daß sich die beiden in jedem Falle wenig um ihre Nachhause funft fümmern würden. Von der Dienerschaft des Hauses aber brauchte sie nichts zu befürchten, da sich die Schlafräume der= selben auf einer ganz anderen Seite des Palazzo befanden und überdies die Ausdehnung des lezteren eine so große war, daß selbst ein ziemlich lebhaftes Geräusch von anderen Bewohnern, wenn sie nicht eben mit Absicht in der Nähe lauschten, kaum gehört zu werden vermochte.
Und doch hatte es der Zufall gefügt, daß sie jemand beobachtete, von dessen Seite sie es am allerwenigsten gewünscht haben würden.
Der Rest der Nacht ging vorüber, ohne daß Serena nur auch die Augen zum Schlummer geschlossen hätte. Als der Morgen fam, lag es wie Blei in ihren Gliedern, so daß sie sich nur mit größter Anstrengung ihrer Willenskraft von ihrer Schlafstätte hätte zu erheben vermögen. Sie verließ indes ihr Lager nicht; denn bald schüttelte es sie wie heftiger Frost, bald glühte es ihr fieberhaft in Stirn und Schläfen. In den Familiensalon hinüber würde sie freilich auch ohnedies an diesem Morgen feinesfalls gegangen sein; denn sie hätte es nicht über sich vermocht, der Marchesa sich heut auch nur einen Augenblick lang gegenüber zu befinden, ohne daß ihr dabei selbst die ver räterische Röte der Scham und der Entrüstung in die Wangen gestiegen sein würde.
Serena war weder an diesem, noch an den folgenden Tagen imstande, das Bett, geschweige denn das Zimmer zu verlassen; der Arzt hatte den Ausbruch eines gefährlichen Fiebers, ent standen infolge heftiger Aufregung, fonstatirt.
Während die Marchesa gegen ihren Gatten, der sich in
255
-
zwischen von seinem, keinen ernsthaften Karakter tragenden Unwohlsein erholt hatte, unverändert ihr fühl zurückhaltendes Wesen bewahrte, steigerte sich die Besorgnis des lezteren um die Tochter Stunde um Stunde. Jeweniger er den nächsten und wahren Grund ihrer Erkrankung kannte, desto eher mußte er geneigt sein, denselben in dem schweren Liebesleiden des Mädchens, das sie ihm die Wochen seither bei all' ihrer Selbstbeherrschung doch nicht völlig hatte verbergen können, zu suchen. Und wenn schon vorher das zähe, unerschütterliche Festhalten Serenas an ihrer Neigung ihn bekümmert und ihm Anlaß zu ernſtem Nachdenken gegeben, so war dies jezt in solchem Grade der Fall, daß er sich schon leise die Frage vorlegte, ob er nicht lieber nachgeben und dem Herzen des Mädchens sein Recht lassen solle. Denn er war seinem Kinde in zu großer, tiefgewurzelter Liebe zugetan, als daß er sie wirklich zu etwas hätte zwingen können, was ihrer eigenen Neigung von Grund aus widersprach. Er hatte anfangs, wie gesagt, ihre Liebe zu dem Maler blos für eine durch die Anlage ihres Wesens erklärliche, schnell vorübergehende Schwärmerei gehalten, die durch die Entfernung des Herrn von Winter sehr leicht wieder zurückgedrängt und unterdrückt werden könne; nun, da er sich in dieser Erwartung getäuscht sah, und, wenn er seinerseits noch ferner starr seinen Standpunkt behauptete, ein wirkliches Unglück befürchten mußte, nun fühlte er sich notwendig zu tiefer gehenden Erwägungen gedrängt. Freilich wurde er bei all diesem durchaus noch von dem Wunsche geleitet, wenn irgend möglich, Serena seinen Absichten geneigt zu machen und eine Verbindung zwischen ihr und dem Grafen herbeizuführen.
( Fortsezung folgt.)
Ueber die Nuzlosigkeit der Tier- Vivisektion als wissenschaftlicher Untersuchungsmetode
hat Lawson Tait , Chef- Operateur am birminghamer Frauenhospital, Verfasser einer ganzen Reihe gelehrter und berühmt gewordener Werke, die wichtige Gebiete der Medizin und Chirurgie erschöpfend und maßgebend behandeln, am 20. April 1882 einen Vortrag gehalten vor der birminghamer philosophi schen Gesellschaft, der uns sehr geeignet erscheint, epochemachend zu werden und den Vivisektoren die Aufrechterhaltung ihrer grausamen, angeblich zum Heil der Menschheit notwendigen Forschungsmetode recht schwer zu machen.
Die Bedeutung Lawson Taits kennzeichnete das angesehenste medizinische Fachblatt Englands, das„ British Medical Journal ", indem es am 17. Dezember 1881 schrieb:" So sehen wir, daß Lawson Tait im Eröffnen neuer Gebiete auf dem großen Felde der chirurgischen Behandlung von Unterleibs Krankheiten uns allen vorangegangen ist.... durch seine Energie und Geschicklichkeit hat er vieles für uns leicht gemacht, was bisher mit Schwierigkeiten und Gefahr verbunden war. Er ist jezt der Führer auf diesem Gebiete der Chirurgie, und es ist ihm gelungen, große, fruchtbare Arbeitsfelder zu eröffnen, die wir alle mit Gewinn bearbeiten können."
Lawson Tait , dessen Vortrag soeben in deutscher Sprache zu Dresden im Verlag des internationalen Vereins zur Befämpfung der wissenschaftlichen Tierfolter erschienen ist und von uns nur auszugsweise wiedergegeben werden kann, sprach im wesentlichen, wie folgt:
-
-
die ViviHat diese wissenschaftliche Forschungsmethode sektion soviel zur Erleichterung menschlicher Leiden oder zur Erweiterung menschlicher Kenntnisse beigetragen, um deren Fortsezung troz der gegen sie erhobenen nachdrücklichen Einwürfe zu rechtfertigen? Hier muß vorzüglich historische Kritik eintreten, wir müssen schlußfeste Antwort darüber haben, wie viel bei cinem als Beweis angeführten Fortschritte durch das vivisektorische Experiment, wie viel durch andere Duellen gewonnen ist, und der Anteil muß klar und deutlich festgestellt werden. Es ist nicht zulässig, wie es bei manchen Beweisführungen
geschehen ist, ein Bild von einer im 17. Jahrhundert und einer im lezten Jahre vorgenommenen Amputation aufzurollen und dann zu sagen, daß wir den günstigen Wechsel der Vivisektion verdanken. Die wirklichen Fragen sind diese: Welche Detailfortschritte verdanken wir der Vivisektion? Konnten diese Fortschritte ohne sie erreicht werden? Gesezt, daß die Vivisektion früher für elementare und primitive Untersuchungen nötig gewesen wäre, ist sie es dann auch jezt noch, da so glänzende, rasch sich entwickelnde Metoden in hundert anderen Richtungen uns zu Gebote stehen? Haben wir vollständigen, erschöpfenden Gebrauch von allen anderen nüzlichen, nicht anfechtbaren Metoden gemacht? Und schließlich, können die auf Tiervivisektion begründeten Fortschritte voll beweisend auf den Menschen angewandt werden, zu dessen Nuzen sie, wie man behauptet, angestellt sind?
Es ist vollkommen klar, daß alle diese Fragen zu beantworten, genaue Einzelfälle beigebracht und historisch mit großer Sorgfalt analysirt werden müssen. Dies ist schon oft ge= schehen und in jedem uns bekannten Falle- ich muß es sagen-
unter vollständiger Zurückweisung der Behauptungen der Vivisektoren.
Nehmen wir den Fall der Harveyschen Entdeckung des Blutumlaufs, worauf man sich beruft, so läßt es sich bestimmt nachweisen, daß alles was Harvey wußte, schon vor seiner Zeit bekannt war, und daß nur unser insularer Stolz das Verdienst der Entdeckung für ihn beansprucht; daß er durch Vivisektion irgend wertvolles Material für die Frage geliefert, ist bündig widerlegt und vor der Kommission durch so gute Autoritäten wie Dr. Acland und Dr. Lauder Brunton praktisch nachgewiesen. Der Blutumlauf wurde erst bewiesen, als Malpighi das Mikroskop gebrauchte; daß er bei dieser Beobachtung ein vivisektorisches Experiment zu Hülfe nahm, war ganz unnüz, denn er hätte besser und leichter das Gewebe der Schwimmhaut des Frosches benuzen können, als das seiner Lunge.