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scheint ähnlich gefühlt zu haben, wenn er einen Gatten redend cinführt und folgende Worte sprechen läßt:

Ich werde nicht mit dir, du Süße, rechten Dich lieben, so wie du mich liebest? nein. Aus Rosen laß den Siegerkranz dir flechten, Der Liebe Preis ist dein.

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Die Lieb' umfaßt des Weibes volles Leben, Sie ist ihr Kerker und ihr Himmelreich; Die sich in Demut liebend hingegeben,

Sie dient und herrscht zugleich."*)

*) Wir warnen unsere Leser vor einer Aus- und Misdeutung des Wortes Demut in beschränkt- christlichem Sinne und verwahren uns auch selbst gegen eine solche.

Londoner   Bilder. Von Heinrich Nonne.

In der Frühe des ersten Morgens, den in London   zu ge­nießen mir beschieden war, weckten mich Töne, wie man ihnen wohl in den Bergen begegnet, wenn nah oder fern der Hirt mit seiner Herde vorüberzieht; Töne, so schlicht und anspruchs­los, wie sie der fragliche Hirt auf seiner Querpfeife eben her­vorbringen kann. Ich öffnete das Fenster und traute kaum meinen Augen: wie kam dieser unverfälschte Pyrenäenhirt mit seiner Ziegenherde nach London  ? In Paris  , ja selbst in Berlin  würde ich nicht erstaunt gewesen sein, ihm zu begegnen; dort hin konnte er, ohne zu ermatten, dieselbe in fünf bis sechs Tönen sich bewegende Melodie blasend, seinen Ziegen vorauf wandern. Aber daß er über den Kanal gekommen, schien mir zweifelhaft, so lange der Tunnelbau den Engländern gefährlich däucht.-Nun, ich forschte nach und fand eine Erklärung in einem bald darauf erscheinenden Zeitungsartikel, der diesen Hirt zum Gegenstande hatte. Es handelt sich in der Tat um vier Hirten und Herden, die bestimmte Duartiere Londons   durch ziehen, um die Milch direkt von der Ziege" an kleine und große Kunden zu verkaufen. Die Führer sprechen zwar nicht englisch, und niemand versteht ihren bastischen Dialekt aber trozdem tauschen sie ein fleines Gemäß Milch gegen den eng­lischen Penny aus: die Zeichen- und Geberdensprache sind weit mehr international als die englische oder französische. Einer der vier Hirten ist der Eigentümer der Ziegen, die einen Teil seiner pyrenäischen Herden bilden; Spekulation ließ ihn den Versuch machen, von Paris   aus in London   sich niederzulassen. Seine Biegen finden, wie viel anderes Vieh, in den großen Parks den Sommer über Futter im Winter gibts Heu. Einige Ställe mitten in der Stadt nehmen Ziegen und Hirten die Nacht über auf; und es wird erzählt, daß diese Hirten in altgewohnter Weise ihr Tagewerk beschließen mit frugalem Imbis und einer nervenstärkenden Pfeife.

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Jeden Morgen zur selben Zeit weckte mich der Baskenhirt bis ich in andere Duatiere übersiedelte, wohin er sich noch nicht zu wagen scheint. Jezt entbehre ich die romantische Er scheinung sehr, jemehr die übrigen Erscheinungen ihre Romantik für mich verloren haben.

Von besonderer Wichtigkeit ist für jeden Neuling die Frage: wo sollst du essen? Um diese Frage definitiv zu lösen, nahm ich mir vor, jeden folgenden Tag in einer anderen Richtung so weit zu wandern, bis ich an irgend einer Stelle Nahrung für den Körper fand. Ich brauchte nie weit zu gehen: am ersten Tage wandte ich mich nach dem Süden und stieß auf ein italienisches Restaurant; zwar sind die Besucher nicht nur Italiener, sondern Kosmopoliten überhaupt, aber das Personal ist italienisch und die Küche italienisch- französisch. Man speist, d. h. frühstückt, speist zu Mittag, nimmt sein luncheon, einen Frühtrunk oder eine Extrastärkung bunt durcheinander: der Eng­länder genießt das zweite Frühstück, während der Deutsche   im selben Lokale zu Mittag speist, wenn er sich von seiner heimatlichen Gewohnheit nicht trennen konnte, und der Franzose genießt sein diner zu derselben Zeit. Erst als ich Gelegenheit hatte, mit Erst als ich Gelegenheit hatte, mit eigenen Augen zu sehen, wurde mir der Unterschied zwischen dinner, diner und Mittagessen klar; daß französische   diner ist ( in der Regel) mit dem englischen luncheon und dem deutschen Gabelfrühstücke identisch und fällt auch in dieselbe Zeit; wäh­

rend das souper der Franzosen dem englischen dinner gleich­kommt. Der Deutsche   steht hier hinten an: wenn er Gabel­frühstück hat, fällt sein Mittagessen aus, und Abends gibts für ihn kein dinner, sondern höchstens ein färgliches Abendbrod. Dinner ist eine Mahlzeit extra, die sich der Deutsche   nicht leisten kann, weshalb er sich vorlügt, es sei mit seinem Mittags­mahl identisch. Die Franzosen sind zweifelhaft, ob sie ihr diner Mittags oder Abends nehmen sollen: die einen nennen ihr Mittagessen dîner, die anderen verlangen es am Abend. So tragen die italienischen Restaurants allen Bedürfnissen Rechnung.

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Der zweite Tag führte mich in einen englischen Coffee­and Dining- Room. Ein anderes Publikum ist hier zu finden: junge Clerks, Handwerker und Stellungsuchende, überhaupt Leute mit spärlicheren Mitteln; auch Verkäuferinnen und gut fituirte" Nadelarbeiterinnen. Der Speisezettel enthält nur englische Braten, Steaks und Gemüse. An Getränken wird nur Tee verabreicht und zwei andere Getränke, die mit Kaffee und Cacao bezeichnet sind, über deren Identität mit ihrem Namen ich aber sehr große Bedenken hege. Roastbeef ist in den Kaffeehäusern meist sehr gut, Fleischspeisen lassen im allgemeinen nichts zu wünschen übrig, und die Preise sind auch bescheiden. Trozdem sind die Engländer nicht geneigt, diese Räume zu besuchen; sie ziehen den Aufenthalt in dem traurigsten Boardinghouse vor: weil lezteres mehr gentlemanlike ist. An einem anderen Tage fand ich ein deutsches Wirthaus mit deutschen Kellnern, deutschen Gerichten und deutschen Bieren. Ich schwelgte- deutsche Laute tönen an mein Ohr; mein Auge fiel auf deutsche Beitungen und bohrte sich in die übers Meer geflogenen Fliegenden Blätter", die mir manche frohe Stunde bereitet haben ein Beweis für meine harmlose und poetische Natur. An deutschen Bieren war Auswahl nur fiel mir auf, daß sowohl Pilsener wie Dortmunder   und" Hofbräu" aus ein und demselben Fasse gezapft wurden. Wie das möglich, weiß ich nicht, in der höheren Gastwirtschaft bin ich das reine Baby.*) oder saß im Begriff, einen neuen Schluck töft­Ich stand lichen Dortmunders zu nehmen da erscholl Blechmusik! Eine Dissonanz machte mein Nervensystem erbeben-- ich bin nämlich musikalisch gebildet, und die Ouverture der einzigen eng­lischen Operette Patience  " macht mein Herz rascher schlagen - vor Ungeduld der Erwartung des Endes, denn der Bassist mühte sich vergebens, den richtigen Kontrapunkt zu finden, die zweite Trompete war in der Harmonielehre auch nicht gut be­wandert, und der erste Trompeter brach mitunter ab, um Luft zu schöpfen, die Fortsezung seiner Phrase der Phantasie des Hörers überlassend. Aehnlich gings mit einigen anderen Stücken bis die Gesellschaft weiter zog. Es war eine deutsche Truppe, deren hier mehrere existiren. Sie fleiden sich in eine Art englischer Phantasieuniform und durchziehen bestimmte Stadt­gegenden an bestimmten Tagen zu bestimmter Stunde, überall spärliche Gaben einheimsend. Aber damit ist ihre Arbeit nicht getan; sie sind patronisirt von den vielen deutschen Klubs, denen sie im Sommer bei Ausflügen Begleitung geben, im Winter Ballmusik machen. Sie haben ihre Freunde und Feinde,

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*) Kleines Kind.

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