192
Kommen Sie, Herr," sagte er, meine Tochter soll mir Bräutigams stand gleichfails so selig, wie er sie noch nicht ge= sagen, wer Sie sind." sehen, da legte er doch segnend und zufrieden seine Hände auf der beiden Häupter.
Helene Heideck sagte es unter Tränen und Jubel zugleich. Der Vater blieb zwar noch lange sehr erschüttert, aber als am Abend desselben Tages unter dem Weihnachtsbaum die geliebte Tochter an der Seite des glückstrahlenden schmucken
Teppichstuhl.( Illustration S. 185.) Die alte griechische Mytologie erzählt, daß einst eine lydische Jungfrau, die Tochter eines Purpurfärbers, die kunstgeübte Weberin Arachne , sich vermaß, die Göttin Athene selbst, die Urheberin aller weiblichen Kunstfertigkeit, zu einem Wettkampf herauszufordern. Die Göttin nahm den Wettkampf an und webte Szenen aus dem glorreichen Dasein der seligen Götter. Arachne dagegen stellte die minder glorreichen Begebenheiten, insbesondere die Liebesgeschichten der Götter dar. Aber so kunstgerecht auch das Gewebe der Arachne war, mit dem der Göttin konnte es sich doch nicht messen und zur Strafe für ihre Ueberhebung wurde Arachne von Athene in eine Spinne verwandelt. Ob nicht die Sterbliche über die Göttin den Sieg davon getragen hätte, wenn ihr eine Webmaschine, wie unser Bild eine darstellt, zu Gebote gestanden hätte? Diese Zauberinnen leisten fast Unglaubliches und mit Staunen sahen wir voriges Jahr in der Württembergischen Landesgewerbeausstellung derartige Maschinen, welche in kürzester Frist die einfachen Fäden in ein fertiges, vollendetes Gewebe verwandelten. Es war eine Maschine darunter, ein Rundstuhl, welcher in einer Minute eine viertelmillion Maschen webte und täglich gegen 125 Quadratmeter Stoff fabrizirte.
Die Weberei ist eine der ältesten Erfindungen. Die Egypter schrieben sie der Isis, die Griechen, wie bereits bemerkt, der Athene zu. In Griechenland und Rom und ebenso bei den Germanen webten die Frauen und Sklaven. Erst im Mittelalter wurde die Weberei auf einen hohen Grad der Vollkommenheit gebracht und zum zünftigen Gewerbe ausgebildet. Die einfachste Form des Webstuhls ist ein Rahmen, in welchem die Kettenfäden parallel ausgespannt werden, während man den Eintrag mit der Hand hineinflicht. Eine wesentliche Umgestal= tung aber erfuhr die Weberei durch die Einführung der mechanischen Webstühle. Die Maschinenweberei, d. h. die Betreibung von Webstühlen durch Elementarkraft, ist im Anfang des achtzehnten Jahrhunderts in England erfunden und auf glatte Baumwollstoffe( Drucktuche) angewendet worden. Seitdem webt man auch gemusterte Stoffe auf Maschinenstühlen. Unser Bild, dem praktischen und vortrefflich ausge= statteten kleinen Konversationslexikon von Brockhaus entnom= men, dessen Anschaffung wir unseren Lesern warm empfehlen, zeigt einen großen Kraftstuhl zur Herstellung gemusterter Teppiche.
Kann man den Webstuhl von einem Punkt aus in Gang sezen und die Bewegung durch Mechanismen den verschiedenen Vorrichtungen des Stuhls mitteilen, daß ohne besondere Einwirkung auf jede einzelne die richtige Aufeinanderfolge und das Zusammenwirken ihrer Bewegungen stattfindet, so erhält man den mechanischen Webstuhl, Maschinenstuhl, Kraftstuhl( power loom) oder die Webmaschine, woran übrigens alle wesentlichen Bestandteile des Handstuhls vorkommen. Die mechanischen Webstühle werden durch Dampf, selten durch Wasser- oder Menschenfraft in Bewegung gesezt; auch komprimirte Luft hat man schon als Bewegungsmittel benuzt( atmosphärische oder pneumatische Webstühle). Das schwere eiserne Gestell besteht aus zwei durchbrochenen Seitenwänden, die unten durch Querriegel und oben durch ein gedrückt bogenförmiges Querstück miteinander verbunden sind. Die Kette( der Zettel), welche gewöhnlich mindestens 180 Meter lang ist, ist auf den Kettenbaum aufgerollt, wird durch schwere Gewichte gespannt und durch einen Regulator mit gleichmäßiger Geschwindigkeit dem Baum entnommen und gegen die Schäfte vorgeführt. Vom Kettenbaum geht die Kette gerade aufwärts über einen runden Streichbaum und dann fast hori= zontal nach dem nur ein wenig niedriger liegenden Brustbaum. Ueber lezteren läuft das Zeug schräg abwärts, um auf den Zeugbaum zu gelangen, der es langsam aufrollt. Der Zeugbaum liegt vorn im Gestell und dem Kettenbaum gerade gegenüber. Die Schäfte haben dieselbe Einrichtung wie bei Handstühlen und den gewöhnlichen Plaz, jeder ist unten mit einem eisernen Tritt verbunden, der seinen Drehungs
" So bin ich denn durch Nacht zum Licht, durch allerlei Unglück zum größten Glück gekommen," jubelte unter dem Weih- der Pechvogel. nachtsbaum froh wie ein Kind Felix Herder
punkt hinten im untersten Teil des Stuhls hat. Die Lade ist stehend angebracht und hat ihre Drehungspunkte unten, ihre Arme sind über der Kette durch ein Querholz miteinander verbunden, unter der Kette aber liegt der Kloz mit der Schüzenbahn für die Schnellschüzen( das Weberschiff beim Handstuhl) und zwischen dem Kloz und dem Querholz ist das Rietbrett eingesezt. Zum Breithalten des Gewebes dient der Tempel, der auf verschiedene Weise konstruirt ist. Der Zangentempel 3. B. besteht aus zwei zangenartigen Vorrichtungen, welche die Stahlleiſten einklemmen, sich aber zum Fortrüden des Stoffs von selbst öffnen. Oben im Gestell, jedoch unter der Kette, etwa in der Mitte zwischen den Schäften und dem Streichbaum der Kette, mit beiden parallel, liegt eine eiserne Welle( obere Welle), an welcher außerhalb der einen Seitenwand ein Schwungrad und die Triebwelle sich befindet. Leztere nimmt den Treibriemen auf, welcher die Kraft von der Dampfmaschine überträgt. Innerhalb der Seitenwände ist die obere Welle nahe an ihren beiden Enden mit zwei Krummzapfen versehen, welche mittels gerader Lenkstangen die Lade vor- und rückwärts bewegen, die Lade ihrerseits bringt die langsame Umdrehung des Zeugbaums hervor. Das der Triebwelle entgegengesezte Ende der oberen Welle trägt ein Zahnrad, welches in ein gerade darunter befindliches zweimal so großes Rad eingreift. Die Welle dieses lezteren( die untere Welle) macht also genau eine Umdrehung während zwei voller Umdrehungen der oberen Welle, d. h. in einer Zeit, binnen welcher die Lade zweimal schlägt. Auf der unteren Welle ſizen exzentrische Scheiben, welche so angeordnet sind, daß sie die zwei Tritte mit ihren Schäften abwechselnd niederziehen. Das Heben des einen Schafts, wenn der andere sich senkt, ist eine Folge der Aufhängung der Schäfte. Beim Weben geföperter Zeuche mit vier Schäften sind vier Exzentriks vorhanden, und die untere Welle trägt endlich noch an zwei Armen Fraktionsrollen, durch welche die Schüze in Tätigkeit gesezt wird. Bricht der Schußfaden ab oder vollendet die Schüze nicht ihren vollen Gang, sondern bleibt in der Kette stecken, so wird sofort durch einen eigenen Mechanis mus, den dann die Lade in Bewegung sezt, der Betriebsriemen von der Festrolle geschoben und der Stuhl bleibt augenblicklich stehen. Zur Herstellung gemusterter Stoffe, d. h. solcher, welche eine Zeichnung ( Dessin ) infolge eigentümlicher Verschlingungen von Eintrag und Kettenfäden mit oder ohne Farbenverschiedenheit darbieten, sind entsprechende Vorrichtungen angebracht.
Rebus.
H
D
D
+
Auflösung des Rebus in Nr. 6: Wer wohl will, tut allzeit recht.
-
Weihnachten.( Mit Illustration.)
-
-
St.
Inhalt: Am Nordpol . Nach dem Englischen von P. Olliverio.( Schluß.) Häckels Vortrag über„ Die Naturanschauung von Darwin , Goethe und Lamard." Gehalten auf det 55. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Eisenach am 18. September 1882. Das Jubiläum des Streichzündholzes. Von Realschullehrer D. Lehmann. Londoner Bilder. Von Heinrich Nonne. Glückliche Weihnacht.( Wit Illustrationen.) Serena. Eine venetianische Novelle von May Vogler.( Fortsezung.) Durch Nacht zum Licht. Eine Weihnachtshumoreske von Hans Eckart. Mannichfaltiges. Aerztlicher Ratgeber.- RedaktionsKorrespondenz. Literarische Umschau.
-
Rebus.
-
Mit dieser Nummer schließt das I. Quartal des 8. Jahrganges der„ Neuen Welt". Die geehrten Post- Abonnenten werden ersucht, die Bestellungen auf das II. Quartal ungefäumt aufzugeben, damit keine Unterbrechung in der Zustellung des Die Expedition der ,, Neuen Welt“.
Blattes eintritt.
-