Francisco de Quevedo  , Verfasser des berühmtesten der spanischen ,, Schelmenromane  ", betitelt: Historia del buscon lamado Don Pablos( Geschichte des Taugenichts( Marodeurs) genannt Don Pablos) hat von seinen Bewunderern das Epitheton ,, der Voltaire Spaniens" erhalten. Ist diese Bezeichnung auch nicht ganz zutreffend, so ist eine gewisse geistige Verwantschaft Quevedo's mit Voltaire doch unverkennbar. An Wiz, beißender Jronie, Fruchtbarkeit des Geistes, Leichtigkeit der Form und Vielseitigkeit erreicht der Spanier   den Franzosen. Quevedo's Laufbahn ist merkwürdig. Geboren zu Madrid   im Jahre 1750, führte Don Francisco de Quevedo   y Villaas das ist sein voller Name- ein außerordentlich be= wegtes Leben, gleich den meisten seiner irgend hervorragenden Zeitgenossen. In fieberhaftem Eifer studirte er alle möglichen Wissenschaften; er lernte nicht nur die alten Sprachen, sondern auch die meisten neueren; schrieb Gedichte, Novellen, philosophische Abhandlungen, und zeichnete sich obendrein als Redner und Deklamator aus. Sein Hang zur Satyre und seine Streit- und Abenteuerlust verwickelten ihn aber in allerlei Händel. Wegen eines Duells, in welchem er den Gegner schwer ver­wundete, mußte Quevedo Spanien   auf mehrere Jahre verlassen, und begleitete den Herzog von Ossuna nach Sizilien   und Neapel  . Nach Spanien   zurückgekehrt, beteiligte er sich an den politischen Kämpfen des Landes, kam mit der Regierung in Konflikt und wurde drei Jahre lang eingesperrt. Nach seiner Freilassung gelang es ihm, die Gunst Philipps III. zu erwerben, dessen Geheimschreiber er wurde. Dies dauerte bis nach dem Tode des Königs( 1621). Ein Brief, den er zehn Jahre später an dessen Nachfolger Philipp IV.   richtete, und in welchem er auf die Leiden des Volkes und die Unterschleife der Minister aufmerksam machte, erregte den Zorn der Kamarilla; der mehr als Sechzigjährige wurde abermals in den Kerker geworfen, aus dem er nach zwei Jahren gebrochenen Körpers entlassen wurde. Er erholte sich nicht wieder und starb bald darauf.

Der französische   Literaturhistoriker Philarete Chasles karak­terisirt Quevedo also:

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" Zwischen den Jahren 1600 und 1630 flog eine Anzahl von Schriften, oder richtiger von glühenden, spizzen Pfeilen durch die ver­giftete Atmosphäre des spanischen   Hofs. Wild, leidenschaftlich, unbarm= herzig, mit schneidendem Hohn und vernichtender Satire wurden die Spizen des Staates angegriffen, Mißbräuche aufgedeckt. Und der näm­liche Mann, der diese tötlichen Bücher in die Welt schleuderte, schrieb ernsthafte wissenschaftliche Werke festen und hohen Stils, Komödien, Eglogen, leichte, scherzhafte Gedichte, würdig eines Voltaire, denn er war selber ein halber Voltaire und ein halber Swift. Unerbittlicher fast als gegen die weltlichen, war Quevedo gegen die geistlichen Mißbräuche. Ein Freigeist durch und durch, war er sein ganzes Leben lang mit der Kirche und Geistlichkeit auf Kriegsfuß, und nur hoher Protektion hatte er es zu verdanken, daß er nicht auf dem Scheiter­haufen endete."

Quevedo war, wenigstens in der Theorie, ein großer Weiber­feind. So schrieb er z. B.:

Man erzählt, daß Orpheus   in die Hölle gegangen sei, um seine Frau zu suchen. Um seine Frau zu suchen, fonnte er nicht anders" wohin gehen. Beim Hinabsteigen soll er gesungen haben. Ich be= zweifle das nicht. Er sang vor Vergnügen, weil er Wittwer war. Außerdem wollte er die Mächte der Finsterniß sich gnädig stimmen. Aber daß sie ihm seine Frau zurückgegeben, war eher eine Strafe als eine Belohnung. Man gab sie ihm ungern und mit der Bedingung, sie wegzuführen und nicht anzusehen, sonst würde sie ihm wieder ge­nommen. Der Unselige drehte sich um. Wenn er es absichtlich tat, so tat er wohl; wenn er es unwillkührlich tat, so war es ein sehr vor­teilhafter Irrtum."

Das Hauptwerk Quevedo's  , oder doch das einzige, welches heute noch seine volle ursprüngliche Bedeutung hat:" Die Geschichte des Taugenichts genannt Don Pablos"( oder auch Don Pablos von Segovia  ") wurde von Lesage   stark für den Gil Blas" benuzt. Es ist ein trefflicher Zeitspiegel. Don Pablos durchwandert Spanien  als Bagabund und Glücksritter und kommt mit allen Menschensorten zusammen. Gelehrte, Studenten, Bummler, Spizbuben, Mönche, Nonnen, Curtisanen kurz die ganze Welt, die halbe Welt, und was noch uuter und hinter der Halbwelt ist- Alles ist lebenswahr, packend, dra­stisch in diesem Roman geschildert, der eine Uebersezung ins Deutsche sehr wohl verdiente.

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Bei der geringen Verbreitung der Kenntnis des Spanischen   ist es vielleicht Diesem und Jenem ein Gefallen, daß soeben eine vorzüg­liche französische   Uebersezung lin Paris   erschienen ist( Histoire de Pablos de Ségovie; traduction   de Mr. Germond de Lavigne; Illustrations de M. D. Viérge, chez Léon Bonhoure, éditeur 5, Rue de Fleurus. Paris  .).

Der Volksschriftsteller Theodor Drobisch.

Ein Gedenkblatt dem Heimgegangenen. Von Dr. Mar Vogler. ( Schluß.)

Seit diesem ersten Briefe habe ich manche weitere Zuschriften von seiner Hand erhalten: es sind jezt nahe an ein halbes hundert, eine immer herzlicher als die andere. ,, Der Himmel erhalte Ihnen ihre schöne geistige Kraft, und das rege Streben, welches Sie bisher be­

fundet haben," hieß es schon in seinem Neujahrsgruß vom 2. Januar 1875. Die mannigfaltigen literarischen Erinnerungen, die in diese Briefe verwebt sind, verleihen denselben einen besonderen Reiz, und ich darf mir daher erlauben, diese und jene Stelle aus ihnen hier wieder­zugeben.

Am 7. April 1875 war Georg Herwegh   gestorben, dem ich in einer größeren belletristischen Zeitschrift einen Nachruf gewidmet hatte. Georg Herwegh   lernte ich zu Leipzig   im Frühjahr 1843 persönlich kennen," schrieb mir Drobisch bei dieser Gelegenheit: Wir gaben ihm im Hotel de Pologne ein Festmahl, wo Heinrich Laube   den Toast auf dessen dichterisches Talent übernommen hatte. Herwegh   lehnte den Toast ab indem er sagte: Ich bin Partei!" Somit tötete er, wie Laube sagte, dessen Toast im Embryo. Noch einmal traf ich Herwegh   in Berlin  , dann nicht wieder. So geht denn einer nach dem andern hinüber," fuhr Drobisch   schon damals wehmütig fort. Auch mein Grab wird schon unruhig, ich fühle es nur allzu gut."

Im September desselben Jahres war er in Berlin   gewesen. Der " große Troubel daselbst" hatte ihm nicht behagt. Wie anders vor dreißig Jahren, als ich dort zeitweilig mit Meyerbeer, Spontini, Rau­pach, Scott, der Fanny Lind u. s. w. verkehrte. Nur den alten Dö­ring( er ist inzwischen ebenfalls verstorben. Der Verf.) fand ich noch eben da wie im Jahre 1846, bei Lutter und Wagener, der altrenom­mirten Kneipe, wo dereinst C. T. A. Hoffmann und Ludwig Devrient  dem Bacchus so manches Opfer gebracht. Die alten Bekannten, selbst Kalisch, waren dahin, tot. Nur ich lebe noch mit dem Nervenübel. Es möchte kein Hund so länger leben, drum hab' ich mich Petsch mit seiner Apfelwein- Molkenkur ergeben. Man versucht alles. In der Not frißt der Teufel Fliegen."

Dann kam Karl Guzzkow's Tod( 16. Dezember 1878). Schon am 7. Mai 1875 hatte mir Drobisch   inbezug auf denselben geschrieben: ,, Da ist er nun aus Italien   zurückgekehrt, krank und mißgestimmter wie vorher. Sein Hypochondrie ist entsezlich." Nun äußerte er: ,, Ach, Gußkow. Wir fannten uns sechsunddreißig Jahre lang. Und noch so ein scheußliches Ende( Gußkow erstickte bekanntlich während eines in seinem Schlafzimmer ausgebrochenen Brandes). Nichts in der Welt hat mich so erschreckt als die Todeskunde. Als ich mit ihm im Som­mer 1861 einen Spaziergang nach Mockriz unternahm, sahen wir an der Mühle einen Mühlstein liegen. Gußkow sagte: Den fönnte man mir dereinst auf mein Grab seßen, als den Stein, womit ich mir das Brot des Lebens gemahlen." Ach er hat wacker gearbeitet, geistig ge schaffen für sich und seine Familie, oft bis zur Stunde wo es hieß: , Die bange Nacht ist nun herum... Er möge ruhen in Frieden, und mit ihm die kleinen Gehässigkeiten, welche den großen Ruhm ver­folgen, die Spaltungen der Schule, der Lärm der Parteien, die lite­rarischen Leidenschaftlichkeiten und Undankbarkeiten. Sie mögen ruhen in der Erinnerung an den entschlafenen edlen Dichter, den Unrecht, Klagen, Kämpfe, Leiden, alles was das Leben ausgezeichneter Männer verwirrt, es schwindet dahin in der geheiligten Stunde wo die sterb­lichen Ueberreste dem Schooße der Erde übergeben werden. Der Tot ist das Einschreiten des Wahren... Du mein Himmel, ich werde sentimental, was aber tut nicht die Erinnerung. Leider werden noch andere ebenso reden. Was sagt die Judith im ,, Uriel Acosta  "? ,, Künstler werden aufgesucht, an Denkern huscht man feig vorüber!"

Inzwischen war Drobisch   aus der Redaktion der ,, Dresdener Presse", die mit Schluß des Jahres 1877 gänzlich aufhörte zu erscheinen, aus­getreten( 30. Septbr. 1876), teils im Hinblick auf seinen sich immer mehr verschlechternden Gesundheitszustand, teils wegen unliebsamer Differenzen mit der Verwaltung. Er atmete wieder auf, unternahm eine Reise nach Böhmen  , ging über das romantische Zschopautal zurück und hielt sich acht Tage in Leipzig   auf, um dann wieder nach Dresden  zurückzukehren. Ich muß, wie der Dachs, von meinem Fette zehren", schrieb er mir.

Die Klagen über seine zunehmenden körperlichen Leiden wurden seither in seinen Briefen immer häufiger. Mein Nervenübel ist auf dem alten Fleck", ließ er sich im Januar 1876 aus. Zudem plagt mich noch der Hypochonder und das Klaviergehämmer in den Konzerten, zu dessen Anhörung man als musikalischer Kritiker verdammt ist, beugt noch mehr, lähmt den Geist. Wenn nur die Regierung an den Toren der Stadt das Verbot wollte anschlagen lassen: ,, Dieser Ort darf nicht verkonzertirt werden. Es wäre dies eine Wohltat." Dann einige Wochen später:" Mein Zustand wird immer bedenklicher; ich glaube es ist Schlafenszeit!" zu Anfang Juli des eben erwähnten Jahres suchte er Linderung in dem Ostseebade Heringsdorf, und in der Tat fehrte er nach fünfwöchentlichem Aufenthalt daselbst gekräftigt zurück. Aber die Wirkung der Ostseebäder hielt nicht lange vor; gegen das Ende des folgenden Jahres gesellten sich zu dem in alter Weise wieder auftretenden Nervenübel noch Luftbeschwerden, die ihm das Atmen un­gemein schwierig machten. Er mußte die fleißige Hand von der Arbeit lassen und beabsichtigte, den lezten Versuch hinsichtlich etlicher Her­stellung seiner Gesundheit" am 1. Juni 1878, wo er sich nach dem heilkräftigen Badenweiler   im Breisgau   begeben wollte, zu machen. " Zur Fürsorge" gedachte er diesmal sein Töchterchen" mit sich zu nehmen. Aber der trübe Regensommer erlaubte ihm die Abreise nicht, die Brustbeschwerden vermehrten sich und raubten ihm alle Lust zur Arbeit. Nichtsdestoweniger trug er sich mit neuen Plänen. Sobald ich etwas auftaue, will ich an einen einbändigen humoristischen Roman gehen, der mir im Kopf herumschwirrt. Ich will mich gesund schreiben, das half immer...."

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