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mehr hervor und seine Kräfte nahmen langsam ab. In der lezten Zeit seines Lebens besuchte er auch einmal Sizilien und war in Palermo Gegenstand der rauschendsten Huldigungen. ,, Volt von Palermo , für mein Leben bin ich bei dir" hatte er einst in einer Proklamation gesagt, und das Schicksal war so gütig, ihn furz vor seinem Tode noch einmal die Stätte sehen zu lassen, wo er die größte Tat seines Lebens, die Befreiung Siziliens , vollbracht. Am 2. Juni 1882 ist er in Caprera gestorben. Er wünschte, daß seine Leiche verbrannt werde, was die italienische Regierung taktloserweise verhindert hat.
So endigte sanft dieses stürmische Leben voll von Triumphen und Enttäuschungen, von Siegen und Niederlagen. An der Stelle, wo dieser große Mensch gestanden, wird eine Lücke bleiben, die niemand auszufüllen vermag. Dieser unermüdliche Kämpfer hat sein Vaterland emporgehoben aus dem Sumpf der Demoralisation. Das heutige Italien wäre keine Großmacht ohne die kühne Initiative Garibaldis , die alles wagte, als alle zauderten. Er gab ein großes Beispiel, und dieses Ita lien , das man für die Heimat der Feigheit selbst hielt, wies mit einemimale jugendliche und Kühne Helden zu vielen tausenden auf. Es wird wenig ähnliches geben, wie die Opferwilligkeit jener Freiwilligen, die immer auf den Ruf Gari baldis zur Stelle waren, junge Leute oft aus den ersten Familien, die sich allen Strapazen und Gefahren bereitwilligst unterzogen. Italien , das so viele Jahrhunderte an einer fürch terlichen Zerrissenheit krankte, beginnt in seiner Einheit langsam zu gesunden. Während seine Entwicklung früher von fanatischen Priestern und kleinen Despoten rückwärts gedrängt wurde, schreitet sie nun vorwärts. Welche Zähigkeit, welche Niederlagen, um das alles zu erreichen! Wahrlich, die höchste Bewunderung dem Manne, der sein ganzes Leben an sein Jdeal, die Einheit, Größe und Freiheit seines Vaterlandes gesezt und der, wenn nicht alles, aber doch so viel erreicht hat. Sein Name wird durch die Jahrhunderte strahlen, und so lange es eine Geschichte gibt, wird sie seinen Mut, seinen Heroismus und seine ehrlichen Kampfmittel hochhalten müssen. Wohl dem, der der Menschheit solch ein erhabenes und glänzendes Beispiel hinterlassen tann!
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Fügen wir noch einiges Persönliche hinzu. Garibaldi war sanften Karakters und voll Großmut und Güte. Er war Vegetarianer; da er sich in Südamerika bei seinen Feldzügen den
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Geschmack an dem gedörrten und rohen Fleisch verdorben hatte, wollte er auch kein gebratenes und gekochtes mehr essen. Am liebsten aß er seine Heimatlichen Makkaroni. Er lebte sehr frugal und pflegte Sonntags namentlich, wenn er nach Genua und Nizza kam, mit den Seeleuten Kegel zu schieben. Von seinen Kindern soll ihm Ricciotti wenig Freude gemacht haben, mit seinem Sohne Menotti, der unter ihm tüchtiger Offizier gewesen war und jezt radikaler Abgeordneter ist, sowie mit seiner Tochter Teresita lebte er im schönsten Verhältnis. In hohem Alter ließ er sich noch von der Gräfin Raimondi, seiner zweiten Gemahlin, mit der er nie zusammen gelebt hatte, scheiden, um zwei außereheliche Kinder zu legitimiren, indem er ihre Mutter heiratete.
Als Schriftsteller hat Garibaldi bekanntlich kein Glück gehabt; seine Romane:„ Die Tausend von Marsala" 2c. find warm geschrieben, aber künstlerisch mangelhaft. Alexander Du mas hat Memoiren Garibaldis herausgegeben; der Teil, den Garibaldi selbst verfaßt hat und der seine Abenteuer in Süd amerika und seine Verteidigung von Rom beschreibt, ist oft hinreißend und überall, wo von seiner geliebten Anita die Rede ist, rührend geschrieben.
Geben wir zum Schlusse eine Schilderung der Persönlichfeit Garibaldis , eine Federzeichnung aus der Zeit, da er Diftator von Sizilien war:
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,, Er trug seine gewöhnliche Diktatorkleidung, die rote Flanellbluse, ein seidenes Tuch um den Hals, hellgraue Beinkleider und den Calabreser auf dem Haupte.
Seine breiten Schultern, seine kolossale Brust und die Würde seiner Haltung lassen ihn stets größer erscheinen als er wirklich ist; erst wenn er neben anderen steht, bemerkt man, daß er nicht über Mittelgröße hat. Sein Haar ist dunkelbraun, beinahe schwarz, und der um vieles hellere, kurzgeschnittene, Bart Die hervor verkürzt sein ungewöhnlich langes Gesicht etwas.
stehenden Backenknochen, die gerade Nase, die Farbe des Bartes, das lange Haar, das rötlich gefärbte, eigentümlich gesprenkelte Gesicht und sein ernstes, durchbohrendes und zugleich mildes Auge gaben ihm jene eigene Physiognomie, die man seine Löwen- Physiognomie zu nennen pflegt."
So war der Mann, dem man nicht so übel nehmen sollte, daß er in seinem Alter manchmal Briefe schrieb, in denen sich die Schwäche des Alters verriet. Als er seine volle Kraft besaß, hat er sie doch wahrlich nicht schlecht angewendet.
VI.
Edle Liebe.
Novelle.
Ueber die Villa des Obristen hatte sich seit jener bewegten Stunde eine ahnungsvolle Stimmung gesenkt. Es folgten ihr Tage voll drohender Stille. Niemand von den Nächstbeteiligten fonnte sagen, ob diese Stille dauernden Frieden bedeute, ob sie dem Ausbruch eines vernichtenden Gewitters vorangehe. Der Obrist zwar erschien seit der Wiederkehr des geliebten Sohnes seiner früheren Abgeschlossenheit ganz und gar entrissen. Er war der Mittelpunkt des kleinen Kreises und stets bemüht, durch seine wie aus bösem Zauber erlöste heitere, wenn auch durch sein Lebensalter bedingte Laune die Mitglieder seines Kreises zu unterhalten und zu erheitern. Die Erzählungen seines Sohnes gaben ihm vielfach Stoff an die Erlebnisse überall Selbsterlebtes, Selbsterfahrenes anzuknüpfen und aus dem reichen Vorrat seines Wissens Schäze von dauerndem, interessanten Gehalt an den Tag zu fördern.
Lizzi verhielt sich anfänglich zurückhaltend. Sie schüzte Krankheit vor. Sie ließ dem Obrist gegenüber durchblicken, sie
( Schluß.)
wolle die erste Zeit des Zusammenseins von Vater und Sohn durch ihre Gegenwart nicht stören. Allmälich aber frat sie mehr und mehr aus ihrer Zurückgezogenheit heraus, nachdem sie in der Stille ihr Herz so weit bezwungen, daß sie ohne ihr schmerzliches Geheimnis zu verraten, mildfreundlich wie immer teil an den Gesprächen der Männer zu nehmen oder wenigstens mit Ruhe zuzuhören vermochte, wenn jene sich über die wichtigsten Zeitfragen, ja über des Obristen und Harrys Zukunft unterhielten.
Katharine wußte um das Geheimnis. Sie war unabsichtlich im Garten Zeuge des Wiederfindens und der Trennung der Liebenden gewesen. Ein Gefühl der tiefsten Verehrung für Lizzi war in ihrem Herzen an Stelle der früheren mütterlichen Zuneigung getreten. Aber eben darum wich sie Lizzi aus und unbeachtet hingen ihre Augen oft an dem armen Kinde mit dem Ausdruck unbegrenzter, fast ehrfurchtsvoller Verehrung wie an dem Bilde einer Heiligen.
Harry aber war nicht zum Frieden durchgedrungen. Sein feuriges energisches Gemüt sträubte sich gegen den Zwang und