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Der Sturm im Glase Wasser" endigte faktisch am Sonn­tagsmorgen 16. Januar. Vor der Stadt hielt der General­Major von dem Busche mit einem Observationskorps und sezte die Unterwerfung derselben bis zum Vollschlag der neunten Morgenstunde als lezte Geduldfrist fest. Nun gab es im Morgen­grau ein unheimlich flüchtiges Wandern von Männergestalten

groß und klein durch die äußeren, hinaus vor die Stadt füh­renden Gassen. Es waren die Führer und besonders Kompro­mittirten der aufständischen Bewegung, welche der Gefangen­❘nahme zu entfliehen suchten, denn die Bürgerschaft hatte sich dem 3wangsbefehle der Unterwerfung gefügt, um ihre Stadt und sich vor sicherem Verderben zu retten.

( Forts. folgt.)

Josef Garibaldi.

Die Lage des auf allen Seiten bedrängten Montevideo   war eine äußerst bedenkliche geworden, als die englisch  - französische Interventionsflotte erschien und die Stadt aus der eisernen Um­flammerung ihres Todfeindes Rosas befreite. Nun konnte die italienische Legion wieder angriffsweise vorgehen und bestand das glänzende Gefecht von San Antonio   am 8. Februar 1846. Montevideo   war gerettet und seine mittellose Regirung gab der italienischen Legion die einzige Auszeichnung, die sie ihr geben konnte sie rühmte öffentlich deren Tapferkeit.

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Als 1847 die freiheitlichen Bewegungen in Europa   sich an­kündigten, erwachte in Garibaldi  , der das Nahen des Völker­frühlings fühlte, die Sehnsucht nach Italien  . Er bot in einem Briefe am 12. Oktober 1847 dem Manne, den er später so sehr bekämpfen sollte, dem Papst Pio IX.  , seine und der italieni­schen Legion Dienste an. Um dies zu verstehen, muß man in Betracht ziehen, daß Pio IX.   damals allgemein für einen schr liberalen Mann galt, und daß ein großer Teil der italienischen Bevölkerung von diesem Papste die Herstellung der Freiheit und Einheit erwartete. Es gab auch eine Periode, während deren sich Pio IX.   so geberdete, als ob es ihm wirklich ernst sei mit seinen tonstitutionellen Gaufeleien.

Uebrigens erhielt Garibaldi   auf seinen Brief keine Antwort, und so beschloß er, ohne Einladung des Papstes nach Italien   zu gehen. Die Regirung von Montevideo   gab Garibaldi   zwei Kanonen und 800 Gewehre, und so schiffte er sich am 27. März 1848 mit etwa 60 seiner Legionäre ein, nachdem die Mittel zur Ueber­fahrt durch eine Subskription aufgebracht worden waren. Aber diese Mittel waren so gering, daß manche Legionäre die ganze Ueberfahrtszeit in ihren Betten zubrachten, weil sie keine Kleider hatten. Am 24. Juni bekam man Nizza   in Sicht, und als be­kannt wurde, daß Garibaldi   gekommen sei, um sich an den italienischen Freiheitskämpfen zu beteiligen, empfing man den tapferen Freischaarenführer mit ungeheurem Jubel. Denn der Ruf seiner Taten war längst über den Ozean gedrungen.

In die lezte Zeit des Aufenthalts Garibaldi's   in Monte­ video   fällt jene berühmte Geschichte vom finsteren Zimmer. Eines Abends besuchte ihn der Admiral Lainé, der Kommandant der englisch  - französischen Interventionsflotte, und fand es finster. Der Verteidiger Montevideo's   war, wie seine Anita bestätigte, zu arm, um sich Licht kaufen zu können. Am andern Morgen sandte ihm die Regierung 500 Franks, er nahm nur eine kleine Summe für sich und verteilte das übrige an die Kinder der gefallenen Legionäre. Wiewohl er sich leicht hätte bereichern können bei der zahlreichen Kriegsbeute, die in seine Hände fiel, so hatte er doch alles gewissenhaft der Regierung abgeliefert. Er war gänzlich arm geblieben und Anita, die Mutter dreier Kinder, ertrug die Armut mit stoischer Gleichmütigkeit.

II.

Wir haben diese Tatsache ausführlich berichten müssen, weil sich ohne ihre Kenntnis nicht begreifen läßt, wie Garibaldi   schon vor mehr als dreißig Jahren der Liebling des italienischen Volkes werden konnte, so daß die Nachricht von seiner Ankunft wie ein elektrischer Schlag durch die ganze Halbinsel ging. Die Wir­fung seiner Erscheinung war eine doppelte. Zunächst lernten die von allen möglichen Knechtschaftssystemen niedergedrückten

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( Fortsezung.)

| Italiener   wieder auf sich selbst vertrauen, indem sie zu einem Manne emporsahen, der geeignet schien, die Wagschale des Ge­schickes zu Gunsten der Freiheit sinken zu lassen, wenn er seinen Degen hineinwarf. Sodann bildete sich unter Garibaldi   jene -sagen wir Schule von jungen, tapferen und uneigennützigen Männern, die im Dienste der Idee alles opferten, was ein Mensch überhaupt zu opfern vermag. Bezüglich des kriegerischen Mutes ist der Ruf der Italiener lange Zeit kein glänzender gewesen, aber die Männer, die unter Garibaldi   kämpften, bluteten und starben, waren Helden, deren Bravour im Volke den Mut und den Geschmack an der Tapferkeit im Kriege wieder entfachte. Diese Umstände bewirkten, daß Garibaldi  , sobald er den italienischen Boden betrat, Freiwillige in Masse zuströmten. Er bot seine Dienste dem Piemontesenkönig Karl Albert   an, welcher sich berufen gefühlt hatte, sich an die Spize der italienischen Einheitsbewegung im Kampfe gegen Desterreich zu stellen. Wie immer, zeigte Karl Albert   auch in diesem Falle wenig Geschick; er empfing den republikanischen Freischaarenführer unfreundlich und ließ ihm später sagen, man werde ihm das Kommando über einige kleine Barken übergeben, mit denen er als Korsar die Venetianer unterstüzen solle. Garibaldi   antwortete auf dieses Angebot garnicht, sondern begann den Kampf gegen die Dester­reicher auf eigene Faust. Jene glänzende mailänder Jugend, von der Radetzky geschlagen worden war, trat fast ganz unter seine Fahnen. Üngünstige Verhältnisse und die Feindschaft der Piemontesen, deren König in einer Proklamation vom 12. Aug. 1848 von Garibaldi   als Verräter bezeichnet wurde, lähmten die Bewegungen Garibaldis  ; von seinen fünftausend Mann liefen ihm in Como   viertausend davon. Dennoch entschloß sich Gari­ baldi   zu Offensivbewegungen gegen die Desterreicher, während im übrigen Italien   fast überall schon der Rückzug angetreten wurde. Im ersten Gefechte wurden die Desterreicher zurückge­schlagen; in einem zweiten Gefechte an der Schweizergrenze ver­teidigten siebenzig Garibaldiner vier Stunden lang einen ver schanzten Paß gegen etwa 3000 Desterreicher und zogen sich schließlich in die Schweiz   zurück, worauf der österreichische General Asper, der diesen glorreichen Angriff geleitet hatte, in den Zeitungen veröffentlichte, er habe die ganze Armee" Gari­ baldis   in die Flucht geschlagen!- Die sich um Garibaldi   zu­sammenziehende österreichische Uebermacht ward indessen zu groß; mit 600 Mann von einigen tausend Desterreichern umzingelt, schlug sich Garibaldi   mit ziemlichem Verluste durch und trat in die Schweiz   über.

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Diese Kämpfe, wenn sie auch keinen unmittelbaren mili­tärischen Erfolg hatten, ließen die Begeisterung der Italiener für Garibaldi in hellen Flammen aufschlagen; sein Name er­scholl in Liedern, und niemand ist so gefeiert worden vom ita­lienischen Volke jener Tage, als der Mann, der in zwei Welt­teilen für die Freiheit gefochten hatte.

Nach dem Siege der Desterreicher über Karl Albert   bei Novara   flatterte das Banner der Unabhängigkeit nur noch in Venedig   und in Rom  . Am 24. November 1848 war Papst Pius IX.  , der schon längst die konstitutionelle Maske abgelegt hatte, infolge eines Aufstandes aus Rom   entflohen, und es war in der ewigen Stadt" die Republik   proflamirt worden, worauf eine Verfassung gebende Versammlung zusammentrat, zu deren Beschickung ganz Italien   allerdings mit wenig Erfolg- aufgefordert wurde. Man hatte von dieser Versammlung ge­

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