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und nicht anderswo zuerst ausbrach, dies wenigstens annäherungs-| tun mochte, überall begegnete er auf seinem Wege diesen lästigen weise festzustellen, soll der Zweck nachstehender Ausführungen sein.
Die Regierung Frankreichs seit Ludwig XIV. bis zur Revolution war mehr willkürlich als despotisch, denn die Monarchen hätten noch weit mehr zu tyrannisiren vermocht, als sie es taten. Nach Niederwerfung der Aristokratie in den Kämpfen der Fronde*) sezte sich kein Damm mehr dem Ueberströmen ihrer ungeheuren Gewalt entgegen. Die Krone verfügte über die Personen durch die ,, Lettres de cachet"( Verhaftsbefehle) über das Eigentum durch Einziehung der Güter, über die Einkünfte durch Auferlegung beliebiger Steuern. Gewisse Körperschaften besaßen zwar Verteidigungsmittel, welche man Privilegien nannte, aber diese wurden nur selten beachtet. Das Parlament besaß das der Steuerbewilligung und Verweigerung, aber der König erzwang die Annahme durch eine feierliche Gerichtssizung" und bestrafte die Mitglieder durch Verbannungsbriefe. Der Adel hatte das Vorrecht der Steuerfreiheit, die Geistlichen das, durch freiwillige Beiträge sich selbst zu besteuern; einige Provinzen waren mit einer bestimmten Steuersumme abgeschäzt und einige andere machten selbst die Verteilung der Auflagen. So waren die geringen Garantien Frankreichs beschaffen und auch diese bestan den nur zum Vorteil der begünstigten Klassen und zum Nachteil des Volks.
Dieses also unterjochte Land war noch überdies sehr schlecht organisirt, das Uebermaß der Gewalt war darin noch nicht so unerträglich, als die ungerechte Verteilung derselben. In drei Stände geteilt, welche sich wieder in mehrere Klassen schieden, war das Volk allen Streichen des Despotismus und allen Uebeln der Ungleichheit preisgegeben. Der Adel zerfiel in Hofadel, welcher von der Gnade des Königs, d. h. von dem Schweiße des Volkes lebte und die Gouverneurstellen in den Provinzen und die hohen Stellen in der Armee bekleidete; dann in geadelte Emporkömmlinge, welche die Verwaltung leiteten, die Intendantenstellen erhielten und die Provinzen aussogen; ferner in Justizbeamte, welche die Gerichte verwalteten und allein zur Besezung solcher Stellen verwendet werden konnten; endlich in Landadlige, welche das Land durch Ausübung von Privatfeudal rechten, die ihre politischen Rechte überlebt hatten, unterdrückten. Die Geistlichkeit war in zwei Klassen geteilt, für deren eine die Bistümer, Abteien und reichen Einfünfte bestimmt waren, während der andern die mühseligen Verrichtungen der Apostel und deren Armut übrig blieb. Der dritte Stand, vom Hofe ausgesogen, vom Adel erniedrigt, war selbst in Körperschaften gesondert, welche sich wechselseitig die Verachtung und die Uebel zurückgaben, die ihnen von den höheren Ständen zuteil wurden. Er besaß kaum den dritten Teil der Ländereien und davon war er gezwungen, den Gutsherren die Feudalgefälle, der Geistlichkeit den Zehnten, dem König die Steuern zu zahlen. Als Schadloshaltung für alle diese Opfer besaß er fein politisches Recht, hatte keinen Anteil an der Verwaltung und wurde zu keinen Aemtern zugelassen. Am schlimmsten daran waren die Bauern; unerschwingliche Abgaben lasteten auf dem Boden und dessen Produkten. Hatte der französische Bauer mit Aufwendung aller seiner Ersparnisse ein Stück Feld erworben, so mußte er zunächst eine Abgabe entrichten, nicht an die Regierung, sondern an die benachbarten Feudalherren, welche ihn außerdem seinem Felde entrissen und ihn nötigten, anderswo ohne Lohn zu arbeiten; wollte er seine Saaten gegen ihr Wild schüzen, so hinderten sie ihn daran; sie erwarteten ihn, wenn er über den Fluß sezen wollte, um einen Zoll von ihm zu fordern. Auf dem Markte fand er sie wieder, wo sie ihm das Recht gegen Bezahlung gewährten, seine eigenen Waaren zu verkaufen, und wenn er, in seine Wohnung zurückgekehrt, zu seinem eigenen Gebrauch den Rest seines Korns verwenden wollte, des Korns, das unter seinen Augen und seiner Pflege gewachsen war, so durfte er dies erst tun, nachdem er es in der Mühle dieser nämlichen Leute hatte mahlen und in ihrem Ofen hatte backen lassen. Was er auch
*) Partei, welche sich während der Minderjährigkeit Ludwig XIV. bon 1648-1653 dem Kardinal Mazarin widersezte.
Herren, um sein Vergnügen zu stören, seine Arbeit zu hindern, seine Früchte zu verzehren; und wenn er mit diesen fertig war, so erschienen andere schwarzgekleidete, die ihm das beste seiner Ernte wegnahmen. Man stelle sich die Lage, die Bedürfnisse, den Karakter, die Leidenschaften dieser Leute vor und man wird berechnen können, welch reicher Schaz an Haß und Neid in ihrem Herzen sich anhäufen mußte.
In derber und packender Sprache schildert diese Zustände der Brief eines Landmanns, den dieser direkt an einen Intendanten richtete*):„ Obwohl wir wenig Adel in unserer Provinz haben, darf man doch nicht glauben, daß die Grundstücke des halb weniger mit Zinsen belastet seien; im Gegenteil, fast alle Lehngüter gehören der Katedrale, dem Erzbistum, dem Stifte, den Benediktinern und anderen Geistlichen, bei denen die Renten nie verjähren und wo man deren unaufhörlich neue aus alten verschimmelten Pergamenten zum Vorschein kommen sieht, deren Ursprung Gott allein kennt! Die ganze Provinz ist mit dieser Rentenkrankheit behaftet. Die Mehrzahl der Landgrundstücke muß jährlich von jedem Acker Weizen den siebenten Teil entrichten, andere ebenso den siebenten vom Wein; einer hat der Herrschaft 4 der Ernte zu geben, ein anderer 1½ u. s. w.. nachdem der Zehnte schon abgezogen ist; dieser entrichtet den zwölften, jener den dreizehnten Teil. Alle diese Zinsen sind so eigentümlicher Art, daß ich solche vom vierten bis zum vierzigsten Teil der Ernte kenne. Was soll man zu all' diesen Zinsen sagen, die in Gestalt von Korn, Hülsenfrüchten, Geld, Geflügel, Frohnde, Holz, Früchten, Kerzen entrichtet werden? Ich kenne seltsame Gefälle dieser Art, bestehend in Brod, Wachs, Eiern, Schweinen ohne Kopf, Rosen- und Veilchensträuschen, vergoldeten Sporen u. dergl. Es gibt noch eine zahllose Menge anderer herrschaftlicher Gefälle. Warum hat man Frankreich nicht von allen diesen extravaganten Gebühren befreit?
,, Was soll man ferner zu der Tyrannei des Lehngelds sagen? Ein Käufer erschöpft alle seine Mittel, ein Grundstück zu erwerben, und ist genötigt, mit schweren Kosten Adjudikation und Kontrakt, Uebernahme, Protokolle, Kontrole und Insinuation, ein Prozent des Kaufpreises 2c. zu bezahlen; außerdem muß er alsdann seinen Kontrakt dem Lehnsherrn vorlegen, der ihn das Lehngeld bezahlen läßt, das bald 12 bald 1/10 der Kaufsumme beträgt. Andere fordern 15, noch andere außerdem das 1½ vom 15. Kurz, es kommen alle möglichen Preise vor, und ich kenne einige, die sich sogar 1/3 der Kaufsumme bezahlen lassen. Wahrlich! selbst die wildesten und barbarischsten Nationen haben niemals so arge und zahlreiche Plackereien erfunden, als unsere Tyrannen unseren Vorfahren aufgebürdet haben.
,, Wie? Der verstorbene König( Ludwig XV.) hätte die Ablösung der Grundrenten, die auf städtische Erbgüter angewiesen waren, erlaubt, und er hätte ein Gleiches nicht hinsicht lich der bäuerlichen Grundstücke gestattet? Mit den lezteren hätte man den Anfang machen müssen. Warum den armen Landleuten nicht gestatten, ihre Ketten zu zerreißen und sich durch Ablösung von der Menge herrschaftlicher Zinsen und Grundrenten zu befreien, welche den Vasallen so sehr schaden und den Lehnsherrn so wenig Vorteil bringen? Man sollte hinsichtlich der Ablösungen keinen Unterschied zwischen Stadt und Land, zwischen Lehnsherren und Bürgern machen.
„ Die Intendanten geistlicher Güter pflegen, so oft ein neuer Inhaber sein Amt antritt, alle Pächter zu plündern und in Kontribution zu sezen. So hat der Intendant des neuen Erzbischofs allen Pächtern seines Vorgängers gekündigt, indem er alle mit dem lezteren geschlossenen Kontrakte für null und nichtig erklärte, und alle diejenigen vertrieb, die nicht ihre Pacht erneuern und ihm große Gratifikationen gegeben hatten. Solchergestalt hat man sie um 7 bis 8 Jahre gebracht, die von ihrer kontraktlich festgestellten Pachtzeit noch übrig waren, indem man sie zu sofortiger Entfernung nötigte und zwar unmittelbar vor
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