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Josef Garibaldi.
Als zu Beginn der Regierung des Königs Karl Albert von Sardinien und Piemont die blutige Verfolgung der politischen Gesellschaft„ das junge Italien " begann, hatte man in Alessandria den jungen Patrioten Andrea Vocchieri ins Gefängnis geworfen, der angeklagt war, an der Verschwörung des jungen Italien Teil genommen zu haben. Er ward zum Tode verurteilt. Um ihn zu entehren, erschoß man ihn von hinten. Auf dem Wege zum Tode führte man ihn an seinem Hause vorüber; man glaubte, der Anblick seiner unglücklichen Familie werde ihn zu Geständnissen bewegen. Aber er sagte mit traurigem Lächeln: „ Sie haben vergessen, daß es eine Sache auf der Welt gibt, die ich mehr liebe als Weib und Kind das ist Italien !" Gleich darauf fiel er unter einer Salve. Ein 26 jähriger junger Mann aus Nizza sah diesen Märtyrer tot und schwur bei sich, sein Leben der Sache Italiens zu widmen.
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Der junge Mann hieß Josef Garibaldi und die Welt weiß, daß er seinen Schwur gehalten hat.
Das glorreiche Gedicht seines Lebens", wie George Sand seine Laufbahn genannt hat, ist zu Ende; aber wenn gleich der Held, dessen Taten eben so groß waren, wie sein bürgerliches Leben einfach, keiner der eigentlichen politischen, nach bestimmten Programmen abgegrenzten Parteien angehört hat, so trauern an seinem Grabe doch alle, deren Herz bei dem Worte„ Freiheit" noch höher zu schlagen vermag. Dieser im Sturm so gewaltige, in der Stille so einfache Mensch hat viel Siege und viel Niederlagen aufzuweisen und aus manchem Verherrlicher seiner Erfolge ist in der Zeit seiner Mißerfolge ein Verkleinerer seiner Person geworden. Das Piedestal, auf das die Gerechtigkeit der Geschichte Garibaldi stellen muß, erhebt ihn so hoch über die Verkleinerer, daß es keiner Verlästerung gelingen kann, den Glanz des Namens Garibaldi zu trüben.
Um die Laufbahn Garibaldis zu durchmessen, müßte man ein gutes Teil Abenteurerlust neben dem erhabensten Mut und einer phänomenalen Uneigennüzigkeit befizen. Zumteil mochte das im Blute der Familie liegen, denn Garibaldi war, was wenig bekannt ist, ein Nachkomme jenes abenteuernden Barons von Neuhof aus Westfalen , der es auf kurze Zeit zum König von Korsika brachte und im Schuldturm endete. Die Schwester dieses ephemeren Potentaten hatte einen Dr. Garibaldi, einen Vorfahren Garibaldis geheiratet, und aus dieser Verbindung stammten Garibaldis Eltern her. Die Hartnäckigkeit und Zähigkeit im Wesen Garibaldis ist in der Tat nicht gerade italienisch; sie entspricht vielmehr dem westfälischen Karakter, den Heine so schön bezeichnet hat, indem er die Westfalen„ sentimentale Eichen" nennt. Die Glut des Italieners vermischt mit der Zähigkeit des Westfalen, das gibt in der Tat den Karakter des Helden, der die Einheit Italiens begründet hat.
Mit einer Art Abenteuer trat er in die Welt; er wurde 1807 zu Nizza in demselben Hause und in demselben Zimmer geboren, wo auch André Masséna , der berühmte französische Marschall, das Licht der Welt erblickt hatte. Der Vater Josef Garibaldis war ein Seemann, der sein eigenes Schiff führte; seine Mutter war eine einfache Frau, der ihr berühmter Sohn eine rührende Anhänglichkeit bewahrt hat. Die Eltern wollten dem talentvollen Knaben eine gediegene Erziehung geben und ihn Priester, Advokat oder Arzt werden lassen, aber sein romantischer Sinn trieb ihn zur See. Die Gefahr zog ihn immer an und das Brausen und Toben der See war ihm sympatischer, als die Aussicht auf eine stille Studirstube oder einen ruhigen bürgerlichen Beruf. Mit Tränen gab seine Mutter die Einwilligung. Er machte seine erste Reise auf der Brigg Constanza nach Odessa ; glücklich zurückgekehrt machte er nun die meisten seiner Seereisen auf dem Fahrzeug seines Vaters und erwarb sich bald einen gewissen Ruf durch seine Kaltblütigkeit und Kühnheit gegenüber den Gefahren der See. Auf einer
Fahrt nach Konstantinopel an Bord der„ Clorinde" lernte er eine Anzahl von Saint- Simonisten kennen, die nach der Türkei auswanderten. Die Lehren dieser Sekte machten einen mächtigen Eindruck auf den jungen Seefahrer und trieben ihn nicht zum geringsten Teil dahin, wo er bald so groß erscheinen sollte, in den Kampf für die Einheit und Unabhängigkeit seines Vaterlandes.
Als Mazzini und Kamorino 1834 den verunglückten, unter dem Namen Savoyerzug bekannten Aufstandsversuch machten, sollte Garibaldi die Besazung eines Kriegsschiffs im Hafen von Genua für die Sache Mazzini's gewinnen. Dies gelang ihm nicht und er konnte sich, nachdem Mazzini's Unternehmen ge= scheitert war, noch rechtzeitig unter den größten Gefahren nach Frankreich retten. Zum Tode verurteilt, entwich er nach Tunis und nahm dort Dienste, mochte sich aber dem despotischen Bey nicht fügen und ging nach Südamerika . Die Republik Rio Grande führte damals Krieg mit Brasilien und Garibaldi trat als Kapitän eines Kaperschiffs in ihre Dienste. Bei einem der vielen Kämpfe, die er in diesem Kriege bestand, erhielt er seine schwerste Verwundung durch einen Schuß in den Hals. Kaum genesen, fiel der waghalsige junge Mann in feindliche Gefangenschaft, wobei ihm ein Don Leonardo Millan wegen eines Entweichungsversuchs die Tortur geben ließ. Diese bestand darin, daß Garibaldi zunächst die Hände auf dem Rücken zusammengeschnürt wurden; dann schlang man durch die gefesselten Arme ein Seil und befestigte dieses an der Decke des Gefängnisses, so daß der Gefolterte schwebend in der Luft hing. ihn nach zwei Stunden abnahm, blieb er wie tot liegen. Später wurde er freigelassen und das Schicksal wollte es, daß dieser Don Leonardo Millan in seine Hände fiel. Garibaldi war edelmütig genug, an seinem Peiniger keine Nache zu nehmen.
Als man
Auf seinen weiteren friegerischen Fahrten im Dienste der Republik Rio Grande lernte Garibaldi jenes merkwürdige Weib kennen, das die Gefährtin seines Lebens wurde. Anita Riveras folgte Garibaldi von da ab auf allen seinen Fahrten und Feldzügen und teilte alle seine Gefahren bis zu ihrem Tode. Sie befand sich öfters im heftigsten Feuer. Bald wob sich ein Kranz von Myten um das romantische Paar, von denen einige als historische Tatsachen ausgegeben worden sind. So ist es eine Erfindung, daß Anita in der Freischaar ihres Mannes als Hauptmann fungirt habe. Sie hat Garibaldi seine drei Kinder Menotti, Ricciotti und Teresita geboren. Die Abenteuer, die Garibaldi und Anita in den Kämpfen mit Brasilien bestanden, zu schildern, müßte man ein Buch für sich schreiben. Man schlug sich in Gegenden, die vorher kaum ein europäischer Fuß betreten hatte; es kam vor, daß die Schlachtfelder in den Urwäldern lagen. Bei dem Rückzug von einer solchem Campagne mußte Garibaldi seinen drei Monate alten Sohn Menotti in ein Tuch eingewickelt an seinem Halse befestigen und durch einen Fluß tragen. Nach sechs Jahren voller Gefahren und Abenteuer, die ihm einen bekannten Namen in Südamerika verschafften, nahm Garibaldi seinen Abschied, um mit Weib und Kind etwas auszuruhen. Er bildete sich eine Rinderherde, von deren Erlös er einige Zeit zu leben gedachte. Allein er wurde betrogen und kam mittellos zu Montevideo an, wo er sich als Professor der Matematik und als Waarenmakler ernährte, bis der Krieg ihn wieder auf sein eigentliches Feld rief.
Bisher war Garibaldi bei allen Abenteuern und Leistungen immer nur ein untergeordneter Parteigänger gewesen; in Mon tevideo rückte er in die Reihe der berühmten Generäle seiner Zeit auf.
In den vierziger Jahren wütete jener fürchterliche Krieg zwischen dem blutigen Diktator Rosas von Buenos Ayres und der Republik Uruguay resp. Montevideo; der Präsident Oribe von Montevideo war verjagt worden und wandte sich an Rosas, der alle Mittel anwandte, um mittelst des Dribe sich auch zum Herrn von Montevideo zu machen. Während Oribe mit Heeres