lezte Blatt der ,, Artischocke". Die römische Frage wurde wieder brennend. Nach der Septemberkonvention von 1864 hatten die Franzosen im Jahre 1866 Rom zu räumen; sie taten es auch, hielten sich aber zum Einschreiten stets bereit und halfen dem Pabst seine eigene Armee verstärken. Von den Ultramontanen wurde in Deutschland und Frankreich für das päbstliche Heer stark geworben, und es ist wohl keine Fabel, daß mancher biedre Westphale oder Bretagner erst einige Zeit im Heere des heiligen Vaters gedient haben mußte, bevor er die Hand seiner Geliebten bekam. Die Partei der Aktion harrte vergebens darauf, daß nun die Regierung gegen den Kirchenstaat vorgehen werde. Sie ging allerdings scharf gegen das Mönchswesen und die Klöster überhaupt vor und eröffnete sich eine neue Geldquelle aus den beschlagnahmten Kirchengütern, aber gegen Rom vorzugehen fehlte ihr der Mut. Die Bevölkerung beschuldigte Napoleon nicht ohne Grund, die Septemberkonvention gebrochen zu haben, weil er den Pabst immer noch unterſtüzte, und so entschloß sich Gari­ baldi zu seinem zweiten Römerzug. Er hatte Beziehungen zu der nationalen Partei in Rom . Zunächst erschien er auf dem Kongreß der Friedens- und Freiheitsliga zu Genf , wo er sein Programm in die Worte faßte: Absezung des Pabstes und Annahme der Religion Gottes!" Da die Gährung in der italienischen Bevölkerung tagtäglich wuchs, so ließ die italienische Regierung an den Grenzen des Kirchenstaats einen Truppen kordon ziehen, um den Kirchenstaat gegen einen etwaigen Einfall zu schüzen.

Inzwischen hatte Garibaldi schon eine Menge von Frei­willigen gesammelt; einzelne Abteilungen derselben erschienen troz der Truppencordons auf päbstlichem Gebiet. Als nun Gari­ baldi selbst auf dem Schauplaz ankam, ward er verhaftet und nach Caprera gebracht, wo ihn italienische Kriegsschiffe bewachten. Er entkam wieder und langte in Florenz an, wo gerade eine ziemliche Verwirrung herrschte, denn das Ministerium Rattazzi hatte abgedankt und Cialdini konnte kein neues zusammenbringen. So sammelte Garibaldi ungehindert seine Freischaaren und rückte mit etwa 8000 Mann gegen Rom vor. Seine Lage war äußerst schwierig und nur ein Mann von seinem Mute und Geiste konnte diese Expedition wagen. Die römische Bevölkerung war durch die lange päbstliche Herrschaft stumpf geworden; troz­dem gährte es gewaltig in Rom , als Garibaldi heranzog und so nahe kam. Die nationale Partei in Rom erhob sich, wurde aber von der Bevölkerung im Stich gelassen und erlag schmählich, während zugleich eine Anzahl römischer Emigranten, die dem Aufstand zu Hilfe kommen wollten, unter den Mauern Roms von den päbstlichen Söldnern niedergemezelt wurden. In Rom wurde das päbstliche Heer verstärkt und der Belagerungszustand verhängt. Garibaldi beging vielleicht einen Fehler dadurch, daß er nicht rasch auf Rom selbst heranrückte, sondern sich erst noch damit aufhielt, den befestigten und von päbstlichen Söldnern ver teidigten Plaz Monte Rotondo zu erstürmen. Von da schob er seine Vorposten bis eine Stunde von Rom vor, aber seine Frei­schaaren schmolzen zusammen, weil der König Viktor Emanuel sich offen und feierlich gegen den Zug auf Rom erklärt hatte. Trozdem ließ der König seine Truppen unter Cialdini in den Kirchenstaat einrücken. Garibaldi hatte noch etwa 4000 Mann, die den größten Mangel hatten leiden müssen und auch nicht gut bewaffnet waren. Bei Mentana griff ihn die päbstliche Armee an. Die Freiwilligen hielten tapfer Stand. Aber Napoleon hatte Truppen nach Rom gesandt. Am 30. Oktober waren sie eingezogen, am 3. November begann der Kampf bei Mentana . Die Franzosen waren mit den neuen Chassepotgewehren bewaffnet und benuzten die Gelegenheit, sie an den Garibaldianern zu er­proben. Sie griffen in das Treffen ein und der Uebermacht nebst der besseren Bewaffnung konnten die Freischaaren natürlich nicht widerstehen. Garibaldi verfor etwa 1000 Tote nnd Ver­wundete und 1400 Gefangene. Der Rest erreichte mit dem Führer die Grenze, wo Garibaldi verhaftet wurde; man brachte ihn erst nach Varignano und dann nach Caprera. Die Chassepots haben Wunder getan," berichtete der fran­ zösische General Failly nach Paris eine Prahlerei, die ihm

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bald vergehen sollte; Napoleon aber gewann durch diese Wunder" den Mut, den italienischen Truppen, die inzwischen in den Kirchenstaat eingerückt waren, die Umkehr zu gebieten. Viktor Emanuel gehorchte.

Drei Jahre darauf wurde Rom von italienischen Truppen besezt und der Kirchenstaat hatte ein Ende; aber man tat das in bedeutend weniger heroischer Weise, als es Garibaldi ver­sucht hatte.

Garibaldi , der sein Mandat als Abgeordneter niedergelegt hatte, lebte nun wieder ruhig auf Caprera , bis in Frankreich 1870 die Republik proklamirt wurde. Obschon die Beschwerden des Alters sich bei ihm einstellten und er viel unter den Folgen der erlittenen Strapazen und der Wunden zu leiden hatte, bot er der Regierung von Tours seine Dienste an. Die Einwände, die vom deutsch - nationalen Standpunkt gegen dieses Eingreifen erhoben worden sind, mögen gewichtiger Natur sein; jedenfalls konnte man aber von Garibaldi nicht verlangen, daß er als Italiener deutsch- national fühlen solle. Er glaubte, die Nieder­lage Frankreichs werde die Bourbonen oder die Bonapartes zu­rückbringen, und er haßte beide. Im übrigen wurde Garibaldi von Gambetta garnicht besonders freundlich aufgenommen, wie sich nachträglich herausgestellt hat. sich nachträglich herausgestellt hat. Seine Freischaar erreichte eine ziemliche Stärke; er brachte es bis auf etwa 20 000 Mann. Daß er mit seiner mangelhaft bewaffneten Mannschaft den deutschen Heeren nicht werde auf die Dauer Stand halten können, war schon dadurch klar, daß der Krieg bereits in der Hauptsache entschieden war, als Garibaldi eingriff. Vor allen Dingen muß man ihm zugestehen, daß er nicht in der Weise besiegt worden ist, wie die französischen Generale; weder eine verlorene Schlacht noch eine Kapitulation kommt auf seine Rechnung. Außer einigen unbedeutenden Gefechten bestand er die Affaire von Dijon . Es steht heute fest, was früher vielfach bestritten wurde, daß Gari­ baldi bei Dijon getäuscht worden ist. Die deutschen Corps, die gegen die französischen Corps unter Bourbaki marschirten, um diese in die Schweiz zu drängen, mußten an Dijon vorüber, wo Garibaldi mit seiner Vogesenarmee stand. Man erteilte dem General Kettler den Auftrag, Garibaldi zu beschäftigen, bis die ganze Armee vorüber marschirt sei, was zu heißen und blutigen Kämpfen bei Dijon führte. Garibaldi glaubte die ganzen preu­ßischen Armeekorps vor sich zu haben, und als es ihm gelang, die Abteilung Kettlers zurückzudrängen, glaubte er eine zeitlang an einen großen Sieg Täuschungen, die auch schon anderen Feldherrn passirt sind. Bei dieser Gelegenheit fiel die Fahne des 2. Bataillons vom 61. pommerschen Regiment in die Hände der Garibaldianer. Heute ist man darüber einig, daß die Be­wegung Kettlers ein Scheinmanöver war. Mit dem Uebertritt Bourbakis in die Schweiz hielt Garibaldi seine Aufgabe für erloschen; er legte den Befehl der Vogesenarmee nieder und über­gab ihn seinem Sohne Menotti.

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Dies war der lezte Feldzug, den Garibaldi unternahm. Seine Vaterstadt Nizza wählte ihn in die Nationalversammlung von Bordeaux . Er nahm seinen Plaz ein; als er aber einmal das Wort nehmen wollte, erregte die Majorität der Krautjunker ( der ruraux) in jener Versammlung einen solchen Lärm, daß er nicht sprechen konnte, worauf er gekränkt sein Mandat nieder­legte. So dankten ihm die Franzosen seinen Beistand.

Er zog sich nach Caprera zurück, wo er wieder seinen Acker bestellte und auch Schriftstellerei trieb. Die pariser Kommune wollte ihn noch einmal der Ruhe entreißen und bot ihm den Oberbefchl über ihre Streitkräfte an. Er antwortete aber, daß ihn die Streitigkeiten zwischen der französischen Regierung und der Stadt Paris nichts angingen und verbot auch seinen Söhnen, in Paris ein Kommando anzunehmen.

Später in das Parlament zu Rom gewählt, wurde ihm eine Nationaldotation votirt, die er anfangs ablehnte, später aber an­nahm. Er begann seine Armut im Alter zu fühlen, denn bis­her hatte er, wie wir geschildert, garnichts angenommen. Er widmete im Parlament seine Kräfte der Tiberregulirung und seine Ideen fanden auch Zustimmung, aber die elende finanzielle Lage Italiens stand dem Projekt entgegen. Weiter trat er nicht