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aus ihnen abgeleitet hätte. Hat er je solche Experimente ge-| Mensch daran dachte, beide Enden der Ligatur kurz abzuschneiden macht, so muß er sehr wenig Gewicht darauf gelegt haben.
V. Behandlung der Aneurismen,*) Ligatur und Torsion der Arterien.
Mr. Gamgee führte die oft erwähnte Geschichte der Hunterschen Operation als einen Beweis für die Hülfe an, welche die Vivisektion der Chirurgie geleistet habe. Diese Ausführung ist so vollständig und so oft widerlegt, daß es durchaus unnötig ist, ferner darauf zurückzukommen, es sei denn, um anzuführen, daß Hunter das Anelsche Operationsverfahren nur deshalb modifizirte, weil er fand, daß die Arterie dicht an der franken Stelle die Ligatur nicht ertrug und die Patienten zu Tode bluteten. Da nun die Arterien der Tiere nie an benannter Krankheit leiden, konnten die an ihnen angestellten Experimente Hunter durchaus nichts nüzen. Sir James Paget , der neulich als ein so eifriger Fürsprecher der Vivisektion aufgetreten ist und deshalb von mir als zu meiner Ansicht nicht hinneigender Zeuge angerufen werden darf, hat seine Meinung in der Rede, welche er 1877 zu Hunters Andenken im Kolleg der Chirurgen hielt, dahin ausgesprochen: daß Hunters Verbesserung der Behandlung der Aneurismen nicht das Resultat irgend welcher mühevoller physiologischer Induktion war, sondern hauptsächlich abgeleitet aus Fällen, die in den Krankensälen und im Leichenhause sehr genau beobachtet waren. Diese Ansicht von Sir James Paget ist unzweifelhaft richtig.
Inbezug auf Torquirung von Arterien und Anlegung von Ligaturen an dieselben bin ich in der Lage, mit einiger Antorität sprechen zu können, weil ich selbst Experimente an lebenden Tieren angestellt und gefunden habe, wie nichtig sie sind, und wie unsicher und unzuverlässig die davon abgeleiteten Schlüsse. Mr. Gamgee erzählt uns, daß einige Drtsberühmtheiten, welche sich durch voreilige Ausführung ernster Operationen hervortaten, ihre Lehrlingshände an lebenden Tieren übten. Dies ist nicht wissenschaftliches Experimentiren, sondern strafbare und ganz unnötige Grausamkeit. Am Sezirtisch hat der Chirurg seine Hand für seinen Beruf vorzubereiten, nicht an Körpern lebender Tiere. Ich habe früher von dergleichen Fällen weder etwas gewußt noch gehört, und hoffe, daß sonst keine weiter zu erwähnen sind. Jeden Chirurgen, der das jezt täte, würde, des bin ich sicher, die allgemeine Verurteilung seiner Amtsbrüder treffen.
Mr. Gamgee führt die Experimente, welche Jones an den Arterien der Tiere anstellte, als wertvollen Beitrag zum Fortschritt in der Chirurgie an, welcher den Experimenten an Tieren zu danken sei; meiner Meinung nach kann kein stärkerer Beweis für die Nuzlosigkeit der Vivisektion als wissenschaftlicher Forschungsmetode gefunden werden als die Geschichte der physiologischen und patologischen Prozesse, welche man an den Arterien beobachtet.
Weil ich vor fünfzehn Jahren die Autoritäten in dieser wissenschaftlichen Frage sehr von einander abweichend fand, schien es mir zweckmäßig, durch Anstellung einer neuen Reihe vivisektorischer Experimente die Frage zum Austrag zu bringen. Die von mir selbst angestellten Versuche vermehrten jedoch nur die Konfusion, obgleich das damals niemand merkte. Unser Bestreben ging dahin, uns der Ligatur ganz zu entledigen und die Arterien durch zeitweisen Druck irgend welcher Art ohne Verlezung der Häute zu verschließen.
Das Verlangen, die Ligatur los zu werden, entsprang daraus, daß, wenn ein Gefäß unterbunden war, ein Ende der Ligatur abgeschnitten und das andere außerhalb der Wunde gelassen wurde, wo es Wochen lang, zuweilen Monate lang und gelegentlich Jahre lang wie in Lord Nelsons Falle liegen blieb. Wunderbar ist es, daß troz aller Versuche an Tieren kein
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*) Aneurisma Pulsadergeschwulst, Ligatur Unterbindung, Torsion
Umdrehung.
und die Wunde über ihr zu schließen. Tatsache ist, daß von Ambrosius Parè bis zu Simpson, einen Zeitraum über 300 Jahre, wir mit Experimenten an Tieren hinstümperten, während die ganze Sache klar vor uns lag. Die erfolgreichen Versuche von Baker Brown und Thomas Keith bei Frauen, die an Ovariengeschwülsten litten, haben uns gezeigt, daß, wenn wir reine Seide nehmen, die Enden der Ligatur kurz abschneiden und die Wunde sorgfältig über ihnen schließen, der Erfolg sicher
Doch hiermit nicht zufrieden, hören wir von neuen Experimenten an Tieren mit karbolisirtem Katgut, chromisirtem Katgut, Känguruhsehnen und anderen Neuigkeiten, welche rasch hinfällig werden, wenn man sie beim Menschen anwendet.
Inbezug auf die Arterien also hat sich das Experimentiren an Tieren als fälschlich sogenannte„ Wissenschaft" erwiesen. Was wir in dieser Richtung erlangt haben, ist gänzlich das Resultat klinischer Beobachtung und dies allein.
VI. Transfusion.
Diese Operation wurde nicht in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts durch Dr. Lower aus Orford eingeführt, wie Mr. Gamgee versichert, noch wurde sie damals als berechtigte chirurgische Operation in Vorschlag gebracht. Vorgeschlagen und aller Wahrscheinlichkeit nach auch ausgeführt, wurde sie von den Alchymisten des 16. Jahrhunderts als ein Versuch, reiche alte Leute für den Rest ihres Lebens zu verjüngen, nach der Teorie und Legende des Dr. Faust. Sicher ist, daß Anspielungen darauf häufig vorkommen, doch stammt der erste wirkliche Bericht über ihre Ausführung von André Libavius, Professor der Medizin zu Halle( Helmstedt 1602); er habe sie selbst 1594 ausgeführt, das Blut eines jungen gefunden Mannes wurde in die Adern eines alten abgelebten Grcises gesprizt, der imstande und willens war, für den erhofften Nuzen zu zahlen. Von diesem Gesichtspunkte( des Nuzens) aus wurde die Sache in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts lebhaft diskutirt, dann eine zeitlang vergessen, nach der Restauration aber wieder inbetracht gezogen und viel darüber geschrieben, hier zu Lande
und auf dem Kontinente.
Ein großes Heer von Experimentatoren stürmte ins Feld, ein grimmer Streit entbrannte; aber ehe das neunzehnte Jahrhundert anbrach, war die ganze Sache in Mißkredit geraten und vergessen. Mr. Flint South hat eine kurze Geschichte des Gegenstandes herausgegeben und teilt mit, daß sie durch den Plan einer mittelbaren Transfusion anfangs dieses Jahrhunderts wieder ins Leben gerufen wurde. Die früheren Experimente wurden resultatlos wiederholt und andere versucht. Tatsache ist, daß die Operation einen sehr unsicheren Rückhalt in der Meinung des ärztlichen Standes hat. Ich habe gesehen, daß sie siebenmal ohne Erfolg in einem einzelnen Falle gemacht wurde. Ich bin zweimal darum angegangen, sie zu machen, lehnte es aber ab, und beide Patienten sind jezt am Leben und wohlauf. Man erzählt uns viel von Fällen, in denen die Patienten die Transfusion überlebt hätten, wir hören aber nichts von den Mißerfolgen.
VII. Chirurgische Behandlung der Krankheiten der Bauchhöhle.
Mr. Gamgee behauptet, ein von John Shipton aus geführtes und 1703 bekannt gemachtes vivisektorisches Experiment habe zu den neueren Fortschritten in der chirurgischen Behandlung der Krankheiten der Bauchhöhle, welche die Bewunderung der ganzen ärztlichen Welt erregt haben, den Grund gelegt; die Fälle, welche er anführt, gehen hinauf bis 1880. Wenn Shiptons Experiment so schöne Früchte gebracht hat, warum hat man die Ernte denn 177 Jahre verschoben?
Aber auch hier irrt Mr. Gamgee in der Geschichte. Der ganze Fortschritt in der chirurgischen Behandlung der Unterleibskrankheiten datirt von der ersten glücklichen ototomie, welche Robert Houston 1701 ausführte. Weil man aufhörte,