Ein langes Schweigen folgte, endlich schritt der König nach dem Schlosse zu, sich in Cambridges Arm hängend, der fünf Minuten später seinen Hut zur Begrüßung einer vierspännigen ins Tal hinabfahrenden Equipage schwenkte, welcher rotjäckige Vorreiter voran sprengten, teils der Pracht wegen, teils auch, um dem Vordergespann sogleich in die Zügel zu fallen, wenn es zu heftig nach der Brücke hinab zu rasen Lust bezeigte.
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Die Königin, meine Gemahlin," sagte der König, nach der Equipage blickend.„ Sie fährt nach London . Ich werde morgen mein liebes Bushy- Park besuchen. Ah, ich hänge noch mit voller Seele an dieser reizenden Dase!... Windsor , dieses stattliche Königsschloß troz alles Glanzes, zu dem unser reiches England viele hunderttausende von Pfunden beigetragen, vermag mich lange nicht in dem Grade zu fesseln, wie mein schönes BushyPart." Nach einer Pause redete er halblaut vor sich hin, als wolle er dem neben ihm gehenden Cambridge etwas Geheimnisvolles vertrauen." Morgen muß ich hin... morgen ist der wiederkehrende Tag ihres Geburtsfestes.. ich habe ihn in Bushy Park zu verleben nie versäumt... sie war dort so . sie war dort so glücklich..." und fast flüsternd sezte er hinzu:„ Meine schöne Dora!"
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Sein Begleiter äußerte nicht die geringste Bemerkung, er kannte die wunde Stelle im Herzen seines Königlichen Vetters, der dem stolzen England ein schweres, nuzloses Opfer gebracht hatte. Seine illegitime Verbindung mit der schönen Dora Jordan, welche ihm zehn Kinder geboren, alle so schön wie sie, die Mutter, war auf Andrängen der Königin, seiner Mutter, getrennt worden, weil man höchsten Orts sich überzeugt glaubte, daß von dem Kronprinz von Wales, dessen Ausschweifungen ihn schon damals zum siechen Manne gemacht hatten, feine Nachfolger für den Tron zu erwarten sein würden. William hatte den bestürmenden Vorstellungen nachgegeben, sich von dem Weibe seiner Liebe geschieden; aber seine legitime Ehe mit Adelheid, der Meiningenschen Herzogstochter, war keine an Kindern gesegnete, obgleich seines freundlichen Karakters wegen doch friedevolle. Daß die Verdrängte noch in seinem Herzen lebte, war für die Königin Adelheid fein Geheimnis; aber sie ließ diese Kenntnis nicht zur Störerin in ihrer Ehe mit König William werden, sie wußte sogar, daß er sich jedesmal an den Tagen in BushyPark einzufinden pflegte, an denen er bei Doras Lebzeiten ihren und die Geburtstage ihrer Kinder festlich gefeiert hatte... sie blieb jedoch dem schönen Landsize fern an diesen Gedenktagen. Es lag entweder eine zarte Rücksichtnahme in diesem Vermeiden oder eine wohlgeborgene Abneigung gegen diese frühere Liebe ihres Gemahls und gegen dessen illegitime Familie.
Als die beiden Herren sich dem Eingange in's Windsorschloß näherten, sagte der König:" Cambridge, ich hoffe dich morgen Rachmittag in Bushy Park bei mir zu sehen. Daß Lady Amalie da ſein wird, ist sicher. Es wird wohl das leztemal sein, daß sie und ich den Geburtstag ihrer Mutter zuſammen feiern. Ich bin alt, sie wird fern von hier unter dem glühenden Himmel Bombays leben und vielleicht auch... sterben. Wie seltsam sich das verteilt! Sie dort in der weiten Ferne... ich in der Gruft der Könige Englands... meine schöne Dora in französischer Erde!"
fterben. Wie
Langsam stiegen sie die breite Marmortreppe hinauf, ihnen voran und hinter ihnen stattliche Lakaien.
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Korpulente wohl keine vornehme Persönlichkeit sei, ihr daher den Zugang zum zweiten oder dritten Rang aniveisen wollte.
" Maggy! Maggy!" rief die jüngere Dame... ,, come to me!" „ Miß Arabella," antwortete das junge Mädchen Deutsch . mir scheint, der Mann in dem goldgestreiftem Kleide mit dem großen Stocke will meine Eve nicht herein lassen."
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Die beiden Damen lachten... die Beschwerde Maggys klang sehr rabiat.
Vom Kassenfenster her ließ sich eine weibliche Stimme deutsch vernehmen:" Bitte um Entschuldigung, meine hochverehrten Damen, jedenfalls ein Irrtum des Portiers.... Lassen Sie die fremde Dame ein, Wilkins," lautete die Weisung der Sprechenden in gutem Englisch .
Eve stolzirte nun in das Kassenzimmer; der Lakai teilte die in dichte Falten zusammenstoßenden Portierenflügel auseinander, die Damen traten in die viel besuchten glänzenden Räume.
Wer hätte mutmaßen sollen, daß dieser kurze und zugleich so bedeutungslos scheinende Vorfall eine ganz unerwartete Wirfung auf die Kassendame hätte äußern können? Und doch war dies der Fall. An jeder inneren Wandseite des großen Fensters in der Kassenloge hingen Spiegelstreifen, deren glänzende Flächen die zu den beiden Türen in das geräumige Zimmer eintretenden Personen getreulichst wiedergaben. Ein zufälliger Blick war es gewesen, welchen Mistreß Becco, als das kleine Mädchen den goldgestreiften Portier als Feind Evens denuncirte, nach dem ihr zur rechten Hand hängenden Spiegel warf. Der Name Eve berührte sie wie ein Schauerfrösteln, das Bild im Spiegel erkannte sie sofort... es war das der Amme ihres Kindes. Täuschung war ganz unmöglich. Dieses große Gesicht mit den aus dem Vollen gemeißelt scheinenden Zügen ließ sich nicht vergeffen, ihre Bewegungen, als sie durch's Zimmur schritt, waren ebenso schwerfällig, wie ehedem... an ihr schien die Zeit spurlos vorübergeschritten zu sein.
Und die kleine, so eifrigen Anteil an Eve nehmende zierliche Dame, konnte es das Gretchen sein, das diese an Mutterstatt erzogen und dessen kindliche Liebe sie sich erworben hatte? Wie aber kamen beide hierher? Wer waren überhaupt die Damen, welche sie mitgebracht hatten? Mistreß Zecco rief den Portier zu sich, er sollte ihr Bericht auf ihre Fragen nach den Damen geben.„ Nur die eine kenne ich, das will sagen, ich habe sie ein paarmal mit Sr. Majestät dem König in Hydepark fahren -„ Mit dem König? Wilkins, sehen," lautete seine Antwort. wollen Sie mir eine Lüge aufbinden?
„ Gewiß nicht, Mistreß, über dergleichen bin ich erhaben. Ich erfuhr, daß sie Lady Amalia Fißclarence, seine jüngste Tochter von der schönen Irländerin Dora sei. Ob sich Majestät so viel aus seiner stolzen Gemahlin, der Meiningerin macht, um sich vor ihr zu geniren, weiß ich nicht und glaube es übrigens auch nicht."
Mistreß Becco beobachtete ein kurzes Schweigen, dann sagte sie:„ Wilkins, wenn diese Damen fortfahren, achten Sie darauf,
welche die kleine Miß zu sich nimmt."
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Wie Sie wünschen, Mistreß."
Der Eintritt mehrerer Besucher der Galerie beendete jeden weiteren Auftrag, den ihm Lucie Zecco noch hätte geben können; bald darauf weniger beschäftigt ließ sie sich wie müde in einem Sessel nieder; aber sie fühlte sich keineswegs förperlich angegriffen, dafür jedoch war es ein marterndes Denken, welches durch das, was sie jezt erlebt hatte, ganz besonders angeregt worden. Die Vergangenheit erhob alles in ihrem Gedächtnis,
was in Jahren an ihr vorübergegangen, wie neu lebend zu einer Reihe von Erinnerungen empor, und sie hatte nicht die
Am nächsten Mittag hielt eine elegante Equipage am Eingange der tardinischen Galerie. Zwei vornehm gekleidete Damen Der Lakai hob die drei weiblichen Insassen des Wagens heraus, jaßen im Fond, ein junges Mädchen vor ihnen auf dem Rücksiz. während dicht hinter der stolzen Equipage eine ziemlich korpulente Frauengestalt einem Miet- Einspänner entstieg. Das junge Mädchen Gabe, vergessen zu können. lief und zudem auch nicht besonders laut gesprochen. zurief, verſtand niemand von den Umſtehenden, es war deutsch Die Damen junge Mädchen ſtand aber noch vor der Schwelle, wo es in großer Ueberraschung den in reiche Livree gekleideten ellen
das
Wie wäre dies auch möglich ge=
Kindes verlor sie den inneren Halt, nur die Verbindung mit Sir Richard Clinton war damals imftande gewesen, ihr die Selbsttäuschung weniger beachten zu lassen, deren sie in seinen Armen sich hingab. Alls dieselbe endete, überhäufte sie sie mit so großer Schmach, daß
es nicht denkbar sein konnte, diese je zu vergessen, denn ein
Wächter stand dieser Erinnerung zur Seite, der nie schläft, und