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waltsam in meine Arme. Wie lange der Rausch meiner Selig­keit gedauert, weiß ich nicht zu sagen; als ich endlich zu mir kam, da gewahrte ich zu meinem furchtbaren Schrecken, daß mein Mädchen eine Ohnmacht umfangen hatte- das war gewiß nur zu natürlich nach den entsezlichen Aufregungen und Anstrengungen der lezten Stunden

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" Denen deine sigfriedhafte Art zu freien, glücklichster aller Pechvögel, allerdings die Krone auffezte," ficl Richard Hermental cin, so etwas ist mir allerdings noch nicht vorgekommen. Zuerst stößt der Mensch seiner Zukünftigen fast den Kopf ein und bohrt ihr beinahe mit seiner allerdings ihrer Form nach zur gefährlichen Stoßwaffe ganz geeigneten Nase fast das Auge aus, dann läßt er sie fünf Stunden lang in Nacht und Graus den Heilgehilfen spielen und zuguterlezt führt er vor ihr ein Schauspiel auf, das selbst gänzlich unangegriffene Weibernerven auf das empfindlichste irritiren würde, drückt sie, preßt sie, quetscht sie mit seinen ungeschlachten Liebkosungen halb oder gar Dreiviertel tot." Nun

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ich kann eben den Pechvogel niemals ganz ver­leugnen. Schlecht bekommen ist's aber meiner Helena am Ende doch nicht und verziehen hat sie mir auch alles was ich an ihr gesündigt. Sie ist übrigens nicht nur ein ungewöhnlich schönes, sondern auch geistig und körperlich ein ungewöhnlich fräftig organisirtes Weib

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" Wie es sich für die Brunhild eines solchen Helden schickt," schaltete Hermental ein. Weißt du denn aber jezt, von wannen sie ist und wie ihr Familienname lautet, ich traue dir zu Nein, nein," lachte Herder. Mehr als ich dir eben ge­beichtet, brauchst du mir nicht zuzutrauen, Faust. Sie heißt Helene Heideck und ist die Tochter des ehrsamen Bürgermeisters der guten Stadt Angermühl."

Ein Bürgermeistertöchterlein aus einem Krähwinkel Pechvogel, das hängt deiner hochpoetischen Verlobungsgeschichte ein gut Stück Prosa an."

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" Nicht nur Prosa, Bester, über die würd' ich mich in den Armen einer wahrhaftig nicht prosaischen Braut schon zu trösten wissen, sondern sogar Pech- und daran wirst du deinen Pechvogel wieder erkennen. Mein Herr Schwiegervater- ich sage nicht Schwiegervater in spe, denn von Hoffnung braucht da nicht mehr die Rede zu sein, wo absolute Gewißheit herrscht mein Herr Schwiegervater also ist ein äußerst bedächtiger Herr und verfügt über einen beträchtlichen Vorrat bedenklicher Grundsäze. Zunächst betrachtet er seine oder vielmehr meine Helene troz ihrer neunzehn Jahre noch ganz wie ein Kind, bei dem kein Mensch an Verlobung, viel weniger an Heirat denken könne. Wiederholt und sehr ernstlich hat er ausgesprochen, daß ehe sie nicht wenigstens 25 Jahre alt ist, an eine eheliche Verbindung nicht mit einer Silbe gedacht werden dürfe. Dann gedenkt er, wie so mancher vorsorgliche Vater, sich seinen Schwiegersohn selbst und zwar in Angermühl oder seiner nächsten ländlichen Umgebung auszusuchen, außerdem hat er bereits sein Ideal fertig im Kopfe, und das ist: nicht so ein Herr Obenhinaus von Studirtem,- er selbst hat zwar eine gute Schulbildung genossen, aber nicht studirt- sondern ein gesezter Bürger, höchstens oder wohl am liebsten ein Pastor-

Ja, lieber Junge," rief nun Hermental,

deine Aftien ja verteufelt schlecht-"

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, da stehen

Nun, ich habe keine Furcht, und meine Helene, mit der ich hier, während sie eine Tante besucht, einen Monat lang täglich zusammengekommen und der Glücklichste der Sterblichen gewesen bin, ebensowenig. Der alte Heideck hat seine Marotten, ist aber ein grundguter, fernbraver Mann, mit dem man alles er­reichen kann, wenn man seinen eignen Grundsaz: Gut Ding will Weile haben" nicht außer Auge läßt. Wenn ich eine solide Existenz habe und er ein wenig vorbereitet ist, so wage ich einen energischen Sturm auf des Alten Herz. Das kann freilich noch ein Jährchen dauern, ehe es an der Zeit ist. Jezt sollst du aber auch das Bild meiner Helene sehen, aber

Jedoch ehe er es geöffnet hatte, läutete die Türglocke. Ein Besuch," sagte Hermental.

" Wohl kaum aber vielleicht ein Brief, und wenns Glück will, von ihr," entgegnete Herder und eilte zur Tür.

Es war in der Tat der Briefträger, aber der Brief, den er überreichte, sah nicht aus, wie ein Liebesbrief. Er war groß und ziemlich schwer und zeigte ein mächtiges Sieget. " Merkwürdig," sagte Herder etwas enttäuscht. Das ist ein Schreiben mit einem richtigen Amtsgesicht

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Er erbrach und überflog es. Dann reichte er es dem Freunde.

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Meine Verlobungsaffäre war Glück im Unglück das ist Unglück oder wenigstens Pech mein altes Pech- im Glück lies."

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Hermental ließ seine Augen über die Zeilen gleiten.

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Ah sich dadu hast dich um eine Anstellung bei der großen, schon seit längerer Zeit in Vorbereitung begriffenen Centralamerikanischen Expedition beworben und das ist frei­lich Glück, viel Glückfelix felicissime, man nimmt lich Glück, viel Glück deine Bewerbung an; du aber hast jezt deine Helene im Sinn und findest als Verliebter und Verlobter keine Lust mehr an so abenteuerlichen Unternehmungen, und das ist in der Tat Pech, pix personalis, wie der Lateiner sagt, felix infelix."

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" Da verkennst du mich, Fauste: Lust wie nur je. Aber, sage du mir, kann ich sortgehen, vielleicht auf Jahre- sicher auf ein ganzes Jahr, ohne das Band mit meinem Lieb so fest geknüpft zu haben, sie so offiziell zu meiner Zukünftigen geworben zu haben, das ich wenigstens offen und frei mit ihr forrespondiren, mit ihr in direktem und häufigen Schriftverkehr bleiben kann und ohne daß sie durch das Bewußtsein, durch eine der Welt bekannte Verbindung an mich geknüpft zu sein, sich be­ruhigt und getröstet fühle über die weite Entfernung zwischen uns und die lange Zeit der Trennung?"

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" Das ist freilich wahr," entgegnete Hermental nachdenklich. Dann warf er den Kopf zurück und sagte leichthin: Was da. Ungewöhnliche Verhältnisse verlangen ungewöhnliche Mittel. Fahre fort, wie du bei deiner Liebesangelegenheit bisher verfahren stürmisch, gewaltsam. Ueberfalle den würdigen Stadtvater von Angermühl wie Ziethen aus dem Busch- Weihnachten steht vor der Tür, kehr' ein bei ihm als heiliger Christ oder als Knecht Rupprecht, laß dich ihm per Post als anonymes An gebinde bescheeren oder so etwas--­

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Felix Herder waren inzwischen auch allerlei Anschläge durch den Kopf gefahren.

" Hast Recht, Fauste. Jezt muß ich alle Bedächtigkeit fahren lassen. Die Expedition verläßt zu Neujahr Deutschland . Wir haben noch acht Tage bis Weihnachten- da ist Gefahr im Verzuge. Ich packe meine Sachen fahre Hals über Kopf nach Angermühl und ergreife die erste beste Gelegenheit beim Schopfe meinen würdigen Herrn Schwiegervater im Sturme zu erobern. Dieser Brief ist so gut wie ein Anstellungspatent für ein solides, höchst solides Amt. Ist mein Name einmal als der eines an solch einer Weltreise beteiligten hoffnungsvollen, selbstverständ­lich hoffnungsvollen, Antropologen und Zoologen bekannt, so habe ich eine außerordentliche Professur und, wenn ich will, auch lufrative medizinische Praxis in Hülle und Fülle in der Tasche." Amen! Das heißt: es soll also geschehen," sagte Hermental. Also mach daß du nach Angermühl kommst und dort den ges strengen Herrn Bürgermeister auf größere oder geringere Her zenshärte untersuchst und dann recta via nach Centralamerika , um an den zahmen und den wilden Amerikanern deine Studien fortzusezen, viel Glück, felix infelix dein Glück bleibe in Angermühl und dein Pech magst du jenseits des großen Wassers lassen-"

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II. Tabakskollegium und Himmelsleiter. In dem Herrenzimmer des Gasthofes zum blauen Engel in Felix Herder erhob sich und schritt auf sein Schreibpult zu. Angermühl ging es am Abend des 23. Dezember ziemlich still