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Sofort übernahm Garibaldi die Oberleitung des Aufstandes| und ein grauenvoller Kampf entspann sich. Die neapolitanischen Truppen wurden durch die plözliche Erhebung dieser Stadt, die in ihrer Gemeinde schon damals nahezu 200 000 Einwohner zählte, von einander abgeschnitten, so daß eine einheitliche Operation nicht möglich war. Und während Garibaldi mit seinen Jägern und den aufgestandenen Palermitanern die Neapolitaner aus einem Stadtteil nach dem andern vertrieb, sahen sich diese aus den Häusern beschossen und bekämpft. Man begoß sie mit siedendem Wasser, warf Blumentöpfe und Ziegel auf sie und stürzte selbst Pianos auf sie herab. Jeder von Garibaldi er­oberte Stadtteil wurde sofort verbarrikadirt. Am 27. Abends war General Lanza auf einen Teil der Stadt beschränkt. Von Mittag ab, hatte er, in getreuer Nachahmung des Königs Bomba, die Stadt aus dem Fort Castellamare und von den Kriegsschiffen aus bombardiren lassen. Man schoß glühende Kugeln und 13 zöllige Bomben. Die Flotte warf an diesem Tage etwa 80-90, das Fort über 300 Bomben. Ganze Straßen lagen in Trümmern oder in Asche, hunderte von Menschen, die sich gar nicht am Kampfe beteiligten, wurden getötet, ganze Familien verschwanden. Sämmtliche fremde Konsuln protestirten gegen die barbarische Beschießung, worauf deren Heftigkeit etwas nach ließ. Am 28. Mai drang Garibaldi so heftig vor, daß viele Neapolitaner schon auf die Schiffe flüchteten; am 30. stand er im Begriff, den von Lanza mit 10 000 Mann besezten könig­lichen Palast zu erstürmen, die Neapolitaner, denen es an Lebens­mitteln fehlte, sahen ihre Niederlage voraus und begannen zu unterhandeln; Garibaldi willigte ein, auf einem englischen Schiffe mit Lanza eine Unterredung zu haben. Lanza, ein hochmütiger Soldat, wollte Garibaldi die Bedingungen diktiren, denn ihm, Lanza, der so viel Krieg geführt habe, könne man keine vor­schlagen, worauf Garibaldi mit ruhiger Ironie erwiderte, daß er, Garibaldi , noch nie Krieg geführt habe. Man konnte sich

nicht verständigen und schloß Waffenstillstand bis zum 31. Mai Abends. Lanza erhielt aus Neapel Befehl weiter zu kämpfen; er erbat sich von Garibaldi einen Aufschub von drei Tagen, der bewilligt wurde, und bewog inzwischen den König von Neapel durch eine Darstellung seiner verzweifelten Lage, ihm die Kapi­tulation zu gestatten. Lanza, im übrigen ein Höfling gewöhn­fichen Schlages, erhielt freien Abzug mit Waffen, Gepäck und Munition; die Gefangenen gab man gegenseitig sämmtlich zurück. Am 13. Juni zog Lanza ab, am 19. war Palermo gänzlich von den Neapolitanern geräumt.

Dahin waren 1052 Italiener und 5 Ungarn unter ihrem kühnen Führer gelangt.

Garibaldi sorgte zunächst für Ordnung in dieser Stadt voll Siegesjubel, aber auch voll Blut, Leichen und Trümmer. Er bildete die Lokalbehörden neu, schuf eine Nationalgarde und be= drohte Mord, Plünderung und Diebstahl mit sofortigem Tode. Dem Zauber seines Namens gelang es, die Ordnung herzu­stellen; dagegen konnte man mit dem besten Willen die Menge nicht verhindern, an einigen der verhaßtesten Sbirren Rache zu nehmen. Sodann nahm der neue Diktator eine Neueinteilung von Sizilien vor und verbot, noch ferner Steuern an die nea­politanische Regierung abzuliefern. Darauf wurde eine gari­baldinische Regierung gebildet und auf ganz Sizilien, soweit es nicht noch die Neapolitaner besezt hielten, Aushebungen veran­staltet. Dr. Bertani in Genua sammelte unermüdlich Geld und sandte 3000 Freiwillige auf einmal. In Sizilien entwickelten der Diktator und seine Regierung eine ungeheure Tätigkeit; außer der Neubildung des Heeres, der Anschaffung von Schiffen und der Bildung einer tüchtigen Feldartillerie wurde auch die ganze Civilverwaltung neu geregelt. Die Jesuiten wurden ohne Strupel sämmtlich von der Insel ausgewiesen und ihre Güter zum Staatsvermögen geschlagen.

( Fortsezung folgt.)

Edle Liebe.

Novelle.

Da öffnete sich leise die Tür der Wohnstube. Der Obrist wandte sich.

Katharine in schwarzer Seidenrobe und hinter ihr Lizzi im einfach weißen Kleide mit einem Kranz von blauen Blumen in den blonden Haaren kamen, um ihm ihren Morgengruß zum Feste darzubringen.

Der Obrist dankte in herzlichen, milden Worten. Er füßte die Schwester und drückte auch auf Lizzi's Stirn einen Kuß. " Wir haben noch eine Bitte, Bruder," begann Katharine mit bewegter, stockender Stimme.

Ja, Herr Obrist," fuhr Lizzi fort, wir haben eine herz­liche Bitte, wir-"

" Nun, nun," erwiderte der Obrist lächelnd, das muß ja ganz was Glorioses sein, wenn zwei Frauenzimmer mit der Rede nicht fertig werden."

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" D, dann lassen wir es lieber ungesagt, Herr Obrist," bat Lizzi. Sehen geht vor sagen, heißt es in meiner Heimat kommen Sie mit uns, vertrauen Sie sich einmal unserer Führung an, Sie, der ja sonst in allem Guten vorangeht und dem alle so gerne folgen."

Sie hatte seine rechte Hand ergriffen. Katharine nahm seinen linken Arm. Der Obrist lächelte und ließ sich von ihnen fort­ziehen. Sie gingen mit ihm durch das Wohnzimmer in die Flur.

Die Flur war sonnenhell, mit grünen, duftigen Zweigen geschmückt, die Türen mit Blumenkränzen umwunden.

Der Obrist stuzte und hielt an und blickte fragend, ver­wundert um sich, wie im Traume. Aber Lizzi ließ ihm nicht Beit sich zu besinnen, zu bedeuken.

( 3. Fortsezung.)

Sie stieß rasch die Tür zu den Salons im Nebenhause auf. Der Obrist blieb auf der Schwelle stehen, geblendet von den hellen, warmen Sonnenstrahlen, welche die drei hinter einander in einer Reihe liegenden Salons erhellten, die ihm in dem blizenden, farbenglühenden Komfort entgegenstrahlten. Er sagte kein Wort. Er ging langsam voran, seine Blicke, die sich an­fangs verdüsterten, wurden heller, leuchtender. Im lezten Zim­mer blieb er stehen und ergriff die Hände seiner Schwester, Lizzi's.

So sollte es sein," sprach er leise mit gerührter Stimme, " so hatte ich es mir einst ausgedacht zu wohnen und mein Leben im Beisammensein mit meinem Jungen, meinem Harry, im Kreise einer glücklichen Familie zu beschließen. Es sollte nicht sein. Es ist vorbei, der Traum ist vorüber!"

Er sezte sich in einen Sessel und bedeckte das Gesicht mit beiden Händen.

Katharine hatte neben ihm plazgenommen und sah stumm mit gefalteten Händen, mit nassen Augen in das Antliz des ge­liebten Bruders.

Aber Lizzi war rasch an das Fenster getreten. Sie rollte den Vorhang auf und öffnete weit die Flügel des Fensters, das auf den Garten ging, auf die im goldenen Sonnenschein tau­glänzenden zierlichen Blumenbeete und Rondeau's, auf die Bäume, deren Blüten sich bereits erschlossen und mit balsamischem Hauch die Luft durchwürzten.

Der Obrist richtete das Gesicht auf und seine Augen schlossen sich, wie geblendet von dem strahlenden Schimmer, der in das Zimmer drang und die reizende Gestalt Lizzi's, welche vom Fenster eben zurücktrat, wie mit himmlischem Glanz zu um­leuchten schien.