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Entsezen seinen Blicken zu entziehen suchte.
„ Guten Abend, Grete," sagte er, und von dem scharfen, spöttischen Klang, den seine Stimme sonst zu haben pflegte, war auffallend wenig zu merken. So spät noch fleißig? Das ist brav, Kind. Und wie geht es dem Vater?"
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Das lachende Gesicht der Kleinen verfinsterte sich. ,, Es ist immer noch beim alten, Herr Doftor," sagte sie seufzend.„ Er will es nicht Wort haben, daß er sich nach der Schwester sehnt und seine Härte bereut, und ist still und in sich gekehrt, daß mir oft angst und bange dabei wird. Manchmal, wenn er so dasizt und stundenlang vor sich hinbrütet, ohne ein Wort zu sprechen, wird mir ganz unheimlich zumute, daß ich mir Gewalt antun muß, um nicht in Tränen auszubrechen. Und wenn er mich dann wieder zu sich heranwinkt und füßt und umarmt; wenn er mich sein liebes armes Kind nennt und mich bittet, Geduld mit ihm zu haben: wird mir ganz weich ums Herz. Es ist gerade, als würde er nicht lange mehr leben, da er so verändert ist gegen früher."
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Kleine Küche, die von dem Flur in das Erdgeschoß führte. Dort| dings tüchtig mitgenommen war und welche sie mit heimlichem saß auf einem niedrigen Schemel ein junges Mädchen. Sie hatte allerlei Gerätschaften neben sich liegen und war mit den flinken, braunen Händchen eifrig bemüht, den altersschwachen Gegenständen durch anhaltendes Reiben und Puzen ihren ein stigen Glanz wiederzugeben. Es war augenscheinlich ein schweres Stück Arbeit. Die altersschwachen Töpfe und Kannen hatten, wie es schien, der Eitelkeit dieser Welt längst entsagt und fühlten sich in ihrer Haut so wohl, daß sie nicht zu bewegen waren, ihre häßliche Unscheinbarkeit mit der vergänglichen Schönheit früherer Tage zu vertauschen. Dabei mußte das junge Mädchen oftmals inne halten und sich den Schweiß von der Stirn trocknen, um nach einem Augenblick der Ruhe die verlorene Liebesmüh' von neuem wieder aufzunehmen. Und wenn es ihr dann ausnahmsweise einmal gelang, einem dieser eigensinnigen alten Dinger ein handgreifliches Zeichen ihrer Bemühungen aufzudrücken, sah sie mit ihren hübschen, blauen Augen ordentlich verliebt drein und spiegelte sich wohlgefällig in diesen wieder zum Vorschein kommenden Ueberresten einstiger Schönheit. Sie hatte die Aermel zurückgestreift, und wie sie mit den vollen, kräftigen Armen eifrig herumhantirte und die kleinen Füße energisch gegen den Fußboden stemmte, schien sie garnicht zu wissen, wie allerliebst sie in ihrer Geschäftigkeit aussah. Die reichen, blonden Flechten, die sie um den Kopf geschlungen hatte, waren herabgeglitten und hingen ihr tief im Nacken; ihr volles, rosiges Gesicht mit dem kecken Stumpfnäschen und den zahlreichen Grübchen um den kleinen blühenden Mund glühte über und über und auf dem zierlichen Halse bewegte sich das Köpfchen unruhig hin und her wie ein Vögelchen, das in seiner graziösen Beweglichkeit keinen Augenblick ruhig an seinem Plaze verweilt. Sie mochte kaum dem Kindesalter entwachsen sein und sah mit ihren hellen, blizenden Augen so frisch und anmutig aus, daß es ein Vergnügen war, sie anzusehen. Sie hatte in ihrem Eifer das Deffnen der Tür gänzlich überhört. Als sie jezt Burghardt gewahr wurde, der vor ihr stehen blieb und sie mit wohlgefälligem Lächeln betrachtete, sprang sie errötend auf und nickte ihm vertraulich zu. Doch weigerte sie sich entschieden, ihm ihre Hand zu reichen, die von ihrer unsauberen Beschäftigung aller
Sie hielt inne und fuhr sich mit der Hand über die Augen, in denen helle Tränen standen.
Burghardt strich mit der Rechten sanft über ihr glänzendes Haar. " Den Kopf oben behalten, Kind," sagte er teilnehmend.„ Es wird hoffentlich noch alles gut werden. Was soll daraus werden, wenn auch Sie den Kopf hängen lassen, meine tapfere, kleine Freundin!"
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Sie richtete sich auf und lächelte ihn unter Tränen an. ,, Seien Sie mir nicht böse, Herr Burghardt," sagte sie und reichte ihm nun doch die Hand, die er ihr herzlich drückte. „ Es ist nur auf Augenblicke, daß ich mich so gehen lasse. Ich habe auch gar keine Zeit zum Weinen und Klagen. Und dann so lange Sie und der Franz bei mir sind und mir beistehen, den Vater wieder gesund zu machen und meine arme Schwester aufzufinden, bin ich schon zufrieden. Ich weiß garnicht, wie es kommt, daß ich solch felsenfestes Vertrauen zu Ihnen habe. Aber wenn Sie mir eines Tages sagten: Grete, Sie müssen hier zum Fenster herausspringen- ich glaube, ich täts, wie es mir auch ankäme."
( Fortsezung folgt.)
Ein Märtyrer unter den Haustieren.
Bon Dr. Richard Ernst.
Wenn die Dichter des Abend wie des Morgenlandes im| Lob der süßflötenden Nachtigall wetteifern, wenn sie nicht müde werden, von Jtys, Philomele, Bulbul und wie die zärtlich klingenden Namen dieser Primadonna des Hains alle lauten, zu singen und zu sagen, so würde ich, hätte der Lieder süßen Mund Apollo mir verliehen, zum Preis eines andern Vogels in die Saiten greifen, der zwar nichts weniger ist als ein musikalisches Genie, ja sogar häufig mit einem Epiteton belegt wird, welches das Gegenteil von Genie bedeutet, der aber durch anderweitige Vorzüge sich auszeichnet, durch Vorzüge, die ihn in den Augen aller praktisch gesinnten Leute der Palme würdig machen müssen. Die Gans ist sie nicht der gute Genius ist sie nicht der gute Genius jeder seineren Küche? Ist es nicht ihr Fett, das den kulinarischen Kunstprodukten der Hausfrau eine Würze, ein Aroma verleiht, der Blume des Weins vergleichbar, das über so manche erzprosaische Speise die Poesie des Wohlgeschmacks haucht? Im Haushalt der Juden vollends, wo weder Schweinefett gebraucht noch Fleischspeisen mit Butter bereitet werden dürfen, weil der hoch, und superweise Moses weit mehr als seine Kollegen Lykurg und Solon , Manu und Zoroaster um das Essen seiner Gläubiger sich kümmerte und ihre Tafel förmlich unter religionspolizeiliche Aufsicht stellte, so daß man glauben könnte, er habe den Siz der Religion vom Herzen nach dem Magen verlegt, im jüdischen Haushalt, sage ich, darf, wie der Dünger
nach einem geschmackvollen Tropus die Seele der Landwirtschaft, so der Gänseschmalztopf die Seele der Küche genannt werden, der Gänseschmalztopf, dessen Ebbe und Flut die Sorge und der Triumph jeder rechtschaffenen koscheren Köchin ist. Und das Fleisch der Gans erst, der Gänsebraten, dieser Liebling aller Karnivoren, diese klassische Delikatesse aller nicht blasirten Gaumen!„ Eine jut jebratene Jans ist eine jute Jabe Jottes" ist ein geflügeltes Wort, das Büchmann vielleicht mit größerem Recht hätte registriren dürfen, als manches andere, dessen Ursprung und Autor er mit der den deutschen Gelehrten eigenen Afribie nachspionirte. Welch ein Fest für die Familie, wenn die Schüssel mit Gänsepfeffer auf der Tafel dampft oder ein junges gelblich geschmortes duftiges Gänslein aufgetragen wird, von dem fast jeder Teil dem Geschmacksnerv einen eigenen Reiz gewährt, eine spezifische Geschmacksfarbe hat, so daß sozusagen eine ganze Symphonie von Wohlgeschmack darin verkörpert ist. Die Kreme, die Blume des Gansfleisches aber, das Jdeal des Gourmand, diese ist die Gansleber. Schon Horaz zählt unter den Delikatessen, welche der Parvenu Nafidienus Rufus seinen Gästen auftischte, die Leber von Gänsen, welche mit getrockneten Feigen ad hoc gefüttert wurden, und bereits dem Plinius erscheint die Erfindung der Gänseleberpasteten so wichtig, daß er es einer Untersuchung wert hält, den Namen des Wohltäters der Menschheit zu ermitteln, dem sie diesen Hochgeschmack