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unzweideutig ausgesprochenen Wünsche, was würde er sagen, wenn er erführe, welche Szene sich vorhin zwischen ihr und Camillo abgespielt, wenn sie ihm offenbarte, wem ihres Herzens und sie tiefgeheime Neigung galt, würde er jemals schauerte zusammen bis ins innerste Mark hinein, als sie sich diese Frage vorlegte ein Verhältnis zwischen ihr und Camillo gutheißen, war auch nur daran zu denken, daß er in eine Ver­bindung zwischen ihr und dem jungen Maler einwilligen und sie segnen würde?

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Diese Gedanken folterten ihr Herz, und eiskalter Schweiß trat ihr auf die Stirn. Dann sing sie an bitterlich zu weinen, berbarg das tränengebadete Gesicht in beide Hände und ver= brachte so eine einsame Dämmerstunde, bis die Glocke, eher als sonst, sie zum Abendessen rief. Einen Augenblick zögerte sie, ob sie diesem Rufe folgen sollte, jezt, wo ihr ganzes Wesen vor innerster Aufregung zitterte, wo ihr die Augen voll Tränen standen und sie es kaum über sich gewinnen könnte, den Leidens sturm ihrer Seele anderen Blicken zu verbergen.

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Aber sie wollte. Vielleicht erwies sich gerade das Zu sammensein mit anderen heilsam, vielleicht klärte es ihre Em­pfindungen und brachte sie zu einem bestimmten Entschluß, welcher den Krampf, der ihr Herz umschloß, lösen würde, selbst der Gedanke, ihn, den Grafen von Larente, von dessen Besuch sie im Laufe des Nachmittags gehört hatte, noch an­wesend und mit bei Tische zu finden, schreckte sie nicht zurück; es reizte sie vielmehr ein eigenartiges Verlangen, in diesem Aufruhr aller ihrer Gefühle ihm gegenüberzutreten ihm, gerade ihm!...

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Und sie trocknete die tränenfeuchten Augen und ging; sie crschien, etwas spät zwar nach dem vorhin durch den Korridor ergangenen Glockenruf, nicht in jenem Gemach, in welchem sie am Nachmittage mit den Ihren beisammen gewesen war, son­dern in dem nebenan gelegenen großen Speisesaal, wo man, wie immer, wenn das Haus Gäste bewirtete, so auch heute die Tafel hergerichtet hatte.

Ja, der Graf war da und nahm, als man sich zu Tische sezte, auf des Marchesen Einladung hin zwischen ihr und der Marchesa plaz. Einmal, als sie ihn mit falter Höflichkeit be­grüßte, sah sie ihm ins Gesicht. Dann während der ganzen Dauer des Abendessens nie wieder, so oft ihr auch der gesell schaftliche Takt die Pflicht auferlegte, auf seine häufig an sie gerichteten Worte zu entgegnen. Kurz und einfilbig genug tat sie's freilich immer.

Es lag daher auch über der kleinen Tischgesellschaft eine gleich peinlich gedrückte Stimmung, wie sie während der lezten Stunden drüben in dem prunkvollen Zimmer zwischen dem Grafen, dem Marchese und seiner Gattin gewaltet hatte, und so sehr sich namentlich die leztere bemühte, eine einigermaßen rege Unterhaltung herbeizuführen, scheiterte doch jeder dieser Versuche an der freilich durch die verschiedensten Ursachen her vorgerufenen verdrießlichen Schweigsamkeit der anderen.

Kaum war das Mahl beendet, so stand Serena auch schon auf und wollte sich verabschieden. Alles Bemühen des Mar­chese, sie aufzuhalten, war auch jezt ohne Erfolg. Sie erklärte mit einer gewissen Verlegenheit, die auch schon während der Dauer des Essens an ihr hervorgetreten und dem Vater keines wegs entgangen war, sich nicht ganz wohl zu fühlen und sich in ihr Zimmer zurückziehen zu müssen. Selbst das vom Grafen noch einmal neu gefüllte und ihr von ihm dargereichte Cham pagnerglas schlug sie aus, so daß dieser das feingeschliffene Gefäß, welches er selbst in der Hand hielt und das er mit dem ihren hatte zusammenklingen lassen wollen, ohne es an die Lippen zu sezen, mit schlecht verhohlenem Mißmut wieder auf das kostbar gewürfelte Tischtuch niedersezte. Ebenso höflich falten Tons, wie es allem, was sie vorher gesprochen hatte, eigen gewesen, eine gute Nacht wünschend, war sie hinaus­gegangen.

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Sobald sie wieder in ihrem stillen Zimmer angekommen war, hatte sie tief aufgeatmet, als sei ihr ein schwer Alp vom Herzen gefallen. Die Gesellschaft, in der sie sich bei Tische befunden, hatte beängstigend und beklemmend auf sie gewirkt; vor allem war ihr das Wesen des Grafen von Larente noch niemals so blöde und oberflächlich erschienen, während sie an dem Vater, welchem sie mit so großer, wirklich aufrichtiger Liebe zugetan war, nichts als das ihr äußerst ärgerliche Bestreben, sie mit dem Grafen in ein regeres Gespräch zu verwickeln, wahrnahm und die Marchesa endlich ihr noch nie so vornehm falt zurückhaltend, so teilnahms- und empfindungslos wie während der lezten Stunde vorgekommen war.

Und so hatte allerdings ihre Anwesenheit bei Tische die Wirkung gehabt, ihr das Gefühl einer gewissen Entfremdung gegenüber dem Kreise, den sie eben verlassen, fühlbar zu machen, vor allem aber ihr die tiefe Abneigung, die sie gegen den Grafen empfand, mehr denn je zum Bewußtsein zu bringen und ihm gegenüber das Bild Camillos mit all seiner einnehmen­den Gewalt in aller Deutlichkeit vor sich erstehen zu lassen. Und wie jezt ihre Gedanken wieder in den Marmorsaal und zu dem, was sich vor einigen Stunden in demselben zugetragen, zurückgingen, schwanden ihr fast alle Bedenken, und sie fühlte nur noch den süßen Zwang, mit dem es ihr ganzes Weſen zu dem schönen jungen Manne mit der edlen Seele und dem reichen Geiste hindrängte.

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Und war es nicht eben auch jener unwiderstehliche Zwang gewesen, der sie vorhin mit magischer Gewalt ergriffen, daß sich ihrer eine Art seliger Betäubung bemächtigt und sie so rasch und wider Willen ihm in die Arme gesunken war? Und hatte dieselbe geheimnisvolle Macht nicht auch ihn ganz und gar gefangen genommen? Hatte er ihr nicht gesagt, daß es ihn von Anfang an zu ihr hinübergezogen, daß sie bei jedem Pinselstrich, den er getan, sein Gedanke gewesen, daß ihn ihr Angedenken immer umschwebt, von der Stunde an, seit er sie gesehen, gleichwie, sie gestand es sich jezt- gleichwie sie das seine, hatte er es ihr denn nicht deutlich ausgesprochen, daß er sie liebe?

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Seine lezten Worte, die dieses Geständnis enthielten, waren ihr vorhin nur wie himmlische Musik ins Herz gedrungen, und sie hätte sie in jenen Augenblicken kaum zu wiederholen ver mocht; jezt famen sie ihr in all ihrem seligen, bedeutungs­reichem Inhalt wieder flar ins Gedächtnis, sie empfand es nicht blos, sie wußte nun, was er ihr damit gesagt, welch heiligste Empfindung ein edles Herz, wie das seine, damit aus­gesprochen hatte, es wurde ihr in seiner ganzen, weit tragenden Bedeutung bewußt, was sich zwischen ihr und ihm vollzogen.

" Serena, du mein Alles!" hatte er dann noch gesagt, und sie schauerte selig zusammen und schalt sich eine Törin, daß sie geglaubt, ihre leidenschaftliche Hingebung könne ihn auch nur einen Moment befremdet haben. Nein, nein! er fonnte keinen Augenblick an der Reinheit ihrer Empfindung zweifeln,

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war

er doch von denselben Gefühlen wie sie geleitet worden, und war doch die süße Betäubung ihres Gemüts, die sie alles andere hatte vergessen lassen, nur die mit voller Notwendigkeit eingetretene Folge seines unerwarteten, beredten Werbens, und hatte sie ihm darauf doch nur die Antwort gegeben ,. zu der ihr innerstes Herz sie drängte, -die einzig mögliche Antwort, die sie ihm geben konnte.

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Und er sollte, so kam ihr jezt, da sie wieder daran dachte, in wie seltsamer Weise sie von ihm gegangen, der Ent schluß schluß er sollte nicht zu zweifeln brauchen, ob sie ihm die­selbe Antwort auch bei ruhiger Ueberlegung, nicht in leiden­schaftlicher Aufregung flüchtigen Augenblicks, geben würde, ja, sie würde sie ihm zu jeder anderen Stunde in gleichem Sinne gegeben haben.

( Fortfczung folgt.)