HITLER
giene Bell
№o.3.
Illustrirtes Unterhaltungsblatt für das Volf.
Erscheint alle 14 Tage in Heften à 25 Pfennig und ist durch alle Buchhandlungen und Postämter zu beziehen.
VII.
Der erste Ton, welcher die ticfe Stille unterbrach, kam aus dem inneren Gemach. Ein Offizier hob den Leinwandvorhang in der Hütte der„ Seemöve" und trat in das Hauptzimmer. Kälte und Entbehrung hatte die Reihe traurig gelichtet. Der Kommandeur des Schiffes Kapitän Ebsworth lag gefährlich frank. Der erste Lieutenant war tot. Mit Kapitän Heldings Erlaubnis vertrat jezt ein Offizier vom„ Wanderer" ihre Stelle, es war Lieutenant Crayford.
-
Er näherte sich dem Mann am Feuer und weckte ihn. " Stehe auf, Bateson! Deine Zeit der Ablösung ist da!" Der ihn ablösen sollte, erhob sich von einem Haufen alter Segel im Hintergrund der Hütte. Lieutenant Crayford ging heftig auf und ab, um zu versuchen, ob er sein Blut ein wenig
erwärmen fönne.
Der Mörser auf der Tonne zog plözlich seine Aufmerksam feit auf sich. Er blieb stehen und schaute auf zu dem Manne in der Hängematte.
"
" Ich muß den Koch wecken," sagte er mit einem Lächeln zu sich. Der Bursche weiß garnicht, wie viel er dazu beiträgt, meinen Mut noch aufrecht zu erhalten. Der eingewurzeltste Unglücksprophet und Brummbär von der Welt und doch, wie er selbst sagt, der einzige heitere Mensch unter der ganzen Schiffsgesellschaft. Johann Want! Johann Want! Komm, stehe auf!"
Langsam hob sich ein Kopf, den eine rote Nachtmüze bededte, aus den Betten empor, eine melancholische Nase legte sich auf den Rand der Hängematte und eine der Nase würdige Stimme drüdte in folgenden Worten ihre Meinung über das Klima des Nordpols aus:
" Herr, Herr! Hier ist mein ganzer Atem auf der Bettdecke. Sehen Sie, Herr, Eiszapfen rings um meinem Mund herum und auf meiner Bettdecke. Jedesmal, wenn ich geschnarcht habe, habe ich etwas gefrieren lassen. Wenn ein Mensch die Kälte in so hohem Grade in sich trägt, daß er sein Bett gefrieren läßt, so kann es nicht mehr lange mit ihm dauern. Doch, gleichbiel! Ich brumme nicht!"
Crayford rückte ungeduldig an der Schüssel mit den Knochen.
1883
[ 1882]
( 2. Fortsezung.)
Johann Want ließ sich, immer weiter brummend, an einem Tau, welches zu Häupten seines Bettes an dem Sparren angebracht war, auf den Fußboden hinab. Anstatt aber zu seinem Offizier und der Schüssel zu treten, kauerte er sich fröstelnd ans Feuer und hielt sein Kinn so dicht wie möglich daran. Crayford sah ihm nach.
" Holla, was machst du da?"
" Ich taue meinen Bart auf, Herr."
"
Komm augenblicklich hier her und seze dich an deine Arbeit." Johann Want blieb ruhig am Feuer und hielt etwas anderes darüber. Crayford riß die Geduld.
"
Was Teufel tust du nun?"
" Ich taue meine Uhr auf, Herr. Sie hat die ganze Nacht unter meinem Kopfkissen gelegen und ist vor Kälte stehen ge= blieben. Herrliche, gesunde, fesselnde Sorte eines Klimas, um darin zu leben, nicht wahr, Herr? Toch gleich viel, ich brumme nicht."
„ Nein, das wissen wir alle. Sich her! Sind die Knochen Klein genug gestoßen?"
Johann Want trat plözlich schnell zu dem Lieutenant heran und blickte ihn augenscheinlich mit dem tiefsten Interesse an. " Verzeihen Sie, Herr, wie hohl klingt aber heute Ihre Stimme."
"
Was liegt an meiner Stimme. Die Knochen, die Knochen!" " Ja, Herr, die Knochen. Sie müssen noch ein wenig feiner gestoßen werden. Ich werde Ihretwegen mein möglichstes tun, Herr."
„ Was willst du damit sagen?
Johann Want schüttelte den Kopf und schaute Crayford traurig lächelnd an.
" Ich glaube nicht, daß ich noch oft die Ehre haben werde, Ihnen Knochensuppe zu kochen, Herr. Denken Sie, Sie werden es noch lange treiben? Ich glaub's nicht. Acht bis zehn Tage werden uns allen noch beschieden sein. Gleichviel! Ich brumme nicht."
Dabei schüttete er die Knochen in den Mörser und sing an, sie zu stoßen. Im selben Augenblick kam ein Matrose aus der inneren Seite der Hütte.
Rr. 3. 1883.