II.

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" Nun, meine Liebe!" begann Frau Crayford, was be­deutet das?"

Nichts."

"

Das kann ich nicht gelten lassen, Clara, willst du nicht den wahren Grund gestehen?

"

Die Hize im Saal-"

Auch das glaube ich dir nicht. Sage lieber, daß du vor­ziehst, dein Geheimnis für dich zu behalten, dann verstehe ich dich." Claras traurige, klare, graue Augen blickten jezt zum ersten­male in Frau Crayfords Gesicht und füllten sich plözlich mit Tränen.

,, Wenn ich nur wagte, es dir zu gestehen?" sagte sie leise. " Ich gebe so sehr viel auf deine gute Meinung von mir, Lucie - und fürchte sie zu verlieren."

Diese Worte machten Frau Crayford betroffen. Ihr Auge heftete sich ernst und besorgt auf Claras Antliz.

" Du weißt so gut wie ich selbst, daß nichts meine Liebe zu dir erschüttern kann. Sei offen gegen deine alte Freundin, mein Kind. Hier hört uns niemand. Deffne mir dein Herz, Clara. Du bist so bekümmert, und ich möchte dich so gerne trösten."

Clara fing an nachzugeben. Mit anderen Worten, sie fing an, Bedingungen zu stellen.

,, Willst du mir versprechen," sagte sie zögernd, das, was ich dir mitteile, vor jedem lebenden Wesen geheim zu halten?" Frau Crayford begegnete dieser Frage mit einer anderen ihrerseits.

Schließt, jedes lebende Wesen auch meinen Mann ein?" " Ihn mehr als irgend jemand. Ich liebe, ich verehre ihn, er ist so edel, so gut! Wollte ich ihm sagen, was ich dir jezt gestehen will, so würde er mich verachten. Sage mir offen heraus, Lucie, ob ich zu viel von dir verlange, wenn ich dich bitte, vor deinem Manne mein Geheimnis zu bewahren?"

Torheit, Kind! Wenn du erst verheiratet bist, wirst du erfahren, daß es das leichteste Geheimnis ist, vor einem Manne ein Geheimnis zu bewahren. Ich gebe dir das feste Versprechen. Und nun fange an!"

Clara hielt noch immer beklommen zögernd zurück.

Ich weiß nicht, wie ich beginnen soll!" rief sie in aus­brechender Verzweiflung, ich kann keine Worte dafür finden."

" Dann muß ich dir helfen. Fühlst du dich heute Abend unwohl? Fühlst du dich wie an jenem Tage, als du dich mit meiner Schwester und mir im Garten befandest?" Ach nein!"

"

Du bist nicht unwohl, die Hize im Saale ist dir nicht in Wahrheit zu Kopfe gestiegen und doch wirst du plözlich kreide­weiß und bist genötigt, die Quadrille zu verlassen! Das muß durchaus irgend welchen Grund haben."

" Es hat auch seinen Grund. Kapitän Helding-" " Kapitän Helding! Was in aller Welt hat er damit zu tun?" Er sprach dir von der Atalanta". Er sagte, die Atalanta" werde jeden Augenblick von Afrika   zurück erwartet."

Nun, und was weiter? Kehrt eine Person mit dem Schiffe heim, die dich näher interessirt?"

"

Eine Person, deren Rückkehr mich beängstigt," entgegnete Clara, langsam den Kopf senkend.

Frau Crayfords prächtige schwarze Augen schienen vor Er­staunen sich zu vergrößern.

"

Meine liebe Clara, meinst du wirklich, was du eben aus­Sprachst?"

" Warte, Lucie, du sollst sogleich selbst urteilen. Wir müssen, wenn ich mich dir verständlich machen will, zu dem Jahre, be vor wir beide uns kennen lernten, zu dem lezten Lebensjahre meines Vaters zurückgehen. Erzählte ich dir wohl früher, daß mein Vater seiner Gesundheit wegen nach dem Süden zog, in das Haus eines Freundes, welches ihm dieser in Kent vermietete?" Nein, meine Liebe, ich erinnere mich nicht, je von dem Hause in Kent gehört zu haben. Erzähle mir davon."

"

Darüber ist nicht viel zu sagen, nur eins. Das neue

3

Gebäude befand sich in der Nähe eines schönen Landhauses, das mitten im Parke stand. Der Besizer des Grundstückes war ein Herr Wardour. Er zählte auch zu den Freunden meines Vaters und besaß einen einzigen Sohn."

Sie hielt inne und spielte krampfhaft mit dem Fächer. Frau Crayford beobachtete sie aufmerksam. Claras Augen blieben fest auf den Fächer gerichtet. Sie sagte nichts weiter.

,, Wie hieß dieser Sohn?" fragte Frau Crayford ruhig. Richard."

"

Habe ich recht, Clara, wenn ich vermute, daß sich Herr Richard Wardour für dich interessirte?"

Diese Frage hatte die beabsichtigte Wirkung. Sie half Clara den Faden ihrer Erzählung wieder aufzunehmen.

" Ich wußte anfangs kaum," fuhr sie fort, ob ich ihm In­teresse einflößte oder nicht. Er war oft sehr sonderbar in seiner Art und Weise halsstarrig, entsezlich halsstarrig und leiden­schaftlich; aber hochherzig und liebevoll troz seiner Fehler. Kannst du einen solchen Karakter verstehen?"

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Solche Karaktere existiren zu tausenden. Jeder Mensch hat seine Fehler. Ich fange schon an, Richard gut leiden zu können. Fahre fort."

Tage vergingen, Wochen vergingen, Lucie. Wir sahen uns oft, und nach und nach kam mir eine Ahnung von der traurigen Tatsache."

" Und Richard natürlich tat das seine, deine Ahnung zu bestätigen?"

,, Nein, er gehörte unglückseligerweise nicht zu jener Sorte von Männern. Er sprach nie von den Gefühlen, mit denen er mich betrachtete. Ich war es, die sie sah. Ich tat darauf alles, was in meinen Kräften stand, ihm zu zeigen, daß ich ihm gern Schwester sein würde, niemals aber etwas anderes sein könne. Er verstand mich nicht oder wollte mich nicht verstehen ich weiß nicht, welches von beiden."

"

-

Wollte nicht, ist das wahrscheinliche. Doch weiter."

-

Du magst recht haben. Er begegnete mir mit sonderbarer Schüchternheit, die mich verwirrte und beängstigte. Er sprach sich niemals aus, behandelte mich aber, als ob wir von Kind auf schon dazu bestimmt gewesen wären, unser künftiges Leben in Gemeinschaft zu verbringen. Was konnte ich tun, Lucie?" Tun? Du hättest deinen Vater bitten sollen, dieser für dich so schwierigen Lage ein Ende zu machen."

Unmöglich! Du vergissest, daß mein Vater zu jener Zeit schon an der Krankheit litt, welche später sein Tod war. Er war gänzlich unfähig, mir zu helfen."

Konnte niemand anderes für dich handeln?" Niemand."

"

"

,, Keine Dame, der du dich anvertrauen konntest?" ,, Bekannte hatte ich wohl unter den Damen der Nachbar­schaft, Freundinnen nicht."

" Was also tatest du?"

" Nichts. Ich zögerte von Tag zu Tag; ich schob eine Aus­einandersezung mit ihm hinaus bis es zu spät war."

"

"

Was willst du mit dem zu spät" sagen?"

Höre mich an. Ich hätte vorausschicken sollen, daß Richard Wardour bei der Marine ist."

und

"

"

So? Ich interesfire mich immer mehr für ihn. Nun,

48

Eines Tages im Frühjahr kam Richard zu uns, um Ab­schied zu nehmen, bevor er sein Schiff bestieg. Als ich glaubte, er sei fort, ging ich in das anstoßende Zimmer. Es war mein Wohnzimmer, aus welchem eine Tür nach dem Garten führte."

,, Weiter, weiter!"

"

Richard mußte mich beobachtet haben. Plözlich erschien er im Garten, und ohne eine Aufforderung von mir abzuwarten, fam er ins Zimmer. Ich war ein wenig betroffen und über­rascht, gewann es aber über mich, es vor ihm zu verbergen. Ich fragte, was gibt es, Herr Wardour? Er trat dicht zu mir heran, indem er in seiner raschen, rauhen Weise sagte:, Clara! Ich gehe nach der Westküste Afrikas  . Lebe ich noch, so komme