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Liebesfrühling im Herbst.

Nun weht es rauh und scharf aus Norden, Und immer früher kommt die Nacht; Die Welt ist seltsam ernst geworden, Troz ihrer bunten Laubespracht,

Und von der Herbstnacht muß ich träumen, Die weiß die Dächer überreift

Und von den Büschen, von den Bäumen Die lezten welken Blätter streift.

Es ist so still nur eine Meise Schlüpft auf dem alten Apfelbaum Durch das Gezweig und zwitschert leise Und sträubt wie fröstelnd ihren Flaum. Kein Summen mehr von ems'gen Bienen; Kein Falter irrt, ein Spiel der Luft, Um Astern her und Georginen Und andre Blumen ohne Duft.

Durch dürres Laub verfolgt die Rüde Im Wald des flüchtgen Wildes Spur. Das ist die Zeit, da legt sich müde Zurück zum Schlummer die Natur. Der Rede Fluß beginnt zu stocken, Die Lider schließt ein sanfter Druck Und ihren Händen, ihren Locken Entfällt der Blumen bunter Schmud.

Von Rudolf Lavant  .

So oft ich sonst in diesen Tagen Den Wald, mein grünes Reich, gesehn, Schien mir ein scheues, irres Klagen Durch seinen Säulensaal zu gehn, Und meinem Lauschen wollt' es scheinen, Als höre man zu dieser Zeit Ein leises, unterdrücktes Weinen, Ein banges Schluchzen weit und breit.

Ich habe dieses trübe Wähnen, In Trauer selber, nicht gescheucht; Mir war so weh von stummen Tränen War Auge mir und Wange feucht. Mir war, sah ich auf allen Wegen Im Wirbeln welkes Laub sich drehn, Als müßt' ich still mich niederlegen, Um nimmer wieder aufzustehn.

Auch dieser Herbst hat seine Schauer, Auch er ist wehmutweckend still Wie kommt es nur, daß keine Trauer In meiner Brust sich regen will? Was läßt dies Welken und Vergehen Nur diesmal unberührt den Sinn? Was ist mit mir, in mir geschehen, Daß ich so froh und mutig bin?

Du drohst mir scherzend und voll Güte: Wo bleibt dein Vorsaz? halte ein!

Es sollte diese Wunderblüte

Ja aller Welt verborgen sein!

Ich muß es vor der Welt verschweigen, Denn sie ist arg und falsch und schlecht Du gibst mit einem leichten Neigen Des Hauptes deinem Freunde recht? Du weißt, es ward dem Friedelosen In dir der herrlichste Gewinn, Du nimmst des Gartens lezte Rosen Mit heimlich- stillem Lächeln hin.

Der Winter kommt und wir frohlocken, Und habens weislich überdacht, Denn Tanzen in der Luft die Flocken, So währet länger ja die Nacht, Und muß nach reichem Liebesmahle Dein Freund hinaus in Nacht und Reis, So dämmert nicht im Ost der fahle, Der immer unwillkommne Streif.

Es wird kein Hahnenkrähen schneiden Hinein in Kuß   und Liebeswort, Wenn halbe Stunden lang wir scheiden, Es wedt fein: Horch, nun mußt du fort!" Im Dunkel lent' ich heim die Schritte Und wenn vorbei der Wächter geht, So hat im Schnee die Spur der Tritte Der Wind bedächtig zugeweht.

Nun gibst du selbst der argen, schlechten Die Fülle unsres Glückes kund?" Und einen Finger deiner Rechten

Legst du auf deines Dichters Mund.

Des Pirithous( Peirithoos) Kampf mit dem Panter um Helena  . ( Bild 5. S. 89). Helena  , das schönste Weib der griechischen Sagen­poesie, war die Tochter des Zeus   und der Leda  , der Gemahlin des Königs Tyndareus in Lakedämon( Sparta  ). Die Schönheit der Leda  zog den höchsten Gott von seinem olympischen Tron herab. Während sie am Ufer des Flusses saß, in dem sie eben gebadet, senkte sich der frauenliebende feurige Zeus in Schwansgestalt mit schneeweißem Ge­fieder herab und schwamm auf den murmelnden Wellen zu ihr hinan. Arglos sah sie ihn nahen und streichelte liekosend den ans Ufer Ge­kommenen, der sich an ihren herrlichen Leib schmiegte. Aus der Um­armung des Schwans empfing Leda   in ihrem Schoose den Polyd eukes ( Pollux), und die Helena  , während in derselben Nacht ihr Gemahl mit ihr den Kast or und die Klytämnestra  , die nachherige Gemahlin des Agamemnon, erzeugte. Die Sage läßt Leda   zwei Eier zur Welt bringen, wovon jedes halb göttlichen und halb menschlichen Ür­sprungs war, indem das eine die Zwillingsbrüder Kastor und Poly­deukes, das andere die Zwillingsschwestern Klytaimnestra   und Helena  in sich schloß. Die Schönheit der Helena   entfachte den trojanischen Krieg. Bei der Vermälung des Thessalierkönigs Peleus mit der Meergöttin Thetis( welcher Ehe der gepriesene Held Achilleus   ent­sproß) warf Eris  , die Göttin des Zants, in das hochzeitliche Gemach, wo alle Götter und Göttinnen versammelt waren, einen goldenen Apfel, mit der Inschrift: , Der schönsten der Göttinnen!" Here( Juno  ), Pallas Athene  ( Minerva  ) und Aphrodite  ( Venus) bewarben sich um den Preis der Schönheit und der Sohn des Königs Priamos   von Troja, Paris( Alexandros  ), der auf dem Berge Jda die Heerden weidete, sollte den Streit entscheiden. Jede der Göttinnen verhieß ihm eine Belohnung, Here Macht und Reichtum, Pallas Athene   Weisheit, Aphrodite   das schönste Weib auf Erden und ihr erteilte Paris den goldenen Apfel. Paris   schiffte bald darauf nach Griechenland   und wurde von Menelaus, dem König von Sparta   und Gemahl der Helena  , gastfreundlich empfangen. Während aber Menelaus auf meh­rere Tage verreist war, entführte der treulose Gast mit Hilfe der Göttin Aphrodite   die schönheitstrahlende Helena   und jegelte mit ihr nach Troja, seiner Heimat. Ganz Griechenland  , über diese Tat des Fremdlings empört, vereinigte sich, nachdem eine Gesandtschaft vergeblich die ge­raubte Helena   zurückgefordert hatte, zum Kriege wider Troja, der erst nach zehnjährigem Kampf unter der Führung Agamemnons  , des Bru­ders des Menelaus  , mit der Zerstörung der Stadt endigte. Helena  fehrte mit ihrem rechtmäßigen Gatten wieder nach Sparta   zurück. Von der wunderbaren Schönheit Helena's gibt uns Homer  , der Sänger des trojanischen Kriegs, einen schwachen Begriff, indem er aus dem zehnten Kriegsjahre von trojanischen Greisen erzählt:

Als sie nunmehr die Helena jah'n zum Turme sich wenden, Leise redete mancher und sprach die geflügelten Worte:

Tadelt nicht die Troer und hellumschienten Achaier, Die um ein solches Weib ausharren im Elend!

Einer unsterblichen Göttin fürwahr gleicht jene von Ansehn! Aber noch vor ihrer Vermählung mit dem bräunlich gelockten Menelaos ( wie Homer   ihn häufig bezeichnet) war Helena   die unfreiwillige Heldin eines Liebesabenteuers. Die beiden Heldenjünglinge Theseus   und Peirithoos, jener ein Sohn des Königs von Athen  , dieser ein thessalischer Fürst, deren unzertrennliche Freundschaft im Altertum sprichwörtlich geworden war, und welche viele Heldentaten gemein­schaftlich vollbrachten, kamen nach Sparta  , um das Wunder weiblicher Schönheit, deren Ruf ganz Griechenland   erfüllte, zu entführen. Es gelang ihnen, und durch das Loos fiel Helena   dem Theseus   zu, der sie seiner Mutter Aethra in Aphidnä zur Aufsicht übergab. Aber ihre vom Argonautenzug zurückgekehrten Brüder, die Dioskuren Kastor   und Bollug, eroberten die Stadt, befreiten die Schwester und brachten sie wieder nach Sparta  , um sie später mit Menelaos zu verheiraten. Nach einer Variante der Sage hatte auch der Gott Dionysos  ( Bacchus) seine Wünsche auf Helena   gerichtet und Peirithoos hatte daher bei der Entführung der Helena   mit einem Panter zu kämpfen; denn der ge­fleckte Panther war das dem Dionysos geweihte Tier( weshalb auf bildlichen Darstellungen der Wagen des Gottes von Pantern gezogen wird; es ist die Wildheit und Grausamkeit selber, welche durch den edlen Saft der Trauben gezähmt wird). Diese Scene hat der Künstler in einer lebensgroßen Gruppe zur Anschauung gebracht. Die Aufgabe, welche das Sujet an den Bildner stellt, gehört zu den schwierigsten. Erfordert schon die Behandlung einer Helena  , der reinsten Blüte jung­fräulicher Schönheit, einen hohen Grad plastischer Meisterschaft, so tritt hier das Weitere hinzu, daß der Künstler eine ebenbürtige Jünglings­gestalt darzustellen hat, und zwar derart, daß der Gegensaß gewaltiger Manneskraft und zarter Weiblichkeit im ganzen wie im einzelnen zum plastischen Ausdruck gelangt; wozu noch der Umstand kommt, daß die Gruppe den hochdramatischen Moment figiren will, wo der Jüngling die teure Beute mit dem linken Arm umschlingt, während er mit dem rechten die Keule schwingt, um die blutlechzende Bestie, die schon eine Branke geschlagen und zum tödtlichen Sprung sich angeschickt hat, zu zerschmettern. Man beachte noch den weiteren Kontrast, darin bestehend, daß das Weib die Furcht und das Zurückweichen, der Mann die mutige Aftion repräsentirt. Auch galt es, den Gegensaz der tierischen und menschlichen Körperformen in ihrer vollen Entfaltung zur Anschauung zu bringen und aus den drei Figuren eine Gruppe zu schaffen, welche sich nach den in matematischen Verhältnissen bedingten Gesezen der Symmetrie, des Linienrhytmus aufbaut. Der Künstler hat diese Auf­gaben vorzüglich gelöst. Josef Echteler   in München  , geb. 1853 zu Legau   im schwäbischen Oberland, hat sich in schweren Kämpfen vom Steinmezgesellen durch eigene Kraft und ohne Lehrer zum angesehenen