-

Unter allen großen Philosophen des klassischen Altertums sind es wohl die drei genannten, Anaximander, Heraklit   und Empedokles  , bei denen wir die wichtigsten Elemente unserer heutigen monistischen Naturanschauung am Klarsten ausgesprochen treffen. Außerdem finden wir jedoch bei anderen Zeitgenossen oft ähnliche Entwicklungsgedanken wieder, so bei Thales, Anari­menes, Demokritus  , Aristoteles  , Lukretius u. s. w. Doch wurden diese verschiedenen Anläufe zu einer genetischen Naturanschauung bald um so mehr in den Hintergrund gedrängt, je mehr sich auf ihre Kosten eine ganz entgegengesezte Weltauffassung ent­wickelte, die von den Sophisten ausgehende Philosophie der Begriffe", welche in Plato   ihren Mittelpunkt fand.

Hatten jene naiven Empiriker der ionischen Philosophie die Gesammtheit der Welt aus natürlichen Ursachen durch mecha­nische Prozesse zu erklären versucht, so sezte nunmehr die pla­tonische Schule an deren Stelle die übernatürlichen Ursachen in Gestalt teologischer Ideen. So entwickelte sich eine Richtung des Denkens und Forschens, welche vom objektiven Naturerkennen abgewendet, vielmehr das subjektive Wesen des Menschen in den Vordergrund der Betrachtungen stellte, und welche während eines Zeitraumes von mehr als zwei Jahrtausenden in gesteigertem Maße ihren unheilvollen Einfluß ausübte. In völligem Wider spruch zu der Einheit der Natur, die durch den Kausalzu sammenhang ihrer Erscheinungen überall bewiesen wird, ent­wickelte sich mächtig der durch Plato   erfundene Dualismus, ein Schroffer Gegensaz zwischen Gott   und Welt, zwischen Idee und Materie, zwischen Straft und Stoff, zwischen Seele und Körper. Die zahllosen Formen der organischen Natur, die wir als Tier- und Pflanzenarten unterscheiden, erschienen nun nicht mehr als verschiedene Entwicklungsstufen gemeinsamer Stammformen,

171

"

sondern als Verkörperungen von eben so vielen eingeborenen, ewigen und unveränderlichen Ideen", als konstante Spezies, oder, wie Agassiz  , Darwins größter Gegner, sagte, als: Verkörperte Schöpfungsgedanken Gottes."

-

Dieser Platonismus fand seine stärkste Stüze in den ent­gegenkommenden Dogmen des Christentums, welches Abwendung von der Natur predigte. Noch mehr begünstigte beide der zu­nehmende Verfall der Wissenschaften, welcher auf die tragische Zerstörung des edlen Hellenentums folgte. In der ganzen langen Geistesnacht des christlichen Mittelalters gab es keinen selbständigen Anlauf zu einer monistischen Naturanschauung auf Grund empirischer Forschung. Allerdings fehlte es nicht an derartigen Anläufen auf dem Gebiete der reinen Spekulation. Insbesondere sind die panteistischen Systeme von Giordano Bruno   und von Benedikt Spinoza   im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert bewunderungswürdige Versuche, zu einer einheit lichen und natürlichen Weltauffassung zu gelangen. Allein diese panteistischen Kosmologien, welche in allen materiellen Dingen eine bewegende Weltseele in untrennbarer Einheit annehmen, waren doch vorzugsweise auf das Gebiet der Sittenlehre, der praktischen Philosophie berechnet und entbehrten allzusehr der erfahrungsmäßigen Begründung durch die unmittelbare Natur­beobachtung; eine solche gab es eben damals noch nicht. Viel­mehr war das ganze Sinnen und Trachten der meisten Denker jenes Zeitraumes von der Natur abgewandt und lediglich auf den Menschen gerichtet, den man als außerhalb und über der Natur stehend ansah. Es vermochten daher auch jene monisti­schen Systeme zu feiner Geltung gegenüber dem allmächtigen | Dualismus zu gelangen, der durch den Platonismus und das Christentum zur allgemeinen Herrschaft gelangt war.

Das Jubiläum des Streichzündholzes.

Von Realschullehrer O. Lehmann.

Ein Jubiläum seltener Art ist es, das wir in diesem Jahre begehen: die fünfzigjährige Erinnerung an die Erfindung eines an und für sich zwar recht unscheinbaren Gegenstandes, der aber von tiefeinschneidender Wirkung auf die Entwicklung bon Haus und Küche geworden ist, aber auch zugleich große Gefahren in der Hand Unvorsichtiger herbeiführen kann. Ich meine die Erfindung des Streichzündholzes. Um sich die große Tragweite dieser wichtigen Erfindung so recht zu vergegen­wärtigen, verseze man sich in die Zeit vor der Erfindung dieses winzigen, jezt unentbehrlichen Haus- und Küchenbedarfsartikels, in die Zeit vor dem Jahre 1832, wo man für Tabak und Cigarre den Zündschwamm und die Glimmholzbüchse", für den Küchenherd und Ofen, sowie für die Dellampe aber Zunder mit Stahl und Stein, oder Schwefelsäden( Tunkhölzchen) und Schwefelspähne gebrauchte. Man begleite in Gedanken den Rei senden von damals, der, nachdem er das Haus verlassen, sein Pfeifchen hervorholt, darauf nach dem perlenbestickten Tabaks beutel greift, und ersteres zu stopfen beginnt. Nachdem dies glücklich ausgeführt, tritt an Stelle des Tabaksbeutels Stahl, Stein und Schwamm und das Feuerschlagen nimmt seinen An­fang. Wollte es nun der Zufall, daß der Schwamm hart oder nicht ganz trocken, so war die Not groß, und nicht selten ge lang es, erſt furz vor dem Ziele mit Dampf weiter zu segeln." Ebenso umständlich war es, das Feuer in der Küche zu ent­zünden, wo erst der Blasebalg mit voller Kraft den durch einen Funken vom Stahl entzündeten Zunder zu heller Flamme an

des Feuers, und wie einfach und bequem ist es heutzutage den Menschen in dieser Beziehung gemacht!

Wie es aber nur zu oft geschieht, so erntete auch hier der Erfinder wenig Dank und Vorteil von seiner Erfindung. Bu genannter Zeit, also anfangs der dreißiger Jahre dieses

-

"

Jahrhunderts, saß auf dem Hohenasperg   in Würtemberg ein gefährlicher Demagog und Revoluzzer", Namens J. F. Kam­merer, der daselbst wegen Beteiligung an der hambacher Volks­versammlung längere Zeit unschädlich gemacht" war. Als Chemiker vertrieb sich Kammerer die Langeweile mit chemischen Experimenten, wobei er auf den Gedanken kam, Zündhölzer herzustellen, die durch bloßes Reiben in Brand geraten. Er wandte den Phosphor an und erfand nach einigen vergeblichen Versuchen die Reibzündhölzchen. Da aber zu jener Zeit noch kein Schuz für Erfindungen im deutschen Vaterlande existirte ( die ersten Vereinbarungen deutscher Regierungen über Patente datiren vom Jahre 1842), so hätte Kammerer von seiner Ent­deckung nur Nuzen ziehen können, wenn er imstande gewesen wäre, unverzüglich eine Fabrik zur Herstellung von Streich­

hölzern anzulegen. Zwar suchte er sofort, als er seine Freiheit wieder erlangt hatte, um eine Konzession dazu nach; doch statt der Genehmigung sandte ihm die Regierung ein strenges Verbot. Der Bundestag in Frankfurt am Main   erließ sogar für alle 33 Staaten ein Gesez, welches die Anwendung der höchst feuer­gefährlichen" Reibzündhölzer strengstens verbot. Dieses Verbot blieb sechs volle Jahre in Kraft.

-

Inzwischen war eine Partie der neuen kleinen Lichtspender dennoch in die Welt gekommen

und hatte, weil im Vaterland absolut nicht verwendbar, nach Frankreich   und England den Weg gefunden. Nicht lange nachher maßßte sich ein Sohn Albions  , der Apoteker Walter in Stockton  ,

das Verdienst der Erfindung an und begann die nachgemachten

Reibzündhölzer zu versenden. Es entstanden nach und nach im

Auslande zahlreiche Fabriken, die fremden Staaten bemächtigten sich der neuen Industrie, die Hölzchen fanden Absaz, wohin sie kamen, und zulezt, als alle Welt sich der neuen Erfindung be= diente, mußte auch die deutsche Polizei, weil sie nicht mehr

anders konnte, die Anfertigung freigeben. Mittlerweile hatte