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noch als lachende Flur erschien, als farbenprangender Garten voll schöner Blumen, süßer Früchte und lieblich murmelnder Duellen, und wir selbst, den Schmetterlingen gleich, mit leichtem Sinn und fröhlichem Flug, von Blüte zu Blüte gaufelten, und wir noch sorglos tändelten unter der schirmenden Obhut der liebenden Eltern, die uns des Daseins Bedürfnisse darreichten mit frei­gebigen Händen. Aus diesem goldenen Zeitalter unseres Lebens malt uns das Fest anmutige Bilder mit leuchtenden Farben auf Goldgrund. Wir sehen uns im Geiste wieder im traulichen Kreise unserer Lieben in der Stunde der Dämmerung. Eine rüstige Frau mit einnehmenden Gesichtszügen und sanften Augen ist geschäftig, die Kerzchen anzuzünden am grünen Tannenbaum mit den vergoldeten Nüssen und Aepfeln. Abseits im Lehnstuhl sizt ein Mann von ernſtem aber wohlwollendem Wesen, die lange Tabakspfeife im Munde, und richtet seinen freundlichen Blick bald auf das geschäftige Treiben der Mutter, bald auf uns Kinder, die wir, mit Klopfendem Herzchen der Dinge harren, die da kommen sollen. Und nachdem sämmtliche Kerzchen brennen und wie funkelnde Sterne das Gemach erhellen, erhebt sich der Vater, die Mutter ruft uns mit liebreichen Worten und ent­fernt die Hülle vom Weihnachtstisch. Ein vierstimmiges, freudig staunendes Ah! jubelt auf, denn da liegen die Herrlichkeiten, die wir uns lange sehnsüchtig gewünscht hatten, für Bruder Martin Säbel, Flinte und Patrontasche, für Schwester Hedwig eine prächtig gepuzte Puppe, für mich ein Kegelspiel und für die fleine Dorothea ein prachtvolles Bilderbuch. Daneben mehrere fleine Berge von Süßigkeiten und Backwerk. Wir waren glück­lich, wir waren glückselig, denn unsere kühnsten Wünsche waren erfüllt. Wie selten sind solche Augenblicke in den späteren Lebensaltern! Hartnäckig versagt oft das Schicksal dem Menschen, was er heiß ersehnt. Mag er den Acker seiner Wünsche noch so emsig bestellen, noch so eifrig pflegen, er reift nicht die Frucht, wonach er lechzt. Enttäuschung um Enttäuschung kommt über den Menschen, der Glaube an unsere Riesenkraft beginnt zu wanken, aschgraue Resignation tritt an die Stelle der rosigen Hoffnungen und endlich erfahren wir die Wahrheit des Dichter worts : Wenn Fantasie sich sonst mit kühnem Flug und hoff nungsvoll zum Ewigen erweitert, so ist ein enger Raum ihr nun genug, wenn Glück um Glück im Zeitenstrudel scheitert." Nicht mehr als lieblicher Garten erscheint uns die Welt, sondern häufig als öde Steppe, wo weit und breit kein Quell rieselt, kein Blümlein sprießt, keine Frucht einladet zur Erquickung und Not und Sorge den Menschen angrinst mit schrecklichen Augen, wo giftige Schlangen horsten und ihren Geifer auf uns sprizen. Vieles auch, was dem jugendlichen Auge reizvoll, herrlich, er­haben schien, erweist sich in reiferen Jahren als trügliche Fata Morgana, als Luftgebilde, Schein und Täuschung, während wieder anderseits auch das wahrhaft Große und Schöne nur selten noch lebhaft auf unser Gefühl wirkt, weil uns die Em­pfänglichkeit fehlt, weil das Gefühl im schweren Kampf ums Dasein sich abgeſtumpft hat und der Spiegel der Seele getrübt ist. Treffend singt Byron: Nie mehr, o nie mehr wird wie Tau die Frische meines Herzens mich durchdringen und meiner Brust aus jeder holden Schau stets neue liebliche Gefühle bringen, so wie die Biene Honig bringt zum Bau: Glaubst du, der Honig quell in jenen Dingen? D nicht in ihnen, deine eigne Macht ist's, die den Duft der Blume süße macht." Aber überschäzen wir nicht den Wert der Jugend troz ihrer unleug­baren Vorzüge? Ergeht es uns nicht wie den Lobrednern ver­gangener Zeiten, welche nicht müde werden, auf die entschwun­denen Kulturepochen Psalmen anzustimmen und ihnen Elegien nachzuweinen? In der Tat ist es im Grunde Halluzination, wenn wir das Glück der Jugend allzuhoch anschlagen und sie rührt daher, daß wir die Eigenschaften des reiferen Alters in sie hineinfabeln, die Vorzüge beider Epochen vereinigt denken. Schlingt sich doch in früher Kindheit die Binde der Unwissen heit um das Verstandesauge, das Licht des Denkens ist noch wie von dichtem Nebelschleier eingehüllt, der Geist führt ein traumartiges Halbschlummerleben. Und in der Zeit der reiferen Ingend, da durchbrausen das Herz die Stürme der Leiden­

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schaften, wilde Begierden machen es oft zum Vulkan, der heiße Lava ausspeit, sich und andern zum Schaden, allerlei Irrfahrten kreuzen die Bahn des Jünglings, locken ihn auf Abwege und an gähnende Abgründe. Wahres Glück wird nur empfunden bei innerem Frieden, der durch die mühsam zu erwerbende Kunst der Selbstbeherrschung errungen wird, durch die Macht der Ver­nunft, welche die empörten Wogen der Seele glättet wie Neptun mit seinem Dreizack die Wellen der See. Echtes Glück ge­nießt der Mensch nur im hellen Lichte der Erkenntnis, mag in ihm auch manche Illusion zerfließen, der Geist sendet dafür seine Strahlen um so weiter aus, erfaßt die Objekte seines Interesses um so inniger und tiefer, saugt um so kräftiger an den Blütenkelchen des Daseins und strömt ihren Honig dem Herzen zu. Höheres Glück endlich als das passive Genießen gewährt das energische Handeln, die zweck- und zielbewußte Tat, die erfolgreiche Arbeit, ob sie mit Feder, Meisel, Art oder Pflug vollführt wird, die Tätigkeit, deren Vollbringer im innern Herzen spüret, was er erschafft mit seiner Hand". Wohl dem, dessen Hand nicht lediglich im Dienste des rohen Genusses tätig, dessen Herz nicht egoistisch eingeschrumpft ist; wohl dem, der für das Wahre, Schöne und Gute offenen Sinn hat, dem das Wohl und Wehe der Gesammtheit nicht gleichgültig ist, der sein Interesse, seine Tatkraft nicht allein dem eigenen Ich zuwendet, sondern auch dem Allgemeinen, der Vervollkommnung menschlicher Zustände, der Förderung der materiellen und geistigen Kultur, der mit Opferfreudigkeit sich beteiligt an dem erhabenen Werk der Kulturentwickelung. Wohl dem, der in dem Schiff bruch seiner Hoffnungen das eine, das höchste Gut sich gerettet, die idealistische Gesinnung. Er kann mit dem Dichter sprechen: non omnis moriar( Nicht ganz werde ich sterben)! denn wenn auch sein Ich dahinsinkt, das was er für die Menschheit ge= wirkt, wäre es auch noch so unscheinbar, überlebt ihn und trägt seine Früchte, welche die kommenden Geschlechter einheimsen. Ihm mag das Weihnachtsfest ein sinniges Symbol sein, das Symbol eines Frühlings mitten im Winter. Denn auch im Winter des Lebens, wenn das Greiſenalter seinen Schnee ihm aufs Haupt gestreut, Mark und Säfte aus den Gliedern ge sogen hat, das Feuer der Augen erloschen ist, ein Frühling lebt ihm im Herzen, der glorreiche Frühling der Menschheit, der früher oder später erscheint. Wohl auch dem, der ein liebendes Herz gefunden, ein wackeres Weib, eine treue Genossin auf der Reise durch das Leben.

Du heiliger Bund von Mann und Weib, du gibst erst das Leben, Da schlingt sich ums Haupt das ird'sche Glück in lieblich ge­das ganze! schlossenem Kranze. Halb ist der Schmerz, verdoppelt die Lust und naht erst dem Bunde Dreieiniges Glückwer dich nicht kennt, lent seitwärts weinend die Schritte.

das Dritte:

Kindersegen! Wären sie auch noch so groß, die Mühen und Welch reicher Duell von Glückseligkeit entspringt aus dem Sorgen, welche die Pflege, die Erziehung, Heranbildung und lich aufgewogen durch die tausend süßen Freuden, die sie dem das Fortkommen der Kinder mit sich führen, sie werden reich­Elternherzen gewähren.

Will keine Freude dich erquiden,

Verzehrt das Herz dir Gram und Bein, Dann schau mit still gefaßten Bliden In deines Kindes Aug' hinein.

In seinen Tiefen wird versinken Die Welt mit ihrem Gram und Leid. Aus ihm wird dir ein Himmel winken Boll nie geahnter Seligkeit.

nachtsfest eigentlich geweiht. Wie es ein Fest für die Kinder In dieser reinen Wonne zu schwelgen, hierzu ist das Weih­ist, so ist es auch ein Fest für die Eltern, ein Fest der Eltern freude, der Freude der Eltern an den Kindern, und das ist es auch, was der christlichen Legende von der Geburt Jesu ihren ewig frischen Reiz verleiht. Nicht in dem Uebernatürlichen, sondern in dem Reinmenschlichen liegt das Geheimnis ihres