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genommen hätte, wie zu der Landung auf Sizilien . Aber Garibaldi wollte Sizilien als Operationsbasis nehmen und von da aus durch Italien ziehen, um seine Kämpfer zu sammeln. Auf diesem Wege lag der Kirchenstaat und ein Zusammenstoß mit diesem war dann unvermeidlich. Rattazzi dagegen wollte nur mit Genehmigung Frankreichs in Rom einziehen und da Garibaldi die Devise Rom oder Tod!" für seinen Zug ge= nommen hatte, so war zu erwarten, daß die Regierung Viktor Emanuels gegen den Mann einschreiten würde, dem man die beiden Sizilien verdankte. Garibaldi , der sich auf vielfachen Rundreisen von der Stimmung des Volkes überzeugt hatte, glaubte die Bevölkerung mit sich fortreißen zu können und berief sich auf den Parlamentsbeschluß, durch den Rom als Haupt­stadt Italiens anerkannt war.

Im Sommnr 1862 erschien Garibaldi auf Sizilien und be gann seine Freiwilligen zu sammeln. In einem Walde südlich von Palermo hielt er die erste Musterung; im Parke von Ficuzza wurden die Freiwilligen eineɣerzirt. In einer Proklamation lud er zum Bankett der Schlachten" ein, worauf Viktor Emanuel erklärte, daß nur der König von Italien zu verkünden habe, wann man in Rom einziehen solle; jeder andere solche Aufruf sei daher Rebellion und Bürgerkrieg. Er drohte mit der Strenge der Geseze.

Garibaldi glaubte nicht, daß die Regierung gegen ihn vor­gehen werde, selbst dann nicht, als eine Versammlung radikaler Abgeordneter in Neapel auseinander gejagt und einige davon in Haft genommen worden waren. Am 24. August ſezte er 3000 Freiwillige auf zwei Dampfern nach Calabrien über. 1000 Mann blieben in Sizilien zurück und ergaben sich an die Behörden; die Deserteure aus der sardinischen Armee, die man unter ihnen fand, wurden erschossen.

Während Garibaldi in seinen Proklamationen immer noch sagte, daß er für Viktor Emanuel gegen Rom ziehe, wurde die italienische Regierung durch die Drohung Napoleons , er werde Neapel von den französischen Truppen besezen laffen, zur Energie angetrieben. Ganz Neapel wurde in Belagerungszustand erklärt und eine Menge von Truppen zog herbei. Garibaldi fand bei der Bevölkerung Calabriens diesmal feine Unterstüizung und warf sich in die Schluchten des Gebirges Aspromonte, welches den Endpunkt des durch ganz Italien gehenden großen Gebirgs­zuges bildet. Er suchte den Gipfel des Aspromonte zu er reichen und seine Freischaar hatte so große Strapazen zu bestehen, daß mehrere junge Leute, Söhne reicher Familien und durch ihre Erziehung verwöhnt an Erschöpfung starben. Man sollte Vorräte finden und fand sie nicht. Es fehlte an Lebensmitteln und es wechselten Hize, Kälte und strömender Regen mit ein ander ab. Die Freiwilligen wurden demoralisirt und verliefen sich zum Teil; es hatte sich auch keiner von den berühmten alten Offizieren Garibaldis , welche die Mannschaften so vor­trefflich zu diszipliniren verstanden hatten, dem Zuge ange­schlossen. Als Garibaldi auf dem Aspromonte Feuer anzuzünden befahl, soll niemand gehorcht und er sich selbst mit dem Säbel Gestrüpp abgehauen und ein Feuer angezündet haben. Am 29. Auguſt hatte Garibaldi etwa 1500 Mann noch um sich; da erschienen die Truppen Viktor Emanuels unter Pallavicini. Garibaldi verbot zu feuern und ließ die Bayonnette abnehmen. Die Königlichen aber gaben Feuer nnd während ein Teil der Freischaar es nicht erwiderte, gaben die im Gebüsch lauernden fizilischen Plänkler eine Salve ab. Menotti Garibaldi ging mit einer Abteilung zum Bayonnetangriff vor. Während Garibaldi bemüht war, seine Leute zum Einstellen des Feuers zu bewegen, traf ihn eine Kugel in den rechten Fuß und er mußte aus dem Gefecht geführt werden. Darauf warfen die meisten Garibaldianer ihre Waffen weg; auch die Soldaten ließen Garibaldi hoch leben und man vertrug sich, soweit es unter den obwaltenden Um­ständen ging; nur die Neapolitaner benahmen sich roh gegen die gefangenen Sizilianer. Das Gefecht hatte 12 Tote und 46 Ver­wundete gekostet, die zu gleichen Teilen auf die Parteien kamen. Garibaldi gab sich dem mit entblößtem Haupte herankommenden Pallavicini gefangen; man brachte ihn nach Varigeano am Golf

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von Spezzia, während man seine Freischaaren in Piemont ge­fangen hielt. Die besten Aerzte behandelten Garibaldi, dessen Verwundung ein langwieriges Heilverfahren erforderte. In ganz Europa war die Teilnahme für ihn außerordentlich; so erfanden Heidelberger Mediziner einen eigens für ihn eingerichteten Polster­stuhl, auf dem er bequem liegen konnte.

Die Regierung war in Verlegenheit, was sie mit Garibaldi und den Seinen machen solle; ihn vor Gericht zu stellen wagte sie nicht. Daher tat sie das einzige, was sie tun konnte; sie erließ am 5. Oktober 1862 eine Amnestie für Garibaldi und seine Waffengenossen, die Deserteure ausgenommen.

Der Mißerfolg konnte Garibaldi seine Popularität nicht rauben, denn jedermann wußte, daß nur die egoistische Politik Napoleons III. es war, die den Papst noch in Rom hielt. Das freisinnige Europa begrüßte freudig den Angriff gegen Rom , den die Regierung sicher unterstüzt haben würde, wenn sie sich nicht vor Napoleon gefürchtet hätte, der damals noch im Zenit seiner Gewalt stand. Die Herren am grünen Tisch mochten über Garibaldi den Stab brechen: das Volk erhielt ihm seine Sympatie allerwärts, die ihn wieder auf sein meerumrauchtes Caprera begleitete, wo er sein Einsiedlerleben weiter führte.

Im Jahre 1864 unternahm Garibaldi eine Reise nach Eng­land, wo man ihn mit so viel Jubel empfing, daß die Re­gierung bedenklich wurde. Plözlich reiste Garibaldi wieder ab, und man glaubt, daß er damit einem Ersuchen der englischen Regierung nachgegeben habe.

Als 1866 der Krieg ausbrach, vergaß er die Kugel von Aspromonte und stellte sich Viktor Emanuel gegen die Dester­reicher zur Verfügung. Seine Dienste wurden auch angenommen. Er bildete ein Freikorps ; aber seine besten früheren Offiziere, Sirtori, Birio, Medici dienten im königlichen Heere. Lamarmora hatte den Plan, im Fall des Sieges über die Desterreicher Garibaldi einen Vorstoß gegen Ungarn machen zu lassen. Vorerst nahm Garibaldi am Gardasee Stellung und er bekam wiederum gewaltigen Zulauf. Es tamen etwa 40000 Freiwillige an, allein sie konnten nicht alle bewaffnet und eingeübt werden. Der Feldzug war kurz. Garibaldi sollte in Tyrol eindringen, was insofern eine schwierige Aufgabe war, als die Bewaffnung der Freiwilligen eine sehr mangelhafte war und es namentlich an Geschüz fehlte. Auf dem Gardasee kreuzte eine zahlreiche, mit weittragenden Geschützen versehene österreichische Kriegsflottille, welche Garibalbi verhinderte, an den Ufern festen Fuß zu fassen. Man rückte das Chiefetal hinauf gegen Riva vor. Es kam zu blutigen Gefechten, die aber keine Entscheidung herbeiführten. Die Feuerwaffen der Tyrolerschüzen waren natürlich den Frei­willigen überlegen; die Bässe waren durch Forts und Blockhäuser gesperrt.

Die Gebirgsmärsche waren häufig lebensgefährlich und viele der jungen Männer, die sich da freiwillig den Müh­falen des Kriegs unterzogen, stürzten in die tiefen Abgründe. Ein fleines Fort wurde erobert; aber bis Trient vorzubringen, wie Lamarmora befohlen hatte, war unmöglich. Garibaldi selbst ward verwundet; von Riva westlich von Roveredo mußte man umkehren, nachdem die italienische Hauptarmee bei Cuſtozza geschlagen und zum Rückzug gezwungen war. Wollte Garibaldi nicht abgeschnitten werden, so mußte er zurückgehen. Bei Niva", erzählt ein Besucher jener Schlachtfelder, zeigte man uns die schroffen, ungeheuren Felsenmauern, auf deren Kamm halbver­hungerte Freiwillige erschienen; mit Lebensgefahr trug man ihnen von Riva einige Speise zu.'

Die Geschichtsschreiber, darunter auch der Preuße Winter­

feld, erkennen diesen Feldzug Garibaldis als einen der best­geführten desselben an. Lamarmora dagegen freute sich heimlich über den erfolglosen Vorstoß der Freischaaren. Er fürchtete näm­lich, fie möchten sofort auf Rom rücken, wenn sie siegreich aus Tyrol heimkehrten. Vielleicht hatte er nicht so ganz unrecht; indessen hat er sich, wie Cavour, nie aufrichtig gegen Garibaldi benommen. Daher auch die mangelhafte Bewaffnung der Gari­baldianer von 1866.

Dem zu Land und zur See besiegten Italien fiel Venedig wie eine reife Frucht in den Schoß; nun fehlte noch Rom , das