Reformbewegung im Kunstgewerbe noch gar keinen Einfluß ausgeübt. Als Zigarrenspizen dienen hier immer noch hübsche Frauenköpfe, resp. deren nachgebildete Strohhüte, Blumenkörbe, quergelegte Bierfässer u. dgl. Unjinn mehr. Selbstverständlich ist demnach auch, daß ganze Hezjagden und Landschaften auf dem zur Aufnahme der Zigarren bestimmten Röhrchen abgebildet sind. Es gehört sicher eine große Gefühlsverwahrlosung dazu, um all den Widersinn, all das Unnatürliche von solcher Bildnerei nicht zu begreifen. Und was ist nicht schon darüber geschrieben und geredet worden! Freilich, wenn die Herren Aussteller trozdem womöglich noch mit Preisen für dieses stillose Zeug bedacht werden, ist es kein Wunder, wenn man in alle Zukunft hinein diese unsinnigen Muster beibehält. Die technische Geschicklichkeit und die akkurate Ausführung verdient hier fast allenthalben Anerkennung, aber damit ist es nicht getan. Virtuofität in der Technik genügt nicht allein, Erweckung und Verfeinerung des Stilgefühls ist eine der ersten Aufgaben. Daß man diese aber nicht mit den gewöhnlichen und bisher gebräuchlichen Mitteln lösen kann, das sieht man am besten daran, daß die Elfen bein- und Meerschaumschnizer seit ihrer Ausstellung zu Leipzig 1880 nach dieser Richtung gar keine Fortschritte gemacht haben. Das beste Mittel, um hier Abhilfe zu schaffen, wäre jedenfalls eine Lehrwerkstätte nach dem Muster der in Ruhla in Thüringen .
An dieser Stelle mag denn auch gleich das leider auf keiner Ausstellung fehlende Messer mit den 106 Klingen Erwähnung finden. So große Verwunderung solche technische Kunststückchen erregen, für die Praxis haben sie keinen Wert; deshalb wäre es besser, sie unterblieben ganz und die Herren Aussteller verwendeten ihre schöne Kraft lediglich auf die Herstellung von Gegenständen, die gebraucht werden können.
Ganz vorzüglich und zwar sowohl in Rücksicht auf die Quantität wie die Qualität ist auf der Ausstellung die Keramik vertreten. Hier macht es ganz besondere Freude zu sehen, wie die Farbe an den Lüstern, Tassen, Kannen, Schalen 2c. und auch an den Defen über die lange herrschende Farblosigkeit obsiegt. In erster Linie sind es die Majolifa- Gefäße, welche in prächtigem fatten Farbenschmuck prangen und mit ihrem intensiven Glanz der Glasuren bedeutenden Effekt erzielen. Die größte Ausstellung dieser Art von J. v. Schwarz in Nürnberg zeigt nun aber nicht nur Hervorragendes inbezug auf das Kolorit, auch die Formen bieten ganz ausgezeichnetes. Ebenso sind auch die von demselben Aussteller vorgeführten Büsten und Kandelaber meisterhafte Arbeiten.
Sieht man ganz ab von den wahrhaft künstlerisch ausgeführten Wappen und ornamentalen Malereien auf Borzellangefäßen von Meier in Augsburg , so findet man immer noch sehr viel des Schönen auch in dieser Beziehung. Wie herrlich sich gerade der farbige, reizend gezeichnete Delor) auf der weißen Porzellanfläche ausnimmt, das kann man verschiedentlich beobachten. Besonders sind es die in der Form oft graziösen Kaffee und Tee- Service, bei denen der intensive Glanz des Porzellans in Verbindung mit der reizend feinen bunten Ausschmüdung prächtig wirken. Aber auch das Prinzip der Flächendekoration auf den Tellern, Schalen u. dgl. ist vielfach zu Ehren gekommen und sticht recht vorteilhaft ab von der oft recht trivialen naturalistischen Bemalung des Porzellangeschirrs, das sich in diesem Schmuck auch noch mehrfach auf der Ausstellung befindet. Wie brillant wirkt nicht die feine sehr schön komponirte Goldverzierung mit wenigen lichtblauen Blümchen auf den glänzenden sattblauen Gefäßen, und nicht minder schön nehmen sich die Tassen, Teller und Schalen stumpfgelb gefärbt mit dem maßvollen mehrfarbigen Schmud aus.
Schwerlich dürfte wohl aber eine deutsche Ausstellung bisher das auf dem Gebiet der Ofenindustrie geleistet haben, was in Nürnberg dargeboten wird. Meist sind die zahlreichen Defen und Kamine im Stil der Renaissance geformt und dann teils bunt, teils einfarbig glasirt. In formeller Beziehung wie auch inbezug auf die farbige Ausführung findet man wahre Meisterwerke der Technik und der künstlerischen Behandlung. Schon die braunen, durch ihre kräftige Architektur und elegante figürliche und ornamentale Ausschmüdung sich auszeichnenden großen Kaminöfen erregen Bewunderung. Mehr aber noch die im glänzenden buntfarbigen Schmuck, von denen besonders die von Haus
Dies der technische Ausdruck für unser deutsches Wort„ Ausschmüdung". Dic sprachliche Berantwortung für diese Wortbildung möchten wir nicht tragen. Red.
Die Strandung des Lloyddampfer„ Mosel ". Tausende und aber Tausende verlassen alljährlich ihr Heimatland, um fern über dem Meer im Lande ihrer Väter den Kampf um's Dasein" führen können, und speziell unser Deutschland genießt den traurigen Ruhm, zu den gewal ist daher erklärlich, wenn die Beförderung all dieser Heimatmüden die schwungvolle Industrie der Auswandererschiffahrt ins Leben gerufen Zahlreiche Dampfer beider Städte dienen dem Auswanderertransport, und was das Beste an der Sache ist, hinsichtlich der Sicherheit in der Beförderung und der Tüchtigkeit der Schiffe selber genießen beide Drte auch eines gleich guten Rufes. Gleichwohl fordert Neptun auch von ihnen seine Opfer. Der jüngste unter den sonst sehr mäßigen Verlusten betrifft den bremer Dampfer Mosel ". Dieses Schiff hatte Anfang
83
leiter hervorgehoben zu werden verdienen. Gerade der leztere hat die wundervollen Eigenschaften, die sich mit dem Material und mit Hilfe der Technik erzielen lassen, mit großem Geschick und künstlerischem Verständnis auszunüzen gewußt und an einzelnen Stücken durch den durchsichtigen, glänzenden Farbenschimmer und künstlerische Formbildung Effekte erzielt, die großartig sind. Einzelne Kacheln sind in der Form und in der farbigen Behandlung Kunstwerke, und wer sehen will, was man in diesem Industriezweig heute leisten kann, der betrachte nur die glattgezeichneten Szenen aus den Dichtwerken von Schiller und Goethe, die in einer Schärfe wiedergegeben sind, als wären sie auf der Buchdruckerpresse und nicht vom Töpfer hergestellt.
Hierzu gehört auch das schöne Badezimmer von Schmidt in Nürn berg . Nicht nur die weißen, blau bemalten Porzellanfliesen, wie die saubere Arbeit sind zu rühmen, auch die ganze Anlage, nach der der Bodenraum unter dem Fußboden hohl und heizbar ist.
Viel zu weit führen würde es, wenn man die vielen glänzenden Leistungen der Metallindustrie auch nur aufzählen wollte. Schon die meisterhaften Silber- und Goldarbeiten der münchener Juweliere erforderten ein eigenes umfangreiches Kapitel. Staunenerregend ist bei den feinen Schmucksachen, mit welch minutiöser Gewissenhaftigkeit die einzelnen fleinen zierlichen Glieder modellirt sind. Vollends nun die Bokale und Tafelaufsäze, die von den ersten Künstlern entworfen und von Meistern der technischen Ausführung in den edelsten Metallen hergestellt wurden. Freilich wird hier des Guten auch manchmal zu viel getan, denn selbst ein aus fostbarem Metall und in fünstlerischer Vollendung hergestellter Pokal soll schließlich doch auch angesezt werden können, und deshalb sollte der unter dem das Getränk fassenden Bauche zugleich als Handgriff dienende Fuß nicht so mit feinen, spizigen Verzierungen versehen sein, die auf alle Fälle das Ansezen erschweren, wenn nicht ganz verhindern und so den Pokal lediglich zu einem Schauſtück machen. Will man aber das, so bilde man doch lieber gleich einen Tafelaufsaz oder eine Bowle, welche leztere dann mit der Fähigkeit Getränke aufzunehmen auch noch für uns die befizt, dieselben herausschöpfen zu lassen, was die Dimensionen eines verschnörkelten Pokals nicht zulassen.
Ganz besonders wichtig sind aber die Arbeiten in Schmiedeeisen. An den verschiedenen Gittern, Toren, Ofenschirmen u. s. w. ist die alte formgebende Technik des Treibens und Nietens wieder herrlich zu Ehren gekommen. Kronleuchter aus einfach gewundenem schwarzen Bandeisen, an denen die Köpfe der weißen Nieten einen einfachen und schönen Schmuck bilden, getriebene, zartgeformte Blumen, Leuchter, Schreibzeuge, Salz und Pfeffergefäßhalter und wer weiß, was noch alles aus dem so wenig beachteten Materiale hergestellt wurde. Die Schmiedekunst hat hier wieder recht schlagend bewiesen, daß man nicht nur Gold, Silber, Elfenbein und Marmor anwenden muß, um Kunstgewerbliches zu schaffen, sondern daß stilvolle Behandlung jedes zu Gebrauchsgegenständen verarbeiteten Stoffes sehr wohl möglich ist.
In Gußeisen treten dann hervor der reiche und schöne Pavillon von Architekt Schick und ein solcher von Gnauth, sowie des lezteren reizender Brunnen im Freien. Durchaus originell und geschmackvoll sind die beiden lezteren. Unstreitig hat Gnauth an seinen Werken wieder die orientalische Formenwelt mit der Renaissance in höchst glücklicher Weise verschmolzen und dann in eben so eigenartiger farbiger Bemalung dargestellt, daß dem schwerlich etwas Schöneres in diesem Genre an die Seite gestellt werden kann. Die Kandelaber werden dagegen zu leicht in der hellen goldenen Broncefärbung, weil dadurch das Wesen des Materials aufgehoben erscheint.
Es gäbe nun noch so manches Beachtenswerte, vor allem die reichhaltigen Arbeiten der münchener und nürnberger Kunstgewerbe- und Fachschulen. Doch der Naum sezt meinem Berichte unerbittlich enge Grenzen. Vorstehendes sollte auch nur andeuten, was deutscher Gewerbs- und Kunstfleiß zu leisten vermag, und daß wir sehr wohl die Kraft befizen, uns in dieser Beziehung auf eigene Füße zu stellen. Möchten nun diejenigen, welche derartige Sachen heute zumeist konsumiren, den fleißigen Produzenten entgegen kommen und ihre Waaren in deutschen Werkstätten kaufen und nicht in Paris und London , dann wird auch der materielle Erfolg nicht ausbleiben und unsere Gewerbe werden jene Machtstellung einnehmen, die sie einst zu Zeiten Dürers und Peters Vischers eingenommen.
600 Passagieren angetreten. Die Fahrt ließ sich sehr gut an und an Bord war alles froher Dinge. Am 8. August Abends 8 Uhr hatte das Schiff Southampton nach 13stündigem Aufenthalt verlassen und legte bei schönem Wetter 13 Knoten in der Stunde zurück. Am 9. August 71 Uhr früh, als gerade das Frühstück eingenommen wurde, erfolgte bei dichtem Nebel am Kiel ein heftiger Stoß, der das Schiff erschüttern und einen Teil der Passagiere zu Boden fallen machte. Ein Teilnehmer an der Reise schildert die Situation folgendermaßen:„ Vor unseren
Augen lag das Kap Lizard, der Ausgangspunkt nach dem freien Meer.
Als wir das Deck betraten, schlitterte das Schiff mit furchtbarem Gerassel, welches troz des Tobens der Wellen und des Arbeitens der Schiffsmaschine deutlich wahrnehmbar war, auf einem Felsengerippe dahin; das Vorderteil senkte sich, das Hinterteil hob sich aus der Flut ( j. Bild), und die über das erstere schlagenden Wellen ließen bald erkennen, daß dasselbe beschädigt war. Ein Glück war es, daß der