barorte von Angermühl. Wenn nun die Freundin sich nicht so beeilte, wie er die ihm Unbekannte schriftlich gebeten, wenn sie gar im Drange und Trubel der Weihnachtsgeschäfte den Brief vergaß oder nicht Zeit und Gelegenheit hatte, ihn durch zuver­lässige Boten an Helene zu befördern--?

Felix schüttelte unmutig den Kopf und sah sinster vor sich hin. Das konnte für ihn ein schönes Weihnachtsfest geben. Hier unter lauter Fremden, die noch dazu, zum Teil wenigstens, vielleicht vor festlicher Aufregung ganz aus dem Häuschen zu sein schienen!

Felix Herder hatte nämlich soebenda drüben in der von dem Hausknecht Johann die Himmelsleiter genannten Kneipe- so sonderbare Beobachtungen gemacht, daß er schließlich viel früher als er ursprünglich gewollt, wieder davongegangen war.

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Anfänglich hatte man äußerst wenig Notiz von ihm ge= nommen. Dann aber hatte er gesehen, wie die dort viel zahl­reicher als hier versammelten Gäste, anscheinend ehrsame Hand­werksmeister, auch einige kleine Kaufleute und Lehrer waren darunter der Hauptwortführer wurde Herr Kantor genannt - nach ihm verstohlen hinschauten, die Köpfe zusammensteckten, zischelten, immer wieder ihn ansahen und alle ihre Gespräche leiser führten, als anfänglich. Noch seltsamer war ihm, daß einer der Anwesenden nach dem anderen mit rätselhafter Heim­lichtuerei sich aus dem Gastzimmer durch die Küche hinausstahl, kurz darauf zur Hintertür wieder hereinkam, in respektvoller Haltung bei dem Tische, an dem er allein und ziemlich abseits saß, vorüberging und tief untertänigst grüße. Am untertänigsten grüßte die Respektsperson unter den Gästen der Himmels­leiter der Kantor. Derselbe war auch nicht nur einmal hinten hinausgeschlichen, um vorn sogleich wieder hereinzu kommen und Felix Herder zu grüßen, sondern bereits zweimal. Felix wurde, je öfter sich das ihm unverständliche Spiel wieder­holte, desto kühler, und als der Kantor zum zweitenmale so tief als möglich) kazbuckelte, rührte er nur nachlässig die Hand zum Danke. Er glaubte durch diese Kälte der fatalen Komödie rasch ein Ende machen zu können, aber er hatte sich getäuscht, denn das Komplimentiren hörte nicht auf und plözlich stand sogar die Wirtin der Himmelsleiter, eine runde von Fett und Freundlichkeit glänzende Frau, augenscheinlich festlich angetan, vor ihm und präsentirte ihm zwei Flaschen Wein auf einmal, einen ausgezeichneten Rotspohn, wie sie in stolzer Bescheidenheit sagte und einen Johannisberger, den ihr Seliger vor zehn Jahren in Rüdesheim selbst eingekauft hatte und den man selbst bei König und Petit nicht besser bekommen könne. Die Die Worte König und Petit begleitete die vortreffliche Dame mit einem tiefen und so komischen Knix, daß Felix Herder troz seiner schlechten Laune nicht umhin konnte, zu lächeln, umſomehr als er König und Petit als die vorzüglichste Weinhandlung der Re­sidenz sehr wohl kannte und wußte, daß es dieser seit Jahr hunderten bestrenommirten Firma faum drei oder vier Weinhand­lungen in Deutschland gleichtaten an Güte des freilich sehr teuren Rebensaftes.

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" Ah, König und Petit liebe Frau, ich trinke für gewöhnlich weder die Rotweine noch die Rheinweine von König und Petit," sagte er lächelnd. Ich danke verbindlichst für ihren guten Willen, obgleich ich nicht begreife, wie ich der ich hier gänz­lich unbekannt bin und vorläufig auch bleiben möchte dieser ungewöhnlichen Aufmerksamkeit fomme."

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Hätte die von neuem tief kniɣende außerordentlich umfang­reiche Dame Felix Herder nicht die Aussicht auf die Tische der ortsangehörigen Gäste total benommen, so würde er wahr­scheinlich bemerkt haben, daß er sich einer argen Unvorsichtigkeit schuldig gemacht habe. Denn dort spizte fast alles in atem­loser Spannung die Ohren, ein leises Aha! entrang sich einer nicht unerheblichen Anzahl Lippen und mit Blicken wie: Also richtig er ists!" sahen sich alle an. Die Absicht Felix Herders, durch seine ausdrückliche Versicherung, daß er hier zunächst unbekannt bleiben wolle, die offenbare Neu­gierde in ihre Schranken zu weisen, war nun sicherlich vereitelt. Aber er merkte hiervon wenig, denn er hatte genug mit der

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Wirtin zu tun, die in ihrer handfesten Liebenswürdigkeit nicht leicht abzuschütteln war. Endlich tat Felix ihr den Willen, trank rasch ein Glas Wein und hatte die allergrößte Mühe, der überfreundlichen, mit heroischer Unermüdlichkeit knigenden und in ihn hineinschwazenden Frau Bezahlung für die ihm gebotenen Genüsse aufzudrängen.

Darauf war er so rasch als möglich auf und davon ge­gangen, jedoch nicht ohne zu bemerken, daß alle Anwesenden förmlich ehrfurchtsvoll von ihren Stühlen aufstanden und sich wie auf Kommando tief verneigten, als er mit kurzem Gruße zur Tür hinausging.

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Er hatte eben noch einmal diese Erlebnisse der lezten Viertel­stunde überflogen und sich gesagt, daß ihm die zudringliche Auf­merksamkeit dieses kleinstädtischen Publikum, gleichviel welchem Umstande sie geschuldet sei, noch recht unangenehm werden könne, da weckte ihn ein sehr vernehmliches Hm HmHm! aus seinem Nachdenken. Zu seinem größten Erstaunen und gelinden Schrecken bemerkte er, daß ihm schräg gegenüber an demselben Tische wie er, ein auffällig dürrer, kleiner Herr, mit einem Gesicht, das Felix Herder im stillen dummschlau nannte, Plaz genommen hatte und ihn mit ganz verwunderlichem Mienen­spiel betrachtete. Der Blick, welcher Felix dem Doktor" zu­warf, war nicht gerade freundlich, aber dieser nahm davon nicht die mindeste Notiz, sondern schaute ihn unverwandt mit weit­aufgerissenen Augen an.

"

Wünschen Sie etwas von mir, mein Herr?" fragte Felix Herder, der allgemach ganz rot vor Unwillen geworden war. " Hmhuhm," antwortete der Doftor mit einer wahren Grabesstimme. Ich habe Ihnen nur ein Wort zu sagen ein Wort". Und bei diesen mysteriösen Worten rollte er seine kleinen Augen und schnitt ein Gesicht, als wenn er Rhabarber einnehme.

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Ein Wort?" fragte Felix Herder, der absolut nicht wußte, was er von dieser neuen Komödie zu halten habe. Nun, wenn es nicht anders sein kann, so sagen Sie es." Ja' s muß sein es nüzt Ihnen nichts mehr in der Welt Welt Herr HaHa u. s. w.,- dieses eine Wort lautet:" Der gute Doftor hatte ungefähr so tief gesprochen, wie man auf den Bühnen im Faust den Erdgeist sprechen läßt und bei den lezten Worten hatte er die Stimme erhoben und schrie nnn mit Trompetenton Felix Herder ins Gesicht: Kladderadatsch."

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Jezt war die Reihe des Gesichterschneidens an Felix Herder; am liebsten hätte er dem kleinen alten Herren laut ins Gesicht gelacht, aber da der Mann offenbar geisteskrank sein mußte, so bezwang er sich mit vieler Mühe, wobei eine Grimasse zutage kam, als wenn ihm eben eine große Fischgräte in den Hals geraten sei, und antwortete zunächst mit feiner Silbe.

Der Doktor" dachte: ,, Aha, er ist schon ganz niederge­schmettert, nun muß er vollends vernichtet werden." Und mit einem neuen, womöglich noch fürchterlicheren ,, hm hu- pruh hm" hob er wieder an:

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,, Und noch ein Wort hab' ich Ihnen zu sagen ,, Noch eins?" fragte Felix Herder ,,, ich bitte Sie, mein Herr." Der Doktor ließ ihn nicht weiter reden: ,, Bitten Sie mich nicht, Herr Ha

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Er hielt inne, um die Wirkung zu beobachten

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Jezt erst fiel es Felix Herder auf, daß der Alte schon Ha- gesagt vorhin einmal Herr HaHa gesagt hatte und er erschrak sichtlich: sollte sein Name, der ja mit H ansing, hier schon be­kannt, sein Brief vielleicht in unrechte Hände geraten und Helene und er der Gegenstand des kleinstädtischen Geschwäzes sein?

Der Doktor hatte sich an seinem verduzten Aussehen ge­weidet und wollte nun den lezten Schlag führen: ,, Dieses zweite und lezte Wort lautet: ,, Hasenmeier."

Und Hasenmeier echote es im Tone tiefster Entrüstung aus den Ecken des weiten Gemachs, denn auch der Kalkulator und der Institutsdirektor wiederholten das vernichtende Wort und der Polizeiwachtmeister, der mit einem riesigen Knotenstocke bewaffnet, dicht an der Tür saß, schrie mit: