mit meines Herrn Vaters Königlichen Majestät in London eintreffen. Zu diesem Behuse findet er im Hamburger Hafen eine fönigliche Yacht, die ihn aufnimmt und wieder zurückbringt. Cambridge, der Freund meines Bräutigams, ist die Liebenswürdigkeit selbst. Er wird sich freuen, die von mir brieflich an ihn gerichtete Bitte, dich in seinen Schuz zu nehmen, zu er füllen, und ich hege keinen Zweifel über dein Kommen zu mir, weil ich weiß, daß du die Osterferien nicht aus der Welt schaffen wirst und im festen Glauben an deine herzliche Freundschaft zu mir grüßt dich deine treue Freundin Amalia Fizzclarence, für Leben und Sterben Halb- Prinzeß."
Das heitere, lebensfrohe Gemüt Arabellas fühlte sich ungemein erfreut durch die Zuschrift dieser ihr so teuern Freundin. Es wäre ihr unmöglich gewesen, auch nur den Gedanken einer Ableh nung dieser Bitte in ihrem Herzen auftauchen zu lassen, und der Entschluß, die unter so günstigen Umständen sich ihr bietende Reisegelegenheit anzunehmen, bedurfte keiner längeren Ueberlegung, er stand fest bei ihr. Ich muß noch einmal meine Halb- Prinzeß schen," sagte sie lachend... ich könnte mir es ja nie, nie verzeihen, ihren Wunsch des Wiedersehens zwischen uns unbeachtet gelassen zu haben, wenn sie in dem fernen, fremden Lande aus dem Leben scheiden müßte." Dieser sich ihr aufdrängende Gedanke machte sie sehr ernst.
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War es auch nur Scherz, daß Lady Amalia sich als HalbPrinzeß unterzeichnete, so konnte sie es doch mit Fug und Recht tun, sie war es von väterlicher Seite. Ihr Vater, Herzog Heinrich, der dritte Sohn des Königs Georg III. , hatte, als er zum Herzog von Clarence ernannt worden, mit der schönen Irländerin Miß Dora Jordan, Schauspielerin am Drurylaneteater, eine Verbindung geschlossen, aus der zehn Kinder, fünf Söhne und fünf Töchter, hervorgingen; Lady Amalia war das jüngste Kind dieses lebendigen Reichtums. Die illegitime Verbindung des Herzogs mit der schönen Dora wurde getrennt, sie ging zur Bühne zurück und starb arm in Paris . Die Kinder wurden von ihrem erlauchten Vater auf's zärtlichste versorgt. Lady Amalia, die jüngste und meist geliebte Tochter in das vom Professor Burleigh für Töchter hocharistokratischer, fern von London auf ihren großen Besizungen lebenden Familien begründete Erziehungsinstitut gebracht, und hier entstand die innige Freundschaft zwischen Lady Amalia und Arabella.
Madame Burleigh, welche mit mütterlicher Treue an der jungen Königstochter hing, widerriet selbstverständlich die von Arabella beschlossene Reise nach London nicht.
„ Eure Meeresfahrt wird gewiß vom besten Wetter begünstigt sein, unsere Landleute prophezeihen sehr große Trockenheit bis Ende Mai," sagte Madame Burleigh zu ihrer Tochter, welche sie stets besuchte, wenn sie nach der Stadt fuhr.
" Für die Landleute allerdings keine angenehme Aussicht, für Seefahrer aber eine günstige," bemerkte Arabella.
So ist es, ja; aber für den Major, deinen Oheim, welcher mit seinem Sohn die Feiertage in Göttingen verleben will, um ihn dort für die Universität einschreiben zu lassen, wird gutes Wetter sehr erwünscht sein. Er findet da einige alte gute Freunde aus seiner Kriegszeit, auf deren Wiedersehen er sich außerordentlich freut und seine gute Laune fäme auch seinem Sohne zugute, denn du weißt ja, wie brummig dein Onkel ist, wenn es ihm, in die Flanke regnet, wie er zu sagen pflegt." " Ja, dann ist es übel, mit ihm umgehen," stimmte die Miß lachend bei. Eins bitte ich, Mama, besuche täglich mein Penſionat. Es bleiben nur wenige Pensionärinnen hier im Hause zurück, welche die Ferienfreiheit aus verschiedenen ihre Familien betreffenden Gründen diesmal nicht zu einer Besuchsreise zu ihnen benüzen können. Sie müssen aber wissen, daß ich sie boch, wenn ich auch nicht anwesend bin, unter sicherer Obhut gelassen habe... und nimm dich vorzüglich unseres liebens würdigen Gretchens an. Sie dauert mich... so allein auf sich angewiesen zu sein, wird ihr sehr wehe thun."
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Ein leises Schluchzen folgte dieser Aeußerung Arabellas. Sie und ihre Mutter sahen sich überrascht um, da sie sich allein im Zimmer glaubten. Sie erblickten Gretchen Philipp auf einem
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Tabouret im Winkel ſizen, ihr Taschentuch, mit dem sie sich die tränenvollen Augen trocknete, in der Hand.
„ Aber Kind, warum weinst du?" fragte Madame Burleigh. " Wegen meines Vaters," antwortete das junge Mädchen. " Die Osterfeiertage werden für ihn recht traurige Tage werden." " Was du dir einbildest, mein Gretchen!" entgegnete die Miß:„ Meine gute Mutter bleibt ja hier, du hast es gewiß von uns gehört... nicht?"
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„ Ich habe es wohl," antwortete die kleine Dame...„ aber das hilft ihm nichts. Wenn der Herr Major nicht den Befehl gibt, daß er zu ihm kommen soll, dann darf er den Krankensaal nicht verlassen, und es würde für ihn und mich doch eine große Feiertagsfreude sein, uns sehen zu können. Ach, er braucht so viel Freude, der gute Vater. damit ihn das Leid nicht überwältigt."
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Aus dieser Klage Gretchens klang ein so tiefer Kummer heraus, daß Madame Burleigh und ihre Tochter sich davon „ Mein liebes Gretchen," sagte Arabella, tief gerührt fühlten. sie bei der Hand nehmend...„ du darfst nicht gleich allen Mut verlieren. Wir müssen erst nachdenken, wie wir diese Angelegenheit derart ordnen, daß sie uns zum Ziele bringt. Ueberlasse das mir, ich bin in solchem Calcül immer glücklich gewesen... vertraue. mir, Kind, du wirst es nicht zu beklagen haben."
Gretchen fand sich durch diese herzliche Zurede erhoben. Wie gütig Sie gegen mich sind!" rief sie, und küßte ihr dankbar die Hand.„ Und ich werde dafür Sorge tragen, daß mein Bruder, der Major, deinem Vater die Erlaubnis gibt, dich zu Wir werden dich umarmen," sezte Madame Burleigh hinzu. in deiner Herzensnot nicht verlassen."
Es war keine lange Zeit mehr bis zur Charwoche; aber alles, was geschehen sollte, war vortrefflich eingeleitet worden, und so glitt die im hamburger Hafen für den Vizekönig bereit liegende königliche Yacht von einer frischen Briese getrieben so rasch ins offene Meer hinaus, wie es nur von einem flotten Schnellſegler zu erwarten war. Miß Arabella Burleigh hatte sich dem Herzog Cambridge in Hannover vorgestellt, sie war ihm keine Fremde, er kannte sie von Lady Amalia her, bei welcher er bei seinen jeweiligen Besuchen in London sich allemal als Freund ihres Verlobten, Viscount Falkland, eingefunden. Die Lady hatte ihm brieflich den Wunsch ausgesprochen, ihre Freundin Arabella unter seinem Schuze mitzubringen und die Aufnahme, welche diese bei dem durch seine große Freundlichteit in ganz Hannover beliebten Regenten fand, war eine so ermutigende, daß sie ohne Furcht ihn um seinen Beistand für Und ohne Zögern ein hilfsbedürftiges junges Mädchen bat. teilte sie ihm das Schicksal Gretchens mit, deren Vater zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt worden und bereits die Hälfte dieser Strafzeit überstanden habe.
" Ich habe nicht die Macht, ihn seiner Strafe zu entheben," sagte der Herzog- Vizekönig.
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Aber Seine Majestät der König hat sie... nicht, gnädigster Herr?"
,, Gewiß, Miß Burleigh."
,, Dann bitte ich, mein durchlauchtiger Herr, meine kleine Freundin mit mir hinüber nach London nehmen zu dürfen. Sie hofft mit Zuversicht auf Lady Amalias Fürwort bei Seiner Majestät dem König. Das ist ein so schönes Vertrauen, welches in ihrem jungen Herzen zu erschüttern ich nicht gewagt habe." " Sie haben sehr recht getan, Miß," stimmte der Vizekönig " Bringen Sie sie mit aufs Schiff, ich will sie kennen lernen. Wer ist ihr Vater?"
bei.
„ Der hildesheimer Doktor- Apoteker Philipp."
Der ist's? Ich habe viel zu seinen Gunsten gehört. Nun, vielleicht kann ich etwas für ihn tun. Auf Wiedersehen, Miß! Ich werde Ihnen den Tag meiner Abfahrt anzeigen."
Somit war alles die kleine Reise betreffende geordnet und zum bestimmten Tage fand sich Miß Burleigh mit Gretchen, der Amme und einigen Gepäckstücken auf dem Schiffe ein. Eine Stunde später glitt die Yacht mit der Schnelligkeit eines abge