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Zur Kolonialfrage.

Von Bruno Geiser.

Noch eine andere herrenlose Küste wünscht Rohlfs bei der Frage, wo Deutschland   Kolonien errichten könnte, berücksichtigt zu sehen. Es ist das die Küste des Somalilandes im Nord­osten Afrikas  , die sich 1500 Kilometer lang vom Kap Gardafui  bis zum Aequator erstreckt und auch ein reiches Hinterland auf: zuweisen hat. Der südlichste Teil davon steht zwar dem Namen nach unter der Oberhoheit des Sultans von Zanzibar, aber eben nur dem Namen nach, und der nördliche Küstenstrich, 1200 Kilometer lang, ist vollständig herrenlos. Deutschland   brauchte also nur zuzugreifen, und sollte dies hier um so eher tun, als dem Somalilande, das an dem nächsten durch den Suezkanal erschlossenen Seewege von Europa   nach Indien   gelegen ist, in handelspolitischer Beziehung eine große Zukunft prophezeit wird. Schon das schöne Geld, was bis jezt nuzlos von deutscher Seite hinausgeworfen worden ist, sollte so meint der sach­fundige Herr Rohlfs- Deutschland bewegen, endlich in Afrika   sich festzusezen, wie es England und Frankreich   längst schon getan haben. Es mag in allem von der deutschen Afrikanischen Gesell­schaft", schreibt Rohlfs, in runder Summe eine million Mark" etwa in den lezten zehn Jahren verausgabt worden sein. Eine million Mark und gar kein praktisches Resultat! Den größten Teil des Geldes hat das Reich beigesteuert. Welchen Nuzen hat dasselbe nun davon gehabt? Wir wiederholen es: feinen! Denn wenn man selbst bedenkt, daß der Ruhm des ein­zelnen, den er sich durch eine wichtige Entdeckung erwirbt, auf die Gesammtnation, der er angehört, zunächst zurückfällt, dann muß man, will man aufrichtig sein, sagen, daß die Ergebnisse nicht im Verhältnis stehen zu den aufge= wandten Mitteln. Hat man in humanitärer Hinsicht ein Ergebnis aufzuweisen? Wir zweifeln daran. Hat man irgend welche große Entdeckung gemacht, eine wichtige wissenschaftliche Errungenschaft zu verzeichnen? Dr. Lenz hat allerdings von Marokko   die Sahara   quer hindurch bis Timbuktu   durchwandert, uns positiv den Nachweis geliefert, daß die westliche Wüste keine Depression sei; Dr. Pogge besuchte seinerzeit die Hauptstadt und den Hof des Muata- Yanvo. Dr. Pogge aber reiste nicht einmal im Auftrage der Afrikanischen   Gesellschaft; erst als er diesen Erfolg erzielt hatte, beeilte sich die Gesellschaft, ihn zu annektiren, dadurch, daß sie ihm seine Ausgaben ersezte, und konnte deshalb mit Befriedigung auf seine Reise zurückblicken. Das ist aber auch alles, was die Gesellschaft innerhalb der fast 10 jährigen Tätigkeit als nenenswert aufweisen kann. Soll die von mir gemachte Erforschungsreise nach Kufra   dazu zählen? Wenn man erwägt, daß diese Reise wenig Ausgaben verur­sachte, denn 20 000 Franks mußte die türkische Regierung der deutschen   Afrikanischen   Gesellschaft Schadenersaz leisten so kann sie als dritter Erfolg bezeichnet werden. Aber grade diese Erfolge haben die Mittel der deutschen   Afrikanischen   Ge­sellschaft verhältnismäßig wenig in Anspruch genommen. Alles in allem haben die Pogge- Rohlfs- Lenzschen Reisen zirka 60000 Mark gekostet."

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Nach Rohlfs sind also bei den deutschen   Bemühungen, Afrika  erforschen zu helfen, allermindestens 900 000 Mark, d. h. volle 90 Prozent der Gesammtausgaben einfach zum Fenster hinaus­geworfen worden. Keine humanitären und keine wissenschaftlichen, feine politischen und keine moralischen Erfolge wurden erzielt: das respektable Sümmchen deutschen   Geldes ist aufgegangen in eitel blauen Dunst.

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So sehr diese Tatsache fatal ist, insbesondere für die deutschen   Afrikareisenden und die deutsche Afrikanische Gesell­schaft, daneben auch für die deutsche Reichsregierung, welche der deutschen   Afrikanischen   Gesellschaft eine Reihe beträchtlicher Zu­schüsse geleistet hat, so sehr sollte sie nun auch ein Sporn zu energischem, planvollem, zweckentsprechenden und sofortigen Handeln sein.

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( Schluß.)

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das

Welch' ein Vorgehen zum Zweck solchen Handelns Rohlfs grade so sehr geboten erscheint als dem Schreiber dieser Zeilen, schlägt der Herr Sachverständige nun vor? Am Schluß seiner Arbeit sagt er:

sind

,, Kultiviren wir jezt jene Gegenden, welche noch zu haben Zehn Jahre hat Deutschland   verstreichen lassen; ist dieser Zeitraum noch einmal verflossen, so wird es für immer zu spät sein. - Wir raten daher entschieden ab, eine so vor­zügliche Kraft, wie Dr. Buchner es ist, auf eine neue Ent­deckungsreise auszuschicken. Lieber möge man ihm die Organi­sation einer Station übertragen an der Somaliküste, vielleicht an der Mündung des Djuba oder eines andren Flusses an der herrenlosen Somaliküste. Wir raten, Flegel, welcher in der Benue  - Niger  - Gegend jedenfalls wie zuhause ist, von weiteren Reisen abzuhalten und ihm dafür die Einrichtung einer Station aufzutragen im Aypotogebiet."

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Man" möge zwei bekannte deutsche Afrikareisende veran­Wer ist zunächst dieser lassen, Handelsstationen anzulegen Man"?

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Darüber gibt Rohlfs in der Einleitung seiner Abhandlung Aufschluß.

Er schreibt da:

" Von vornherein möchten wir der Ansicht Raum geben, daß wir dabei keineswegs an staatliche Kolonisation denken, sondern einzig den Landerwerb seitens Privater, oder auch seitens Gesellschaften im Augen haben, wobei eine spätere Verstaatlichung des gewonnenen Landes von selbst naturgemäß folgen würde. Denn einer politischen Annexion muß heutzutage, soll eine gesunde Kolonisation geschaffen werden, eine Besizergreifung durch Private voraus­gehen. Einzelne Häuser oder Gesellschaften müssen Faktoreien errichten, welche, wenn sie gedeihen und an Ausdehnung ge­winnen, später den staatlichen Schuz des Mutterlandes erhalten."

Dazu wird England als Beispiel angeführt, wo sich erst im Jahre 1880 eine Kapitalistengesellschaft gebildet hat, eine North Borneo  - Company, welche sich das nördliche Borneo durch Kauf von einheimischen Häuptlingen erworben hat und dadurch in Gemeinschaft mit dem von dem Radscha Brooke regierten Reich Sarawak auf der Nordwestküste von Borneo   die Umwandlung der reichen Insel Borneo  , die größer ist als Deutschland  , in eine englische Kolonie vorbereitet.

Weiter unten fährt Rohlfs fort:

, Die Regierung hat den besten Willen und unter Um ständen auch das Können, eventuell auswärtigen Kolonicbesiz für das deutsche Reich zu schützen. Man kann aber nicht ver­langen, daß sie in einer Weise vorgehe, welche Verwicklungen herbeizuführen imstande ist und dem Reiche Unannehmlichkeiten zuführen könnte. Die Initiative muß aus dem Volke hervor gehen, umsomehr, als der einzige Versuch, den die Regierung machte Samoa  - von der Oppositionspartei abgelehnt wurde." Gegenüber dem, was Herr Rohlfs inbezug auf die Er­werbung Marokkos   sagt, klingen diese seine Besorgnisse wegen etwaiger Verwicklungen und Unannehmlichkeiten beinahe komisch.

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Total unverständlich wird einem aber Herr Rohlfs, wenn man erwägt, was er in seiner sachverständigen Abhandlung über die deutsche Kapitalistenwelt sagt, aus der doch das Volt", welches die Initiative zur Erwerbung afrikanischer Ländereien und zur Anlage nuzbringender Handelsfaktoreien ergreifen soll, ausschließlich besteht.

" Unsere Kaufleute," meint er, abgesehen von einigen Häusern, lieben es nicht, Faktoreien, Komptoire oder Kultivationspunkte anzulegen, welche vielleicht erst nach einem Jahrzehnt Gewinn abwerfen. So unternehmend der Handelsstand in den hanse­atischen Städten ist, so etablirt er seine überseeischen Handels häuser ausschließlich in solchen Ländern, welche schon von irgend