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sie schon längst verloren gegangen wäre, wenn sie niemals ge-| euch der Herr Hauptpastor in Triumph wieder zurück! Wie wesen wäre, bevor Lessing eine bestimmte Erklärung gegeben haben würde, was er unter christlicher Religion verstehe.

Lessing , höchlich zufrieden damit, um die Beantwortung der Frage, was er von der christlichen Religion glaube, herum zu kommen, weist nun in unwiderleglicher Weise nach, daß die Bibel nicht die Quelle der Religion sein könne, weil nach Christi Tode vier ganze Jahrhunderte entwichen seien, ehe die Bibel zu höherer Geltung bei den Christen gelangt sei. Entweder seien also die Urchristen gar keine Christen gewesen oder die Bibel sei für die christliche Religion entbehrlich.

Nach diesem für die Bedeutung der Bibel und des von ihr überlieferten Christentums ausschlaggebenden Beweise, kehrt sich Lessing in den 11 Stücken des Antigöze gegen die Geistlichkeit als Vertreter der christlichen Religion.

Auch davon wird eine kleine Probe unsern Lesern will­tommen sein.

Im dritten ,, Antigöze" vergleicht er die Angriffe gegen die Religion mit dem Sturmwinde und redet ihre Verteidiger also an:

" Dihr Thoren! die ihr den Sturmwind gern aus der Natur berbannen möchtet, weil er dort ein Schiff in die Sandbank bergräbt, und hier ein anderes am felsichten Ufer zerschmettert! - ihr Heuchler! denn wir kennen euch. Nicht um diese unglücklichen Schiffe ist euch zu tun, ihr hättet sie denn ver­sichert: euch ist lediglich um euer eignes Gärtchen zu tun; um eure eigne kleine Bequemlichkeit, kleine Ergözung. Der böse Sturmwind! da hat er euch ein Lusthäuschen abgedeckt; da die vollen Bäume zu sehr geschüttelt; da eure ganze kostbare Orangerie, in sieben irdenen Töpfen, umgeworfen. Was geht es euch an, wie viel Gutes der Sturwind sonst in der Natur befördert? Könnte er es nicht auch befördern, ohne eurem Gärtchen zu schaden? Warum bläset er nicht bey eurem Zaune vorbey? oder nimmt die Backen wenigstens weniger voll, sobald er an euren Grenzsteinen anlangt?"

Im fünften ,, Antigöze" bläst der Wind noch aus einer andern Tonart:

war

" glückliche Zeiten, da die Geistlichkeit noch alles in allem

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gern möchte er, daß sich Deutschlands Regenten zu dieser heil­samen Absicht mit ihm vereinigten! Er predigt ihnen süß und sauer, er stellt ihnen Himmel und Hölle vor. Nun, wenn sie nicht hören wollen: so mögen sie fühlen. Wiz und Landes­sprache sind die Mistbeete, in welchen der Saame der Rebellion so gern und so geschwind reifet. so gern und so geschwind reifet. Heute ein Dichter: morgen ein Königsmörder. Clement, Ravaillac , Damiens sind nicht in den Beichtstühlen, sind auf dem Parnasse gebildet.

Doch auf diesem Gemeinorte des Herrn Hauptpastors lasse ich mich wohl wieder ein andermal treffen. It will ich nur, wenn es noch nicht klar genug ist, vollends klar machen, daß Herr Goeze schlechterdings nicht gestattet, was er zu ge statten scheinet; und daß eben das die Klauen find, die der Tiger nur in das hölzerne Gitter schlagen zu können, sich so ärgert."

Neben den 11 Antigözen gingen noch eine erhebliche Menge anderer größerer oder kleinerer religiöser Streitschriften einher, in deren jeder Lessing nicht nur mit aller erdenklichen teolo­gischen, allen Teologen weit überlegenen Gelehrsamkeit, sondern mit der Summe alles Wissens seiner Zeit und mit einer Er­kenntnis, die seiner Zeit weit vorausgeeilt war, die Diener des Worts aus allen ihren Schlupfwinkeln aufstört und die christ­liche Religion aufweist in ihrem Wert und Ünwert.

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Faßt man ohne Scheu ,, vor den möglichen Folgen des Un­glaubens" und ohne Parteilichkeit für Christentum und Religion zusammen, was das Resultat von Lessings Kampfe wider die Gözen" war, so muß man bekennen, daß er den Anhängern der lutherischen Konfession das Fundament ihres Christentums die Bibel als für solchen Zweck unhaltbar erwiesen hat; ferner daß er allen Christen, die auf den Ehrentitel vernünftiger Menschen nicht Verzicht leisten, den Weg zu der Ueberzeugung gewiesen hat, daß jede Religion in allem was sie lehrt, nur Glauben verdient, wo sie ganz und gar mit der menschlichen Vernunft übereinstimmt, endlich daß er das keineswegs aus­Evangelium der allgemeinen Menschen­schließlich christliche- liebe als das einzige erkannt und hervorgehoben hat, was be­stehen wird für alle Zeiten von der christlichen, wie von aller Bruno Geiser.

für uns dachte und für uns!- Wie gern brächte| Religion.

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Tierbild: Pudel.( S. Bild Seite 617).

Wundern kann es mich nicht, daß Menschen die Hunde so lieben; Denn ein erbärmlicher Schuft ist, wie der Mensch, so der Hund. Dieses Göthe 'sche Epigramm hat A. Schopenhauer in folgende Antitese variirt:

Wundern darf es mich nicht, daß manche die Hunde verleumden; Denn es beschämet zu oft leider den Menschen der Hund und zwar war es ein Pudel, der treue Lebensgefährte des misantro­pischen Pessimisten zu Frankfurt , dessen Tugenden diesen zu dem vor­stehenden Distichon inspirirten. Und in der Tat ist es der Pudel, der unter den etlichen dreißig Hundearten, welche es gibt, an Intelligenz und Karakter, wenn man so sagen darf, ganz besonders hervorragt, so daß er von den Zoologen als der vollkommenste Hund bezeichnet wird. Kein Naturforscher hat das Lob des Pudels so meisterlich gesungen als Scheitlin. Was am Hunde Gescheites und Braves gerühmt wird, sagt er, bezieht sich vereint auf den Pudel. Von keinem Tiere können wir so oft sagen, daß ihm vom Menschen nichts mehr als die Sprache mangelt, von feinem Säugetiere haben wir so viele Darstellungen aller Abänderungen, von keinem so eine außerordentliche Menge von Er­zählungen, die uns seinen Verstand, sein Gedächtniß, seine Erinne­rungskraft, sein Schließungsvermögen, seine Einbildungskraft oder so­gar fittliche Eigenschaften, als da sind: Treue, Anhänglichkeit, Dank­barkeit, Wachsamkeit, Liebe zum Herrn, Geduld im Umgang mit Men­schenkindern, Wut und Todeshaß gegen die Feinde seines Herrn u. s. f. fundtun sollen, deswegen kein Tier so oft als er dem Menschen als Muster vorgestellt wird. Wie viel wird uns von seiner Fähigkeit zu lernen erzählt. Er tanzt, er trommelt, er geht auf dem Seile, er steht Wache,

er erstürmt und verteidigt Festungen, er schießt Pistolen los, er spielt Komödie, er dreht den Bratspieß, er zieht den Wagen, er kennt die Noten, die Zahlen, Karten, Buchstaben, er holt dem Menschen die Müze vom Kopfe, er bringt Pantoffeln und versucht Stiefel und Schuhe wie ein Knecht auszuziehen, er versteht die Augen- und Mienensprache und noch gar vieles andere, und die Zahl der Geschichten, die von seinem Scharfsinn, seiner Geschicklichkeit, seinem Mut, seiner treuen Hin­

gebung berichtet werden, ist Legion. Der Pudel ist unter allen Hun­Den am besten gebaut. Er hat die schönste Kopfform, den wohlgebil­detsten Leib. Sein Geschmackssinn ist fein, sein Geruchssinn besonders merkwürdig. Gibt man ihm z. B. von einem verlorenen Kinde einen Schuh oder sonst etwas zu riechen, so kann er durch die Festhaltung des Eindrucks dieses Geruches das verlorene Kind von selbst finden. Sein Gehör ist vortrefflich, auch fühlt er fein, nur sein Gesicht ist zu­rückgeblieben. Der Ortssinn ist im Pudel ausgezeichnet und er tann daher leicht abgerichtet werden Brod beim Bäcker, Fleisch beim Mezger zu holen. Fast wunderbar ist sein Zeitsinn. Er merkt an den Tagen, daß der Sonntag kommt, er kennt, wie der hungrige Mensch, die Mit­tagsstunde und die Schlachttage im Schlachthause. Die Farben kennt er genau. Der Pudel ist auch darum der beliebteste Hund, weil er der gutmütigste ist. Von Kindern läßt er auf jede Weise sich necken, auf sich reiten, sich zupfen und zerren, ohne zu fnurren, zu beißen oder ungeduldig zu werden. Er liebt die Freiheit ungemein. Kein Hund ist gern an der Kette, am wenigsten der Pudel. Er versteht, sich da= von auf alle Weise loszureißen, und erprobt darin seine Künste, Stride zu zerreißen und zu zerbeißen. Aus Schleifen zieht er den Kopf; er fann fast wie ein Mensch jauchzen, wenn er losgekettet wird und vor Freude ganz unsinnig tun. Von seiner Erfindungsgabe, sich freizu­machen, erzählt Giebel folgende Geschichte: In einer der Hundesteuer unterworfenen Stadt fing der Abdecker, wie üblich, alle markenlosen Hunde ein und steckte Groß und Klein, Alt und Jung, Schön und Häßlich, in einen weiten Schuppen, wo sie ihr unverschuldetes Unglück im lautesten Jammergeheul beklagten. Der verständige Pudel allein saß ruhig, in sein Schicksal ergeben, im Winkel des Gefängnisses und sah bald, auf welche Weise die Türe geöffnet wurde. Der Weg zur Freiheit war ihm damit gezeigt. Er ging flugs an die Tür, zog mit der Pfote den Drücker nieder, öffnete die Tür, und auf seinen Wink folgte die ganze Schar der Gefangenen. Im Sturmschritt und lär­mend eilte sie, im Tore die Wache unter das Gewehr rufend, in die Stadt hinein, und jeder kehrte zu seinem Herrn vergnügt zurüd." St.