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deutschlands an, die meisten aber in Pommern , woselbst man sie auf den wasserreichen Brüchen nirgends vermißt. Jung eingefangene Wildgänse werden sehr bald zahm; selbst Alte, welche in die Gewalt des Menschen gerieten, gewöhnen sich an den Verlust ihrer Freiheit und erkennen in dem Menschen einen wohlwollenden Pfleger. Da wo Wildgänse brüten, tut man wohl, ihre Eier auszunehmen und diese von zahmen Gänsen ausbrüten zu lassen. Die Jungen behandelt man dann ganz wie zahme Gänse und zieht sie in der Regel ohne sonderliche Mühe groß. Doch verleugnen sie ihr Wesen nie, denn sobald sie sich erwachsen fühlen, regt sich in ihnen das Gefühl der Freiheit; sie beginnen zu fliegen und zu ziehen, wenn man sie nicht gewaltsam zurückhält, im Herbste mit andern Wildgänsen nach Süden. Zuweilen geschieht es, daß einzelne zurückkommen, das Gehöft, in welchem sie groß wurden, wieder aufsuchen; doch gehören diese zu den Ausnahmen. Von einer solchen Gans wird berichtet, daß sie im Herbste fortslog und in dem darauf folgenden Frühling auf den Hof zurückkehrte, ohne weiteres bis in den Hof lief, an den Futterplaz und ihr gewöhnliches Futter forderte. Sie bewies sich sogleich völlig zahm und zutraulich, aus der Hand fressend, keinen Menschen fürchtend, so daß man sie oft mit dem Fuße beiseite schieben konnte, wenn sie gerade behaglich auf dem Rasen des Hofes saß. Dreizehnmal ist diese getreue Gans, ein Gänserich, zu dem Orte, wo sie aufgezogen ward, zurückgekehrt und zulezt wahrscheinlich eines gewaltsamen Todes gestorben.
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Was würden die Frauen dazu sagen, wenn man diesen Vers folgendermaßen abänderte:
Aber, wie leise vom Zephyr erschüttert, Schnell die äolische Harfe erzittert, Also die fühlende Seele der Frau. Aber ihr Gefühl hat seine Grenze,
Denn mit den rosigen Fingern die Gänse Stopfet sie grausam, hartherzig und rauh.
Oder wollen die Frauen etwa damit für den für sie unschmeichelhaften Vergleich, zu dem die Gans bisweilen dienen muß, Rache nehmen? Aber was kann die harmlose, unschuldige Gans dafür? Leidet doch ihr eigenes Nenommé schwer genug darunter!
Ist es dir schon zum Bewußtsein gekommen, geschäzte Hausfrau, wie unrecht, wie egoistisch, wie abscheulich es ist, dem Tier jeden Geschmacksgenuß zu entziehen, damit der Mensch einen Gaumentizel weiter habe! Und es ist doch fast das einzige Vergnügen, welches die Natur dem Tier bereitet, während in den Menschen die Lust legionenweise einzieht durch die Tore seiner Sinne und die Pforte seines Geistes. Hast du dir noch niemals gesagt, wie unmenschlich es ist, um einer Leckerei oder eines pekuniären Vorteils willen dem Tier eine Krankheit anzufüttern, die bereits erwähnte Verfettung, welche nicht blos die Leber patologisch vergrößert, sondern infolge des Drucks, den die übermäßige Fettschichte auf die Blutgefäße übt, die Zirkulation des Blutes hemmt, woher die schwere Atemnot der Stopfzeit rührt! Wenn der Mensch leberleidend ist, geht er nach Karls bad ; wenn er an Fettsucht leidet, gebraucht er die Bantingkur und ruft alle Götter an, ihn von seinem Leiden zu befreien. Er selbst aber, der Erdengott, kümmert sich nicht blos nicht um das Leiden des Tiers, nein, er rust dasselbe herbei, er überliefert es monatelang der Tortur einer von ihm künstlich erzeugten Krankheit. Ist dir endlich, werte Hausfrau, noch niemals der Gedanke aufgestiegen, daß es wahrhaft barbarisch ist, die Gans viele Wochen in einer Dunkelzelle eingesperrt zu halten, weil sie im Finstern fetter wird( wie eine gewisse Klasse Menschen)! Hast du dich niemals an das schöne schillersche Wort
erinnert:
O eine edle Himmelsgabe ist
Die Gans ist eine konsequente Vegetarierin. Mit Hilfe ihres harten, scharfschneidigen Schnabels weidet sie Gräser und Getreidearten, Kohl und andere Kräuter vom Boden ab, schält junge Bäumchen, pflückt sich Blätter, Beerentrauben, Schoten oder Aehren, enthülst die lezteren rasch und geschickt, um zum Kerne zu gelangen, gründelt in seichten Gewässern ebenfalls nach Pflanzenstoffen und verschmäht keinen Teil einer ihr zusagenden Pflanze. Die Gans ist eine Vegetarierin; der Mensch aber, der gefräßigste unter allen Karnivoren, begnügt sich nicht mit dem eine so reiche Skala von Wohlgeschmack darbietenden Fleische der gesunden Gans, in seiner raffinirten Eigen nüzigkeit und Genußsucht macht er die Gans künstlich krank, in seiner Herzlosigkeit beraubt er das wehrlose Tier jeder freien Bewegung im hellen Sonnenlicht, verdammt es zu elendem Dasein in einem engen, dunklen Käfig und läßt es nicht beliebig sein Futter zu sich nehmen, sondern stopft die Gans, d. H. er sperrt ihr den Schnabel mit Gewalt auf, zwengt ihr Welschkorn oder Teigkugeln in den Schlund, wobei das Tier selbstverständlich nicht den mindesten Genuß von seiner Azung haben kann. So geizig er sonst gegen das seiner Pflege befohlene Tier ist, der Gans stopft er weit mehr Futter in den Schlund als sie ertragen kann; freilich nicht aus Freigebigkeit, etwa um sie für die verlorene Freiheit und den entbehrten Genuß des normalen Fressens zu entschädigen, im Gegenteil, durch das übermäßig genossene Futter soll die Gans der Krankheit der Verfettung, insbesondere der Leberberfettung( adiposis lepatis) anheimfallen, sagt Shakespeare und ein neuerer Dichter( Pfizer) singt:
damit der Mensch recht viel Fett von ihr gewinnt und eine große, eine krankhaft vergrößerte Leber, die getrüffelt zur Pastete oder Wurst verarbeitet wird und auf die Tafel der oberen Zehntausend kommt. Unbegreiflich, unerklärlich war es mir von jeher, daß diese barbarische Mißhandlung der Gänse, dieses Gänsestopfen, so häufig von Hausfrauen betrieben wird, von Frauen, die man als gefühlvoll, mitleidig, barmherzig zu schildern pflegt. In seiner Würde der Frauen" singt Schiller : Aber, wie leise vom Zephyr erschüttert,
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Schnell die äolische Harfe erzittert,
Also die fühlende Seele der Frau.
Bärtlich geängstigt vom Bilde der Dualen,
Wallet der liebende Busen, es strahlen
Perlend die Augen von himmlischem Tau.
Das Licht des Auges Alle Wesen leben Vom Lichte, jedes glückliche Geschöpf
Die Pflanze selbst kehrt freudig sich zum Licht!
Oder wärest du vielleicht beschränkt genug, zu behaupten, die Gans sei garnicht so empfindlich gegen die mit dem Stopfen verbundene Dual, die Intensität der Schmerzempfindung beginne erst beim Menschen? Aber weißt du, wie diese Behauptung aussieht? Nicht anders als die des hochnasigen Junkers, daß der Mensch erst beim Baron anfängt.
Der arme Käfer, den dein Fuß zertritt, Fühlt körperlich ein Leiden ebenso Als wenn ein Riese stirbt
Mir wurde bald geoffenbart, Daß sich in jedem Lebensreiche Die Angst und Not der Wesen gleiche, Und unserer Blindheit Täuschung nur Verhehlt die Leiden der Natur.
Wir schließen unsern Artikel, der von Moll in Dur, von der humoristischen in die ernste Tonart übergegangen ist, mit der Hoffnung, daß unsere Philippika gegen das Gänsestopfen bei unsern Leserinnen und Lesern nicht ohne Eindruck bleiben möge und empfehlen ihnen noch den Vers zur Beherzigung:
Es ist nur eine kurze Spanne Zeit Den Tieren zugemessen, sich sonnen Jm Strahl der Lebenssonne, Fröhlichkeit Zu trinken aus der Freude süßem Bronnen.