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und um ergiebige Fischpläze Streitigkeiten entstanden, die zum Kriege| führten. Durch diese Kriege verwilderte der Geist des Volkes, die Feldarbeiten wurden vernachlässigt, Not trat ein, und Hunger im Verein mit Rachedurst und Haß führten im Kriege zu den ersten Fällen des Kannibalismus. Aber die Kriege dauerten fort, der Mangel an Fleisch nahrung wurde mit der allmälichen Ausrottung der Tier- und Vogelarten, die das Hauptjagdwild ausmachten, immer fühlbarer, und was anfangs nur in der höchsten Not und in der äußersten Aufregung der Leidenschaften als vereinzelter Fall vorgekommen, wurde nach und nach ein fürchterlicher Brauch, der erst dann wieder aufhörte, als durch Einführung ergiebigerer Nahrungsquellen dem Mangel und Elend abge holfen und die Grundursache der blutigen Kriege gehoben wurde. Dies geschah mit Einführung der Schweine, Kartoffeln und Getreidearten durch die Seefahrer zu Ende des vorigen Jahrhunderts. Wohl leben noch viele Männer, die in ihrer Jugend Menschenfleisch gekostet haben, aber der jüngeren Generation klingt schon jede Erinnerung daran fast wie ein Märchen.
Was anderes kann auch Menschen dahin bringen, Ihresgleichen aufzuessen als Not, als Hunger? Es gibt keinen anderen vernünftigen Erklärungsgrund für eine Erscheinung, die so sehr der Natur zuwiderläuft, daß sie auch bei Tieren nur ausnahmsweise, wenn die Not dazu treibt, vorkommt. Es ist nicht barbarische Sitte, nicht Roheit, nicht Wildheit, nicht Heidentum, was den uncivilisirten Menschen der Südsee soweit brachte, daß er das Blut seines Nebenmenschen trant und sein Fleisch aß; der Kannibalismus der Südsee- Insulaner hat feinen andern Grund, als der Kannibalismus des zivilisirten Europäers, wenn dieser schiffbrüchig und in der Verzweiflung Hungers zu sterben, sich an seinem Unglücksgefährten vergreift. Der Kannibalismus ist eben nur eine der mannigfaltigen Erscheinungen des Kampfes ums Dasein."
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Aehnlich spricht sich Georg Forster hierüber aus:„ Wer weiß, ob die ersten Menschenfresser die Körper ihrer Feinde nicht aus bloßer But gefressen haben, damit gleichsam nicht das geringste von denselben übrig bleiben sollte? Wenn sie nun überdem fanden, daß das Fleisch gesund und wohlschmeckend sei, so dürfen wir uns wohl nicht wundern, daß sie endlich eine Gewohnheit daraus gemacht und die Erschlagenen allemal aufgefressen haben; denn so sehr es auch unserer Erziehung zuwider sein mag, so ist es doch an und für sich weder unnatürlich(?) noch strafbar, Mensch.fleisch zu essen. Nur um deswillen ist es zu verbannen, weil die geselligen Empfindungen der Menschenliebe und des Mitleids dabei so leicht verloren gehen können. Da nun aber ohne diese keine menschliche Gesellschaft bestehen kann, so hat der erste Schritt zur Kultur bei allen Völkern dieser sein müssen, daß man dem Menschenfressen entsagt und Abscheu davor zu erregen gesucht hat. Wir selbst sind zwar nicht mehr Kannibalen, gleichwol finden wir es weder grausam, noch unnatürlich, zu Felde zu ziehen und uns bei tausenden die Hälse zu brechen; ist es aber nicht Vorurteil, daß wir vor dem Fleische eines Erschlagenen Abschen haben, da wir uns doch kein Gewissen daraus machen, ihm das Leben zu nehmen? Ohne Zweifel wird man sagen wollen, daß ersteres den Menschen brutal und gefühllos machen würde. Allein es gibt ja leider Beispiele genug, daß Leute von zivilisirten Nationen, die, gleich verschiedenen unserer Matrosen, den bloßen Gedanken von Menschenfleischessen nicht ertragen, gleichwohl Barbareien begehen können, die selbst unter Kannibalen nicht erhört sind! Was ist der Neuseeländer, der seinen Feind im Kriege umbringt und frißt, gegen den Europäer, der zum Zeitvertreib einer Mutter ihren Säugling mit faltem Blute von der Brust reißen und seinen Hunden vorwerfen kann? Die Neuseeländer fressen ihre Feinde nicht anders, als wenn sie solche im Gefecht und in der größten Wut erlegt haben. Es ist also nicht unwahrscheinlich, daß in der Folge dieser Gebrauch ganz abkommen wird." Und Forster hatte recht, denn, wie Hochstetter berichtet, verzeichnet die Geschichte schon im Jahre 1843 den lezten Fall von Menschenfresserei auf Neuseeland . Die Anschauung zweier so hervorragender Naturforscher, wie Georg Forster und Ferdinand v. Hochstetter, entspricht unstreitig den tatsächlichen Verhältnissen besser, als das gedankenlose Geschwäz frommer Seelen, welche alle Schuld der heidnischen Religion zuschreiben. Es haben aber die Anhänger keiner heidnischen Religion so viel Blut vergossen als die Christen getan haben, und angesichts historischer Tatsachen, wie: Waldenser- und Albigenserkriege, Inquisitionsgerichte u. f. w., u. f. w. darf selbst ein Kannibale mit vollem Recht sagen: Seht, wir Wilden sind doch bessere Menschen!
fs.
Elegantes Rotwälsch.. Wir wollen hier nicht von dem sogenannten Slang( englisch , sprich släng) der vornehmen Welt im allgemeinen sprechen, sondern nur von dem eines teils dieser Welt, und zwar unserer jogenannten Sportsmen. Schon daß diese Leute sich einen englischen Titel beilegen, zeugt von ihrer Unfähigkeit, die deutsche Sprache zu handhaben und ihren Bedürfnissen gemäß zu entwickeln, zu bereichern. Aber wenn sie dann wenigstens noch mit dem Englischen fertig würden, das sie zur„ Sportsprache" erhoben(?) haben! Allein davon keine Spur. Nicht einmal papageimäßig richtig nachplappern fönnen sie die englischen Ausdrücke. Die meisten derselben werden auf's gräulichste verhunzt, so daß ähnliche Monstrositäten und Wortfarrikaturen zu Tage kommen, wie bei dem angeblich„ englischen" Rotwälsch der amerikanischen Neger. Ein Präbchen möge hier folgen. Die Frankfurter Beitung"
berichtet in ihrer Nummer vom 10. Juli also über ein„ Sportereignis": Gießen , 9. Juli. Die II. Oberhessiche Verbands- Regatta fand bei äußerst günstiger Witterung statt. Im 1. Rennen für 4 riems outrigged Giga fiegte die coblenzer Rudergesellschaft über die oberräder Rudergesellschaft mit zwei Bootslängen. Im 2. Rennen 4 riems outrigged Raceboote siegte der mainzer Ruderverein über die gießener Rudergesellschaft mit 3 Bootslängen. Das 3. Rennen( Verbandsrennen) Sciff wurde von Herrn Meßler der offenbacher Rudergesellschaft„ Undine" über die gießener Rudergesellschaft( Herr Balzer) gewonnen. Herr Balzer protestirte, da Megler seinen Kours genommen. Im 4. Rennen 4 riems inrigged Raceboote( Senior) siegte die frankfurter Germania " über den offenbacher Verein mit 2 Sec.; für den erkrankten Herrn Meixner fuhr Herr Lang. Im fünften Sciff( Juniorrennen) siegte abermals die Germania "( Stern) über den Ruderverein( Giltberger). Im folgenden Rennen siegte Castel gegen Höchst mit 8 Bootslängen. Das nächste Rennen Sciff Senior wurde von Biersack( Sachsenhausen ) leicht gewonnen, da Herr Meixner von der„ Germania " nicht fahren konnte und Biersack allein über die Bahn ging. Ebenso siegte Sachsenhausen im folgenden Rennen 4 riems inrigged Raceboote für Juniors über den offenbacher Ruderverein. Im lezten Rennen siegte der offenbacher Ruderverein über die gießener Rudergesellschaft." Dies die Notiz, welche offenbar in forrettester, Sportsprache" abgefaßt ist. Gehen wir die spezifischen Sportausdrücke durch:
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1)„ Regatta" mag passiren; ist zwar nicht deutsch, und könnte mit Leichtigkeit durch ein deutsches Wort ersezt werden, ist aber doch wenigstens nicht verhunzt.
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2) 4 riems outrigged" tein englisches Wörterbuch wird das Wort ,, riems " enthalten, aus dem sehr einfachen Grunde, weil die englische Sprache es nicht kennt.
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4) ,, Sciff" S. was unter 2 über ,, riems " gesagt ist; die ,, Sciffs" sind genau so englisch wie die„ ,, riems ".
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Da dies die einzigen pseudo- englischen Ausdrücke in diesem Berichte sind, so können wir unsere Blumenlese nicht weiter ausdehnen. Daß es sich nicht um Druckfehler handelt, erhellt schon aus dem Umstand, daß die verhunzten Ausdrücke je mehrmals vorkommen und jedesmal in gleicher Gestalt. Außerdem haben wir uns überzeugt, daß diese Berhunzung ganz allgemein ist in der Welt unserer Sportsmen" die sich gar viel auf ihre Reiter- und sonstigen Sportkünste einbilden, recht in puncto der Sprache aber von anderem nicht zu reden traurige Ritter sind. Wenn die Herren nicht imstande sind, ihre Muttersprache zu sprechen und zu schreiben, dann mögen sie doch zum mindesten die Anfangsgründe derjenigen Sprache erlernen, mit deren Hilfe sie ihre Blöße zu bedecken suchen.
lb.
Auch ein Oedipus, der das Rätsel der Sphynx, nämlich die soziale Frage, gelöst hat. Die Zahl dieser Oedipusse ist zum Glücke sehr groß, was jedoch leider nicht verhindert hat, daß die Sphynx noch immer am Leben. Die Zahl ist sogar viel größer, als man glaubt, denn es gibt auch unbekannte Oedipusse, obgleich diese Menschengattung der Regel nach sehr eifrig dafür sorgt, daß ihre Verdienste nicht unter den Scheffel gestellt bleiben. Ein solcher unbekannter Dedipus, der soeben durch einen Zufall, oder richtiger durch einen fleißigen pariser Journalisten entdeckt wurde, ist der im übrigen sehr bekannte vierhundert- Bändeschreiber Alexander Dumas, montechristlichen Angedenkens. Herr Alexander Dumas stellte sich 1848 nach der Februarrevolution ,, den Arbeitern" als Kandidat für ein Mandat zur Nationalversammlung vor mit der ihm eigenen Beund entwickelte in einem Wahlflugblatt scheidenheit seine Ansprüche auf ein Mandat als Arbeitervertreter. Das Flugblatt ist so interessant und kurios, daß wir uns nicht enthalten können, es im Auszug mitzuteilen:
Arbeiter!
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Ich stelle mich euch als Kandidat vor. Ich ersuche euch um eure Stimmen. Meine Rechtstitel sind:
Ohne 6 Jahre der Erziehung( blos 6?), 4 Jahre des Notariats und 7 Jahre der Bureaukratie zu zählen, habe ich 20 Jahre lang 10 Stunden den Tag gearbeitet: macht 73 000 Stunden. Während dieser 20 Jahre habe ich 400 Bände und 35 Dramen geschrieben. Diese 400 Bände repräsentiren einen Werth von 11 853 600 Francs.
Diese 35 Dramen repräsentiren einen Wert von 6 360 000 Francs. Die 11 853 600 und die 6 360 000 Francs sind den Seßern, Zeichnern, Falzern, Papiermachern, Direktoren, Schauspielern, Schneiderinnen, Bettelklebern, Friseuren und Friseusen 2c.( das Verzeichnis ist sehr lang) zugekommen( für sich selbst berechnet Alexander Dumas merkwürdigerweiſe keinen Pfennig; er dachte wahrscheinlich, was er persönlich verbraucht, werde genügend durch seine allerdings sehr beträchtlichen Schulden aufgewogen).
Wenn ich den täglichen Lohn auf 3 Francs veranschlage, so haben meine Bücher 20 Jahre lang 692 Personen ihren Tagelohn gegeben. Meine Dramen haben in Paris während 10 Jahren 347 Personen ihren Unterhalt verschafft. Verdreifache ich die leztere Ziffer für die Provinz 1041 und füge ich die Arbeiterinnen, Clequeuführer 70, so ergibt sich ein Totale von 1458 Perund Fiacres hinzu Mit meinen Dramen und Büchern habe ich also in summa 2160 Personen ernährt.
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