616
Josef Garibaldi.
Von Bergamo drang Garibaldi nach Brescia vor, wo sein Korps um 3000 Mann verstärkt wurde. Von jezt an operirte er mehr in Verbindung mit der Hauptarmee; er suchte den Desterreichern den Rückweg nach Tyrol abzuschneiden, was ihm indessen nicht gelang, da Urban immer noch überlegene Streitfräfte zur Verfügung hatte. Garibaldi fehlte es namentlich an Artilleric. Nach mehreren Gefechten, in denen die Alpenjäger ihre Tapferkeit glänzend bewiesen und in denen Garibaldi meistens Sieger blieb, endeten diese Kämpfe im Veltlin, wo Garibaldi bis an's Stilffer Joch vorgedrungen war und so im Begriff stand, den Krieg über die lombardische Grenze hinüber zu spielen. Der österreichische Kriegsdampfer, Franz Joseph " wurde auf dem Gardasee von Garibaldis Artillerie zerstört; ein Angriff auf den von Tyrolern verteidigten Engpaß am Stilfser Joch mißlang und der Waffenstillstand von Villafranca schloß am 11. Juni den Feldzug, als die Alpenjäger 8000 Mann stark geworden
waren.
Die Schlachten von Magenta und Solferino hatten Desterreichs Macht zertrümmert; die Lombardei ward an Viktor Ema nuel abgetreten und die nationale Bewegung wurde so stark, daß auch in den kleinen österreichischen Vasallenstaaten Parma , Mo dena und Toscana sich die Regierungen nicht länger halten konnten; sie mußten abtreten und die Kleinstaaten bildeten zu nächst eine Konföderation, um dann ganz an Sardinien mittels Plebiszits überzugehen*). Tadurch wurde die Abmachung von Villafranca, daß die italienischen Staaten zu einer Konföderation unter dem Vorsiz des Papstes zusammentreten sollten, hinfällig und die Berufung eines Kongresses scheiterte an der hochmütigen Zurückweisung des Papstes, der sich durch Napoleons Schuz stark fühlte. Napoleon aber trug Savoyen und Nizza , wo man mit bekannter Kunstfertigkeit ein Plebiszit in Szene sezte, als Beute nebst seiner„ Gloire" davon und Frankreich war wieder tonangebend geworden.
Aber der Stein war ins Rollen gekommen, die italienische Einheitsbewegung ließ sich nicht mehr aufhalten. Es gab in Italien einen Mann, der sich weder von Napoleon bevormunden und einschüchtern, noch von den andern Gegnern des Einheitsgedankens imponiren ließ, und dieser Mann hieß Garibaldi . Während Cavour, über die Friedensbestimmungen erbittert, zurücktrat, um erst nach einiger Zeit die Regierung wieder zu leiten, hatte für Garibaldi , den Mann der kühnen und nimmermüden Initiative, die eigentliche Aktion erst begonnen. Da Lamarmora an die Spize der Regierung kam, dankte Garibaldi ab als picmontesischer General, trozdem Viktor Emanuel und Lamarmora ihn zu halten sich bemühten. Er übernahm das Kommando der Armee der vereinigten mittelitalienischen Staaten, das er mit einer Proklamation antrat, in der folgende Stelle vorkam:
" Ich werde jeden füsiliren lassen, der sich als Mazzinist, Republikaner, Sozialist, oder selbst Garibaldiner aufspielt. Ich will nur Soldaten und Italiener ."
Mit dem Füsiliren mochte es wohl seine guten Wege haben; die seltsame Stelle sollte den vielen Parteistreitigkeiten vorbeugen, welche die Disziplin lockerten.
Wohl im Einverständnis mit dem napoleonfreundlichen Ministerium Lamarmora verlangte der französische Kaiser, man möge cinen Kongreß einberufen, um die alten Regierungen der mittelitalienischen Staaten wieder einzusezen. Garibaldi reiste in dieser Angelegenheit zu Viftor Emanuel und stellte ihm vor, daß der
*) Ueber diese Angelegenheit spielte sich in der Sizung des preußischen Abgeordnetenhauses vom 12. Juni 1865 ein Dialog zwischen dem konservativen Abgeordneten von Blankenburg und Dr. Johann Ja coby ab. Wir sezen den interessanten Schluß des Dialogs hierher. Abg. von Blankenburg : Ich werde dann auf die Macht- und Rechtsteorie des Herrn Dr. Jacoby eingehen, wenn er mir erst wird gesagt haben, was seine Meinung ist, ob die Vertreibung der Fürsten in Italien eine Machts oder eine Rechtsfrage war."
,, Abg. Dr. Jacoby: Beides."
( Große Heiterkeit.)
|
( 3. Fortsezung.)
italienische Einheits- und Unabhängigkeitgedanke zu Boden getreten sei, wenn man den Vorschlag Napoleons acceptire. Viktor Emanuel sprach sich denn auch in diesem Sinne gegen Napoleon aus. Infolge verschiedener Intriguen legte Garibaldi sein Kommando in Mittelitalien nieder. Seine Vaterstadt Nizza wählte ihn in die Kammer zu Turin , und als Abgeordneter kämpfte Garibaldi mit äußerster Energie gegen die Abtretung von Nizza an Frankreich . Er bezeichnete dieselbe, als sie dennoch zu Stande kam, als einen Völkerhandel, worauf Cavour entgegnete, daß ohne diese Abmachung Piemont verloren gewesen sei. Cavour war praktisch, Garibaldi war gewissenhaft.
Indessen versäumte Garibaldi , der sich einer unermeßlichen Popularität erfreute, bei keiner Gelegenheit seine Waffengefährten aufzufordern, sich bereit zu halten, die Aktion von neuem zu beginnen.
-
-
In diese Zeit fiel auch die Vermählung Garibaldis mit der Gräfin Raimondi, einer jungen, schönen, reichen Lombardin, deren Vater schon seit 1848 mit Garibaldi zusammen wirkte. Am Tage nach der Vermählung nach einer anderen Version an demselben Tage erschien ein Offizier, der Garibaldi über seine junge Gemahlin sehr kompromittirende Mitteilungen machte. Die Neuvermählten trennten sich sofort auf immer; die endgültige Scheidung der Ehe ist erst in den lezten Jahren erfolgt. Die Gräfin Raimondi hat die gegen sie erhobenen Anflagen als unwahr bezeichnet; indessen müssen für Garibaldi doch schwerwiegende Gründe vorhanden gewesen sein.
Auf Sizilien, der schönen Provinz des Königreichs Neapel , war zuerst die Einheitsbewegung wieder in Gestalt eines Auf standes zu Tage getreten. Seit den Tagen des Königs Bomba war in Sizilien die Anhänglichkeit an die bourbonische Regierung auf ein Minimum geschwunden; in Neapel fühlte man dies sehr wohl und man behandelte deshalb die Aufständischen mit ungemeiner Grausamkeit. Man erschoß die Gefangenen, während die Insurgenten die gefangenen Soldaten aushingen.
In Sardinien bestanden damals zwei Parteien, die der ,, liberalen Union " mit Cavour, die der„ bewaffneten Nation" mit Garibaldi an der Spize. Die leztere war natürlich für sofortige Aktion, die erstere für eine allmäliche. Garibaldi und die Seinigen hatten sich als Ziel die Beschaffung einer Million Gewehre gesezt. Garibaldi , scheinbar allein mit dieser Agitation beschäftigt, befand sich auf Caprera , als dort eine Deputation erschien, bei der sich seine Freunde Bixio und Dr. Bertani, sowie Crispi, der spätere Minister, befanden. Sie forderten Garibaldi auf, den Sizilianern zu Hülfe zu kommen, und es wurde auf Caprera die Expedition nach Sizilien beschlossen.
Als man davon erfuhr, wendete sich die neapolitanische Re gierung an Cavour mit dem Ersuchen, Garibaldi von seinem Plan abzuhalten. Cavour versprach, dies nötigenfalls mit Gewalt zu tun und ließ dies Garibaldi erklären, indem er hinzufügte, daß er sich durch das ausgesprengte Gerücht, Garibaldi wolle nach Amerika gehen, nicht täuschen lasse. Garibaldi hatte zwar gehofft, die sardinische Regierung werde ihm nichts in den Weg legen und ihn im Geheimen unterſtüzen, aber die Haltung Cavours konnte an seinem Entschlusse nichts ändern. Die sar dinische Regierung benahm sich gegenüber der hochherzigen Kühn heit und Aufopferung Garibaldis nur kleinlich- egoistisch. Sie ließ ihn nach Sizilien segeln, die Volksstimmung fürchtend; hatte er Erfolg, so dachte sie ihn auszunüzen, da sie Garibaldis Loyalität kannte; unterlag er, so gab sie ihn preis. Sie behielt sich überhaupt vor, je nach den Ereignissen Garibaldi als Freund oder als Feind zu behandeln, wie aus den Enthüllungen Lamar moras unzweifelhaft hervorgeht.
Dadurch wird auch die oft wiederholte Behauptung hinfällig, Garibaldi habe die Geldmittel zu seiner sizilianischen Expedition von Cavour erhalten. Im Gegenteil machte die Beschaffung von Geldern zunächst große Schwierigkeiten. Garibaldi wollte die zur Beschaffung der Million Gewehre gesammelten Summen