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Daumer), obgleich die Wahl schwer ist, da jedem der hafisschen Ich gebe, was da ledert, Lieder sein eigener Zauber innewohnt.

Sei gesegnet, Hauch der Lüfte! Sei gesegnet, Lippenhauch! Sei gepriesen, Rebenhügel! Busenhügel, sei es auch!

Nennst du Küssen eine Sünde? Trinken einen Kezerbrauch? Mundrubine sind so lieblich; Weinrubine sind es auch.

Still zu deinem Buche greifst du, Zum Pokale greift Hafis ; Zur Vollendungskrone reifst du, Zum Verderben reift Hafis .

In gewohnter Schranke bleibst du, Ein geduldig frommes Schaf; Als ein Leu aus seinem Gitter In die Wilde schweift Hafis .

Eitel gute Werke häufst du Strahlender Verdienste Berg ; Fürchterlich zu aller Stunde Seine Sünden häuft Hafis .

1.

2.

Ueber Ros und Tulipane Schimpfet der gemeine Lauch; Nötig aber unserm Herzen Sind so schöne Blüten auch.

In den Lüften, in den Wogen, Im Gefild, auf Baum und Strauch­Alles ist beglückt und selig; Menschenherz, o sei es auch!

Viele fromme Herzen stärkst du Durch gelehrten Unterricht; Mächtiglich in aller Torheit Alle Toren streift Hafis .

Mörderische Klingen schleifst du Ziehend in den Regerkrieg; Seine Versediamanten, Seine schönen, schleift Hafis .

Hoch hinauf zum Himmel steigst du Als ein qualmend Rauchgewölk; Eine frische Felsenquelle Tief zu Tale läuft Hafis .

Faß ich es in eine Stanze: Ewig, o du armer Manu, Träusst du nur von Bitterkeiten Und von Süße träuft Hafis .

Sie, die auf ihren Kanzeln So heilig und so hehr tun, Die stets, wie wenn sie rein nur Mit Engeln im Verkehr, tun.

Ich gebe meines Geistes Sublime Kraft dem Winde; Ich gebe meine Weisheit Und Wissenschaft dem Winde*).

Jh gebe Zucht und Buße Und Bändigung der Sinne, Ich gebe diese ganze Tollhäuslerschaft dem Winde.

Die Stirne soll mir glatt sein Und meine Miene heiter: Ich gebe, was da Runzel Und Furche schafft, dem Winde.

3.

4.

Die öffentlich vor jeder Verpönten Wonne schaudern Sie werden in der Stille

-

Was wir vielleicht noch mehr tun.

-

Ich gebe meine Zweifel Und ängstlichen Bedächte, Berauscht von Lippenhonig Und Rebensaft, dem Winde.

Ich gebe deine Predigt, Nach welcher einem Geiſte, Der frei von allem Unsinn, Die Hölle klafft, dem Winde. Ich gebe, was da wettert Und Anateme schmettert, Was, Kezerei bekriegend, Die Arme strafft, dem Winde.

*) Er meint hier selbstverständlich den teologischen und scholastischen Kram.

Philistert und katedert,

Ungesäumt erlösche mir Meines Lebens Funke, Gibt es einen bessern Ort Als die Weinspelunke?

Hier herein im Sturme flieht Nachtigall und Taube; Dorten in der Zelle duckt Schlange, Molch und Unke.

5.

Ich gebe, was da mönchet Und was da pfafft, dem Winde

Traue feinem Heiligen! Süße Worte spricht er; Aber in der Kutte steckt Immer ein Hallunke*).

Nicht der Inspiration Strafende Geberde, Nicht ein heilig Fabelbuch Nicht ein alter Schunke-

Echte Revelation

Lehre dich der Becher,

Lehret dich Hafissens Mund, Aufgetan im Trunke**).

Sollte man es glauben? Hafissens Grab ist eine Wallfahrts­stätte geworden, denn die Frommen deuten seine rein- und liebeseligen, Ortodoxie und Pfaffentum vernichtenden Lieder alle­gorisch, wie das auch der glühenden Erotik des biblischen Hohen­liedes von der jüdischen und christlichen Kirche widerfuhr, welche in den kosenden Wechselgesprächen der Liebenden einen mystischen Dialog zwischen Jehovah und Israel , bezw. zwischen Christus und der Kirche erblicken. Was nicht teologischer Wahnsinn alles fertig bringt! Mit bezug hierauf singt Goethe im zweiten Buche seines zwölf Bücher umfassenden West- östlichen Divan ", das er Hafis Namoch( Buch Hafis) betitelt:

Sie haben dich, heiliger Hafis ,

Die mystische Zunge genannt, Und haben, die Wortgelehrten,

Den Wert des Worts nicht erkannt.

Mystisch heißest du ihnen,

Weil sie Närrisches bei dir denken,

Und ihren unlautern Wein

In deinem Namen einschenken.

Du aber bist mystisch rein,

Weil sie dich nicht verstehn,

Der du, ohne fromm zu sein, selig bist!" Das wollen sie dir nicht zugestehn.

Damit verlassen wir dieses glänzende Gestirn des Orients und wenden uns wieder der Heimat zu. Die Epoche, die uns nun beschäftigt, ist die Zeit der allmälichen Entwicklung der bürgerlichen und volksmäßigen Dichtung vor der Reformation und um die Zeit ihres Ausbruchs.

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*) NB. Hafis spricht von Heiligen seiner Konfession. Ueber christliche und jüdische Heilige hätte er selbstverständlich ganz andere Verse gemacht **) Offenbarung. ( Schluß folgt.)

Ueber die Ursachen der französischen Revolution.

Von E. Fehleifen.

Man ist gewöhnt, die großen Veränderungen und Um­wälzungen, welche die französische Revolution zu einem der tief­eingreifendsten Ereignisse aller Zeiten machen, hauptsächlich den Einwirkungen und Aufſtachelungen der franzöſiſchen Aufklärungs­schriftsteller zuzuschreiben, aber man darf dabei nicht vergessen, daß dieselben Stimmungen und Zustände, welche schließlich zur Revolution führten, auch die französische Aufklärungsphilosophie hervorgebracht hatten, daß mithin diese wohl die unmittelbare Ursache war, daß es aber noch andere Ursachen gab, welche viel weiter zurückreichen und mittelbar die Revolution vorbereiteten. Im Grunde genommen hat sich diese große Revolution gleich zeitig in ganz Europa vorbereitet, überall ließen sich die Re­gierungen von den nämlichen Grundsäzen leiten; die Gesellschaft war in der nämlichen Weise abgeteilt in verschiedene Klassen; die Edelleute nahmen überall dieselbe privilegirte Stellung ein.

Die Städteverfassungen waren einander ähnlich; das platte Land wurde in derselben Weise regiert; die Lage der Bauern war wenig verschieden; der Boden wurde in gleicher Weise erworben und bebaut und der Landmann hatte überall die nämlichen Lasten zu tragen. zu tragen. Diese alten Institutionen waren aber nach und nach schwach und hinfällig geworden, sie lagen schon halb in Trüm­mern, als die Revolution plözlich und unerwartet die lang­wierige Arbeit, woran mehr als zehn Menschenalter gearbeitet hatten, zum Abschluß brachte. Wäre sie nicht eingetreten, so wäre das alte Gebäude trozdem, hier früher, dort später, überall zusammengestürzt; die Revolution hat aber auf einmal, durch eine krampfhafte und schmerzliche Anstrengung, ohne Uebergang, ohne Vorsicht und schonungslos vollbracht, was sich nach und nach von selbst vollbracht haben würde. Warum mun diese überall vorbereitete, überall drohende Revolution gerade in Frankreich