646

-

Die Hussiten zogen vor Naumburg

Ueber Jena her und Kamburg ;

Auf der ganzen Vogelwies'

Sah man nichts als Schwert und Spieß,

An die hunderttausend.

Als sie nun vor Naumburg lagen,

Kam darin ein Schrei'n und Klagen, Hunger quälte, Durst tat weh, Und ein einzig Lot Kaffee Kam auf sechzehn Pfennige.

Als die Not nun stieg zum Gipfel, Faßt' die Hoffnung man beim Zipfel Und ein Lehrer von der Schul Sann auf Rettung und verful Endlich auf die Kinder.

Kinder, sprach er, ihr seid Kinder, Unschuldsvoll und keine Sünder; Ich führ' euch zum Prokop hin, Der wird nicht so grausam sin, Euch zu massakriren.

Dem Prokopen tät es scheinen, Kirschen kauft' er für die Kleinen; Zog darauf sein langes Schwert, Kommandirte: Rechtsum, kehrt! Hinterwärts von Naumburg .

Und zu Ehren des Mirakul

Ist alljährlich ein Spektakul, Das Naumburger Kirschenfest, Wo man' s Geld in Zelten läßt. Freiheit, Viktoria!-

"

"

Josef Garibaldi.

Auf Caprera verhielt sich Garibaldi ganz ruhig, aber er verfolgte mit wachsamem Auge die politischen Ereignisse. Europa feierte seinen Namen, doch man hatte vergessen, daß er von einer Erhebung im März gesprochen. Was man von ihm erfuhr, war wenig. Sein Haushalt", las man, ist äußerst dürftig und frugal. Ein Koch, Matrose auf seinem gescheiterten Schiffe und ein alter Kampfgenosse aus Montevideo bilden seine ganze Diener­schaft. Das Diner besteht aus drei Gerichten und ist binnen einer halben Stunde vollendet. Nach demselben macht Garibaldi mit seinen Freunden gewöhnlich einen Spaziergang, betrachtet seine Pflanzungen und Felder, oder unterhält sich im Hofe seines Hauses mit einem in ganz Italien und Südfrankreich gebräuch lichen Regelspiel." Ein Dampfschiff, welches man seitens der Regierung zum Geschenk nach Caprera sandte, wies Garibaldi zurück; ebenso das Angebot der Bürger von Genua , auf Caprera ihm ein Haus zu bauen. Von seinen Kindern hatte Garibaldi nur seine Tochter Teresita bei sich, die im Frühjahr 1861 mit dem garibaldinischen Major Canzio vermählt wurde.

-

Ein bitterer Nachgeschmack war geblieben durch die Behand­fung, welche Garibaldis Freiwillige erfuhren, sowie durch hoch­mütige Haltung der sardinischen Offiziere gegenüber den Offizieren Garibaldis . Als nun im Parlament zu Turin die Freiwilligen von Cavour selbst angegriffen wurden, geriet Garibaldi in Er­regung und nahm nachträglich die Kandidatur für Neapel an, die er vorher abgelehnt hatte. Er wurde gewählt und erschien im Parlament zu Turin . Die offizielle politische Welt nahm hauptsächlich daran Anstoß, daß der Befreier beider Sizilien in seiner roten Bluse an den Parlamentsfizungen teil nahm. Garibaldi wollte in Italien eine Volkswehr einführen. Es kam dabei zu heftigen Zusammenstößen mit Cavour, die das neu­gegründete Königreich Italien in keine geringe Aufregung ver­sezten: Indes versöhnten sich Cavour und Garibaldi auf Be= treiben des Königs; bald darauf starb Cavour. Bezüglich der Aufrichtigkeit Cavours gegen Garibaldi muß erwähnt werden, daß Cavour im Januar 1861 dem General Lamarmora eine Instruktion nach Berlin mitgab, nach welcher dort Lamarmora erklären sollte, die sardinische Regierung sei bereit, der nationalen Bewegung in Italien entgegenzutreten, wenn Preußen, das dem Legitimitätsprinzip sehr zugetan sei, es wünsche.

Zur Einheit Italiens fehlten indessen immer noch Rom und Venedig , und die Aktionspartei säumte nicht, die Frage brennend zu erhalten. In den Kammern zu Turin hatte Car­vour noch jenen zweideutigen Beschluß durchgedrückt, in dem man Rom als Hauptstadt Italiens bezeichnete, aber auch die Unabhängigkeit des Papstes erhalten wissen wollte. Man konnte sich doch nicht darüber täuschen, daß der Papst niemals gut­willig Rom als Hauptstadt des Königreichs Italien abtreten werde. Indessen schüzten immer noch die Franzosen die ewige Stadt und der Versuch, des Ministeriums Ricasoli, die italienische

( Schluß.)

Politik von dem drückenden Einfluß Napoleons III. freier zu machen, mißlang gänzlich. Nach ihm kam der glatte Rattazzi ans Ruder, der es allen recht machen wollte und der auf hundert Schultern zugleich Wasser getragen hätte, wenn er so viele gehabt.

In Italien sah es traurig aus, denn die infolge des Krieges noch etwas verworrenen öffentlichen Zustände hatten es gestattet, daß sich das Brigantentum in einer noch kaum dagewesenen Weise entwickelte. Der vertriebene Hof von Neapel und der Papst ließen durch ihre Anhänger die edlen Räuber der Abruzzen öffentlich unterstüzen; die Herren Briganten stahlen und mordeten nicht nur, sondern kämpften auch für die Legitimität der Bour­ bonen und des Papstes. Die Truppen konnten das Briganten­tum, dem die päpstlichen Behörden ganz offen Vorschub leisteten, kaum bezwingen, und der Kampf wurde beiderseits mit fürchter­licher Grausamkeit geführt, die Bluttaten der Briganten sezten ganz Italien in Schrecken; die Hinrichtung eines freisinnigen Römers, der einen päpstlichen Gensdarmen erstochen haben sollte und dessen Unschuld sich nachträglich herausstellte, erbitterte noch mehr; der Papst hatte das Todesurteil ausdrücklich bestätigt*). Die öffentliche Meinung in Rom wandte sich gegen die päpst­liche Regierung, und diesen Umstand glaubte Garibaldi benuzen zu müssen, um Rom anzugreifen. Dazu kam der Groll über die Abtretung seiner Vaterstadt Nizza an Frankreich , der ihn zum Losschlagen trieb, und er begann zu bereuen, daß er in Neapel und Sizilien seine Macht so leichthin aus den Händen gegeben hatte. Er beschloß gegen Rom zu ziehen.

Das Projekt war ein abenteuerliches, und die Aussichten auf Erfolg waren nicht allzu lockend. Dennoch waren sie nicht so gering, als man gewöhnlich annimmt. Die ganze italienische Atmosphäre hing voll abenteuerlicher Projekte, und Rattazzi schien alle Pläne zu begünstigen, die gegen Desterreich gerichtet waren. Im Einverständnis mit Rattazzi ließ Kossuth, der Diktator Un­ garns 1848-49 eine große Proffamation gegen Desterreich und Rußland los; die Ungarn sollten von Desterreich, die Balkan­völker von den Türken befreit werden. Auch nach Griechenland war ein halboffizieller Sendbote gegangen. Der eigentliche Plan war, daß Garibaldi in Albanien landen, die Südslaven und Un­ garn unter seine Fahnen rufen und so, die Desterreicher im Rücken fassend, Venetien frei machen sollte. Kossuth dachte an eine unabhängige Föderation der südslavischen Stämme mit Ungarn an der Spize. Es ist erwiesen, daß die italienische Regierung von diesen Plänen genaue Kenntnis hatte; Garibaldi glaubte sogar, der König sei mit ihm einverstanden.

Es ist möglich, daß die Regierung Viktor Emanuels , wenn Garibaldi in Albanien gelandet wäre, dieselbe Stellung ein­

*) Der Papst als solcher durfte fein Todesurteil unterzeichnen; er machte deshalb in diesem Falle ein schwarzes Kreuz darauf. Das Opfer dieses Federstrichs hieß Locatelli.