-
die sich in seinem Hauptquartier befanden, verständigen. Man dachte an die Proklamation der italienischen Republik . Es wäre müssig, Betrachtungen über die Folgen dieses Schrittes anzustellen, der die Situation total verändert haben würde, genug, Garibaldi wollte mit Viktor Emanuel nicht brechen, brach aber mit Mazzini, indem er in einer Proklamation Viktor Emanuel als den Erwählten der Nation bezeichnete.„ Keine politi„ Keine politi schen Parteien mehr, keine Farben, keinen Zwist!" rief er aus. Im nächsten Jahre sollte er den„ Zwist" kennen lernen. Der Prodiktator Pallavicini ließ Mazzini einen Ausweisungsbefehl zustellenden dieser nicht befolgte und verbot die politischen Klubs, Maßregeln, die Garibaldi selbst nicht billigte und die ihn beinahe dahin gebracht hätten, sein ganzes Ministerium zu entlassen. Nunmehr entschied sich der Kriegsrat, in Gemeinschaft mit den sardinischen Truppen die festen Pläze Capua und Gaëta anzugreifen. Am 1. Oftober fam es zwischen den Neapolitanern zu der Schlacht am Volturno , in welcher der als Militärschriftsteller bekannte Oberst Rüstow das Centrum des garibaldinischen Heeres kommandirte und durch seine große tak tische Befähigung den Sieg entschied.
Dies war die lezte selbstständige Operation des Diktators von Süditalien , wie Garibaldi sich nannte; am 29. September hatte Viktor Emanuel den Oberbefehl übernommen. Die beiden Heere operirten nun gemeinsam; die Neapolitaner wurden in die beiden Festungen geworfen und am 2. November kapitulirte Capua mit 11 000 Mann; 20 000 Neapolitaner waren auf päpstliches Gebiet übergetreten. Gaëta , das zur See von einer französischen Flotte gedeckt wurde, kapitulirte nach tapferer Verteidigung erst im Februar 1861. Am 15. Oftober 1860 legte Garibaldi scine Diktatur nieder und verordnete zuvor, daß die beiden Sizilien, um einen der Nation teuren Wunsch zu erfüllen", einen integrirenden Teil des einen und unteilbaren Italiens mit seinem Könige Viktor Emanuel bilden sollten. Am 22. Oftbr. fand das Plebiszit statt, das die Annexion natürlich bestätigte. Dieser plözliche Entschluß war die Folge seiner Schwankungen und eine Folge der diplomatischen Winkelzüge, die man gegen ihn richtete. Der ehrliche Mann der Tat verstand nichts von den Schlangenwindungen der Diplomatie und hatte seinem Unmut in einem in die Oeffentlichkeit gelangten Privatbriefe Ausdruck verliehen, in dem er Cavour beschuldigte, er habe die Würde der Nation verlezt durch die Abtretung Nizzas . Er wollte sein Werk der Einigung Italiens nicht aufgeben und zwar um keinen Preis. Man kann sagen, dann hätte er seine Diftatur nicht niederlegen, die Annektion hinausschieben und an der Spize seiner starken und tapferen Armee auf Rom rücken sollen, denn nachdem diese Armee entlassen, war er feine maßgebende Macht mehr in Italien . Einem solchen Verfahren standen im Wege zunächst seine sympatischen Gefühle für den König Viktor Emanuel; dann die Befürchtung, Sardinien möchte sich gegen ihn kehren und Italien in einen zweiten großen und fürchterlichen Bürgerfrieg gestürzt werden; sodann stand die Intervention Frankreichs und Desterreichs in Aussicht, da einmal Frankreich den Papst beschützte und die Bewegung notwendiger Weise einen republikanischen Karakter annehmen mußte. Es stand also dann, wenn Garibaldi jezt auf Rom marschirte, ein furchtbarer Krieg bevor, deſſen Resultate unberechenbar waren; ja man mußte befürchten, daß die mit so kostbarem Blute erkämpfte Einheit ohne Rom und Venedig wieder verloren gehen und die alte Zersplitterung in Folge fremder Intervention wieder eintreten könnte. Unter diesen Erwägungen trat Garibaldi zurück und verschob seine Pläne, selbstlos, wie er immer gewesen.
Dann aber fann man einwenden, hätte er nach denselben Erwägungen auch seinen Zug von 1862 unterlassen sollen.
Man kann darauf nur antworten, daß die Politik, die sich auf dies edle und großmütige Naturell gründete, keine Politik des kühlen Verstandes, sondern eine Politik des warmen und glühenden Herzens war.
Als Garibaldi mit dem König Viktor Emanuel in Neapel einfuhr, zeigte es sich, daß das Volk weit mehr für Garibaldi , als für den König von Sardinien begeistert war.
631
Nun drängte sich der Hof in den Vordergrund, die Höflinge mit goldstrozenden Uniformen fühlten sich wieder erhaben über den Mann im runden Hut und in der roten Blouse, nachdem er seine Macht aus der Hand gegeben hatte. Viktor Ema nuel war sehr gütig gegen ihn, hatte auch alle Ursache dazu. Er bot ihm an: Aber seine Geschenke schlug Garibaldi ab. den Rang eines Generals, den großen Annunciaden- Orden, ein fönigliches Schloß, für Menotti eine Anstellung in der Armee nebst reicher Dotation, für Riciotti eine Anstellung als königlicher Adjutant und für Teresita eine reiche Mitgift.
Garibaldi lehnte alles ab und nahm nur ein Diamantenhalsband für seine Tochter an. Als er hörte, daß viele seiner Soldaten ohne Mittel seien, verkaufte er das Halsband für 20 000 Francs und verteilte diese Summe an seine Leute. Er nahm überhaupt nicht mehr als 1550 Francs mit sich, als er vom Schauplaze abtrat.
Es famen Dinge vor, die Garibaldi tief kränkten. Einmal befam er Streit mit Höflingen wegen deren Orden und bezeichnete dieselben in seinem Borne als„ königliche Quincaillerie". Man hinterbrachte dies dem jovialen Viktor Emanuel und dieser sagte lachend:" Garibaldi hat seine kleinen Launen, aber er ist troz alledem ein großer Mann, ein Mann wie Gold."
Viktor Emanuel wußte, wie man sagt, Garibaldi zu nehmen; seine Umgebung nannte diesen Büffelkopf", wozu der König aber immer fügte:„ Aber er hat ein Herz von Gold!"
Was ihn noch mehr verstimmte, war die Behandlung, die seinen tapferen Kampfgenossen widerfuhr. Er hatte gebeten, und zwar in einem Briefe an Viktor Emanuel , daß man seine Kampfgenossen in die Armee aufnehmen möge; namentlich möge man die Patente der Offiziere bestätigen. Da man diese Angelegenheit dem General Fanti, einem persönlichen Feinde Garibaldis , übergab, wurde sie natürlich nicht zur Zufriedenheit erledigt. Namentlich waren die Truppen darüber erbittert, daß die sarDinische Regierung ihnen ihre Waffen abnahm. Die fremden Korps wurden aufgelöst und die Soldaten, die nicht zur sardinischen Armee übertraten, zogen unter allerlei Zeichen ihrer Unzufriedenheit nach Hause.
Diese großartige Unternehmung war mit verhältnismäßig wenig Mitteln ausgeführt worden. In der Abrechnung des Dr. Bertani findet man, daß 6 millionen Lire durch die Hände desselben gegangen sind. Damit hatte er 29 000 Freiwillige gestellt und 60 000 Gewehre, 2 millionen Patronen, 5 Dampfschiffe und eine Anzahl Geschüze geliefert.
Garibaldi kehrte nach einem rührenden Abschied von seinen
Kampfgenossen am 9. November 1865 nach Caprera zurück. Er erließ einen lezten Tagesbefehl an seine Waffengefährten, worin es heißt:
„ Die Vorsehung hat Italien mit Viktor Emanuel beschenkt. Jeder Italiener soll sich um ihn schaaren und fest an ihm halten. Neben dem Re galantuomo muß jede Nebenbuhlerschaft verschwinden, alle Umtriebe müssen sich zerstreuen!"
" Noch einmal wiederhole ich euch meinen Ruf:„ Alle zu den Waffen!"
"
Wenn der März 1861 nicht eine Million Italiener
bewaffnet findet, dann arme Freiheit, arme Existenz Italiens ! der Monat März, und wenn es sein muß, der Monat Februar, wird uns Alle auf unserem Posten wiederfinden.... Heute muß ich mich zurückziehen, aber nur für wenige Tage. Die Stunde des Kampfes wird mich noch einmal an eurer Seite
finden, Soldaten der italienischen Freiheit!"
Diese deutliche Sprache erregte viel Aufsehen. Aber man glaubte, dies sei eine teatralische Art, sich zurückzuziehen, und die Staatsmänner legten weiter keinen Wert darauf.
In seiner stolzen Einfachheit und glänzenden Reinheit hebt dieser selbstlose Rücktritt den bewundernswürdigen Karatter Garibaldis nur um so schärfer ab. Als Lord Byron beim Sturze Napoleons seine berühmten Verse über die ehrgeizigen Feldherren schrieb, an deren Schluß es heißt:
,, Nur Einer, der war gut und fest, " Der Cincinnatus fern im West;