so allgemein, in so großartigem Maß­stab, wie die Welt es bis dahin noch nicht erlebt hatte.

Arabi Pascha.( Seite 588.)

Die demagogischen Ergüsse gewisser Hofprediger der Ge­genwart reichen sehr nahe an die ausschweifendsten Wutaus­brüche der französischen Revolutionspresse heran, und niemand wird doch wohl leugnen können, daß diese Wutausbrüche unter Verhältnissen erfolgten, die sie psychologisch hundertmal, wir wollen nicht sagen entschuldigen, aber begreiflich erscheinen lassen, als jene demagogischen Ergüsse.

Um die Presse der französischen Revolution richtig zu be­urteilen, muß man der Stimmung der Geister in der franzö­Der alte Staats- und sischen Revolution Rechnung tragen.

Gesellschaftsorganismus war in seine Atome zerfallen, ein neuer Staats- und Gesellschaftsorganismus bildete sich unter schweren Geburtswehen aus dem Chaos heraus. Von den 25 millionen Menschen, die das Frankreich der Revolution bewohnten, war fein einziger unbeteiligt an dem beispiellosen Titanenkampf

Und

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was bei allen revo­lutionären Bewegungen zu bemerken ist die Verteidiger des Alten, ist­des Bestehenden, haben eher das Bewußtsein der Situation gehabt, als die Vorkämpfer des Neuen, die Vertreter des Werdenden, denen erst allmälich im Fortschreiten der Ereignisse das Wesen und die Größe ihrer Aufgabe zu voller Klarheit kommt, denen das Verständnis der Tatsachen erst durch die Logik der Tatsachen beigebracht wird.

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Es zeigt sich dies mit beson­derer Deutlichkeit auf dem Gebiete der Presse. Welche Rolle die Presse in der französischen Revo­lution gespielt hat, dabei wollen wir jezt nicht verweilen. Nach­dem sie vorher höchstens mit Ausnahme Englands- die Hand­langerin des Despotismus, oder ein verachtetes Aschenbrödel gewesen, schwang sie sich kühn auf den Tron und wurde nicht die sechste", wofür sie von unbe­scheidenen Lobrednern ausgegeben wird, sondern die erste Welt­macht die oberste leitende Macht, der alle anderen Mächte sich beugen, der alle anderen Mächte ihre gewichtigsten Macht­mittel entlehnen.

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Selbst die absolutistischste Regierung ist heutzutage eine Regierung von der Presse Gnaden- alles durch die Presse,

nichts ohne die Presse.

Vor der Revolution war der Kampf der Geister und In­teressen hauptsächlich durch Flugblätter, Broschüren und die im Lande des Wizes unvermeidlichen Spottgedichte und Epigramme geführt worden. Erst die Revolution schuf die Notwendigkeit, einer regelmäßigen Tagesliteratur: der Presse.

Ueberspringen wir die dritthalb Monate zwischen dem Ba­stillensturm und dem Zug der Pariserinnen und Pariser nach Versailles . Bis anfang Oftober hatte der Hof sich in der

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