Zaubers, wie sie auch von den großen Malern und Bildhauern der Renaissance aufgefaßt und in zahllosen Variationen fünst lerisch dargestellt wurde. Was uns bezüglich des Stoffs an einer raphaelschen Madonna anspricht, ist das unendliche Mut­terglück, das da verkörpert ist, und nicht die Freude an der Geburt des Gottsohns, sondern die reine Elternfreude und die unvergleichliche Kindesanmut leuchtet uns aus den zahlreichen Darstellungen der heiligen Familie entgegen. Eine Darstellung holdseligster Kindesanmut haben wir auch auf dem einen unserer vier Weihnachtsbilder, das Weihnachtsmorgen" betitelt ist, einem röstelschen Gemälde, welches unser Holzschnitt vortrefflich reproduzirt und der Dichter der Neuen Welt" mit poetischem Texte begleitet. Wenden wir den Blick von dem fesselnden Bilde, den beiden reizenden Menschenknospen auf die voll­erschlossene Rose, die das Bild:" Zum Feste geschmückt" zeigt, so tritt uns ein Meisterwerk der Natur vor Augen. So mochte Krimhilde   ausgesehen haben, als der glückliche Siegfried mit ihr in die Heimat zog. Doch nein, nicht ganz so; denn aus dem Auge unserer Schönen blickt ein träumerisches Sehnen, welches darauf hindeutet, daß Freia  , die Göttin der Liebe, die schlummernde Minne in ihrem Herzen noch nicht wach gefüßt, daß der Tau der Unschuld noch auf ihrer jungfräulichen Seele liegt. Mit weißem leichten Flor hat sie die kräftige Büste umhüllt und das Haupt geschmückt, durch die weichen Locken zieht sichs wie Schneeflocken, das Haar ist wie mit Reif bedeckt, so wandelt sie, eine Göttin des Winters, zum erstenmal in die glanzerfüllten Räume, welche die vornehme Welt zur Weihnachts­soirée versammelt. Mit Entzücken folgen alle Männeraugen der blendenden Erscheinung, mit Entzücken lauscht man dem Wohllaut ihres Gesangs. Es ist das Wunderwerk bräutlicher Sehnsucht, das sie mit ihrer Silberstimme vorträgt, die Arie in Figaros Hochzeit  : ,, Deh vieni, non tardar"( D säume länger nicht, geliebte Seele 2c."), eine Weise, welche den köst lichsten Duft feufchester Zärtlichkeit aushaucht und in welche die Sängerin das unbestimmte Sehnen eines vollen Herzens melo­disch ausströmt. Niemand aber ist an diesem Abend glücklicher als ihre Eltern, besonders da ein entusiastischer Schöngeist seine Gefühle in die homerische Reminiszenz, die Worte des Odysseus an Nausikaa  , fleidet:

Dreimal jelig dein Vater fürwahr und die würdige Mutter, Dreimal felig die Brüder zugleich! Muß ihnen das Herz doch Stets vor entzüdender Wonn' ob solcher Schöne durchglüht sein! Einer der alten Weisen soll einst beim Anblick einer unge­wöhnlichen Frauenschönheit heftig geweint und nach dem Grund befragt geantwortet haben: Ich weine, weil solche Schönheit einmal im Staube modern wird.- Warum bin ich vergäng lich, o Zeus  , so fragte die Schönheit. Macht' ich doch, sagte der Gott, nur das Vergängliche schön. Und die Liebe, die Blumen, der Tau und die Jugend vernahmens; alle gingen sie weg, weinend, von Jupiters Tron( Goethe).- ist vergänglich, die Schönheit aber ist unvergänglich und treibt immer neue, reiche Blüten, im Palast wie in der Hütte, in der verfeinerten Stadt wie auf dem Bauerndorf. Der leztge­nannten Sphäre gehört die Heldin unseres dritten Weihnachts bildes an, welches die Unterschrift trägt: Freudige Botschaft". Sie iſt eine derbere Schöne als die vorgenannte, eine schmucke

Alkes Schöne

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Feldblume, die das Weihnachtsfest statt in den Salon in die Kirche geführt hat, in Gesellschaft ihrer Mutter, der Hofbäuerin, und ihrer jüngeren Schwester, eines allerliebsten Backfischchens. Dort hat sie gewiß auch an ihren Liebsten gedacht und fromme Wünsche zum Himmel für ihn emporgesendet, der in der fernen Garnisonsstadt zum Vaterlandsverteidiger eingedrillt wird. Auf dem Heimweg soll ihr eine frohe Ueberraschung zuteil werden. Der Briefbote, um sich den langen Weg auf den einsamen Hof zu ersparen, hat sie am Kreuzweg erwartet und händigt ihr das redende Blatt" ein, das ihr in ortographisch und stilistisch sehr fragwürdigen Säzen zu wissen tut, daß der Christian auf Neujahr Urlaub bekommen und auf mehrere Tage nachhause kommen wird. kommen wird. Diese Nachricht freut sie mehr als der neue vierschrötige Regenschirm, den sie gestern Abend nebst Stoff zu einem Kleid als Christkindle" bekommen hat und der schon heute Gelegenheit hat, seine Schuldigkeit zu tun, indem er sein breites Dach über die drei Frauen ausspannt, um sie vor der Unbill des Schneegestöbers einigermaßen zu schützen. Aber auch die Mutter ist überrascht; sie hatte keine Ahnung von dem zärt­lichen Verhältnis ihrer Tochter. Die Entlarvte so streng als möglich anblickend ruft sie: Käterle, ich glaub gar, du hascht a Liabschaft?!" Kaum ist das Wort dem Gehege ihrer Zähne ( vorausgesezt daß sie noch solche befizt) entflohen, so ruft schon das naseweise Nanele, der Schwester die Antwort ersparend: Der isch vom Christian!" Das Weihnachtsfest hat das Herzens­geheimnis enthüllt, und wir wollen hoffen, daß Käterles Wahl keine unpassende war und der Christian würdig befunden wird, des reichen Hofbauern Eidam zu werden.- Die Dame auf unserem vierten Bilde, einer köstlichen Weihnachtshumoreske, be­titelt: Weihnachtsschmaus", hat den Zenit der Schönheit längst überschritten und ist bereits in das Matronenalter vor­gerückt. Die einsam stehende längst ausgediente Pfarrersköchin hat wohl noch niemals so viele Kutten in Pfarrers Speise­zimmer beisammen gesehen, als heute, wo die Gottesmänner, mit welchen sie längst auf bestem Fuße steht, einen solennen Weihnachtsschmaus daselbst improvisiren. Man muß es ihnen lassen, es sind rührige, joviale Gesellen, und sie verstehen sich auf die appetitlichste aller schönen Künste, die Kochkunst, so gut als die einst gefeierte Priesterin der Küche, welche in würdiger Haltung zwischen dem offenen Schrank und dem Tisch mit den fünf Gedecken steht, ein Gläschen zu reinigen, das mit seinen Gefährten heute mehr als einmal geleert werden wird, denn der Rebensaft, den die ihre Hälse aus dem Korb so anmutig herausstreckenden Flaschen bergen, ist gewiß nicht von schlechten Eltern. Welch kostbare Figur macht der vierschrötige, bärtige Mönch mit der Kaffeemühle, wie komisch nimmt sich im Hinter­grund der hagere mit dem Kochlöffel, oder der bebrillte mit dem Baret und der Küchenschürze aus, und der lange ist schon

ganz in andächtiger Verzückung ob der feinen Tröpfchen, die

er zu entkorken im Begriffe ist. Aber die fünf Gedecke reichen

nicht. Die Tür öffnete sich abermals und neue Mannschaft

rückt auf den Schauplaz zur Ueberraschung der alten Dame und ihrer treuen Hauskaze. Was die beiden Heiligen herbei­schleppen, Melone und Baumkuchen, ist auch nicht zu verachten. Es wird eine recht vergnügte Weihnachtsfeier geben, dergleichen wir auch allen unsern Lesern von Herzen wünschen.

Serena.

Eine venetianische Novelle von Max Vogler.

St.

( 6. Fortsezung.)

Lob hörte sie nun von Camillo zum zweitenmale, und es mußte Menschen fam, von welchem sie auf das bestimmteste wußte, Ein auf so innigem Verständnis ihres Wesens beruhendes Achseln zuckten, und als es andererseits aus dem Munde eines Buge galt, für welchen alle anderen in ihrer Umgebung seiner unwürdig erschien. Sie wehrte dieses schöne Lob darum doch völlig verständnislos waren, als es sich auf Hand- auch jezt nicht ab, wie das erstemal, sondern nahm es mit Ent­lungen bezog, über welche ihre Angehörigen meistens nur die zücken in ihr Innerstes auf, indem sie zugleich ihre Blicke in