entsprechen der Reichtum der Erfindung, die Unerschöpflichkeit des köstlichen Humors, des geistreichen Wizes, die Fülle der schärfsten und feinsten Karakteristik, die Lebendigkeit und Farbenpracht aller Schilderung des Außenlebens und der einfache Vortrag, dem es weder an Kraft und Würde noch auch an fröhlicher Leichtigkeit fehlt. Von dem künstlerischen Genie des Dichters zeugt schon die Doppelfigur, welche den eigentlichen Held des Romans bildet, der feingebildete Hidalgo Don Quixote und der bäuerische Sancho Pansa, zwei Gestalten, die sich beständig parodiren und doch so wunderbar ergänzen, ein präch tiges Paar, das uns unter den verschiedenartigsten Vermummungen so oft begegnet, im Leben wie in der Kunst. Hier zeigt sich Cervantes als größter Meister des Kontrastes. Der Ritter groß und hager, der Knappe klein und dick; der Ritter tapfer, großmütig, freigebig, gelehrt und höflich, der Stallmeister heimtückisch, feig, eigennüzig, unwissend und grob; der Herr verliebt in eine ideale Dame, der Diener in seinen Esel; jener voll Liebe für Ehre, Ruhm und Großtaten, dieser lediglich besorgt um seinen Bauch und Beutel: die echte und gerechte Libree; dort Begeisterung bis zur Schwärmerei, hier haus backenste Nüchternheit; dort Poesie, hier Prosa. Diese Doppelfigur, welche seitdem mehrfach nachgeahmt wurde, verleiht dem Roman von Cervantes, nach H. Heines treffendem Ausdruck, eine überaus kunstvolle Natürlichkeit und aus ihrem Karakter entfaltet sich wie aus einem einzigen Kern der ganze Roman, gleich einem indischen Riesenbaum mit all seinem wilden Laubwerk, seinen duftigen Blüten, strahlenden Früchten und Affen und Wundervögeln, die sich auf den Zweigen wiegen. Die Namen Shakespeare , Cervantes , Goethe, sagt derselbe Dichter ferner, halten zusammen wie durch ein geheimes Band. Es strahlt ein verwandter Geist aus ihren Schöpfungen, es weht darin eine ewige Milde, es blüt darin die Bescheidenheit der Natur. Cervantes und Goethe gleichen sich sogar in den Einzelheiten des Stils, in jener behaglichen Prosa, die von der süßesten und harmlosesten Ironie gefärbt ist, sowie in der Weitschweifigkeit der Rede, in jenen langen Perioden, die einem Aufzug föniglicher Equipagen vergleichbar sind. Nicht selten fizt nur ein einziger Gedanke in so einer breitausgedehnten Periode, die wie eine große vergoldete Hoffutsche mit sechs panachirten Pferden gravitätisch dahinfährt. Aber dieser einfache Gedanke ist immer etwas Hohes, wo nicht gar der Sou berän; oder es erinnert auch die Sprache des Ritters an eine stolze Hofdame im aufgebauschten Seidenkleide, mit langer rauschender Schleppe- aber die Grazien, als Pagen verkleidet, tragen lächelnd einen Zipfel dieser Schleppe und die langen Perioden schließen mit den anmutigsten Wendungen.
Man erzählt: Philipp III. bemerkte einst einen am Ufer des Manzanares lesend auf- und abgehenden Studenten, der bald stehen blieb, bald sich vor die Stirne schlug, bald Luftsprünge machte, bald laut auflachte.„ Der Mensch ist ein Narr, oder er liest den Don Quixote ," sagte der König, sandte einen der Pagen und das Buch war richtig der Don Quixote. - Don Quixote verdient, daß man blos um seinetwillen Spanisch lerne, sagt Weber; jede Uebersezung gleicht, nach Cervantes ' eigenem Ausdruck, einer schönen Tapete, die umgewandt ist. Indessen ist das Werk in alle Sprachen Europas übersezt und unter den deutschen Uebersezungen ist diejenige von Tieck die gelungenste.
Wir wenden uns nunmehr nach Deutschland . Die furcht bare Barbarei des dreißigjährigen Kriegs mußte wie für die deutsche Kultur überhaupt so auch für die Literatur höchst unheilvoll werden, und wie dieser Krieg die politische Existenz Deutschlands dem Auslande preisgab, so führte er auch die Fremdherrschaft in der Literatur herbei. Das Volkslied, stets die echteste Duelle nationaler Poesie, verstummte allmälig, die Ge lehrten suchten einzig das Heil in sklavischer Befolgung mißverstandener Kunstregeln des Altertums, vernachlässigten die Muttersprache und den vaterländischen Literaturschaz und leisteten ber geistlosesten, plattesten Nachahmung schlechter französischer und italienischer Muster allen möglichen Vorschub. Die Poesie
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sank zur faden Tändelei mit Schäferorden und Hirtennamen herab und ihre Pfleger schwammen haltlos umher im Meere süßlicher Albernheit und schwülstiger Alexandriner." Die deutsche Sprache verlor den kräftigen, einfachen Karakter, den ihr Luther verliehen, und wurde durch Einmischung vieler den alten oder den romanischen Sprachen entlehnten Fremdwörter entstellt. Ueber ein Jahrhundert blieb die in Sprache und Form vollendete, aber falte und steife Literatur der Franzosen Muster und Vorbild der deutschen Dichtung. Selbst das Studium der alt= klassischen Literatur war für die deutsche Poesie dieser Periode unheilvoll, indem man für den hohen Geist derselben kein Verständnis hatte. Kraft, Freiheit und Selbstgefühl gehen diesen Dichtern gänzlich ab; sie friechen vor allen Vornehmen und schmeicheln den Hochgeborenen. Mit Martin Opiz aus Bunz lau in Schlesien ( 1597 bis 1639) läßt man gewöhnlich die Geschichte der neueren deutschen Literatur beginnen. Beinahe zwei Jahrhunderte lang hieß Opizz allgemein der„ Vater der deutschen Dichtkunst" und sein Ruhm, sein Einfluß als Haupt der ersten schlesischen Dichterschule war groß nicht blos bei seinen Zeitgenossen. Sein Streben war ein gutgemeintes, aber sein Vermögen ein schwaches. Als Poet unbedeutend, als Karakter von großer Schwäche, hat er dagegen als Metriker und Sprachreiniger unbestreitbare Verdienste. Opitz hat zuerst die Sprache Luthers zur Sprache der Poesie erhoben und ihr hierdurch erst recht eigentlich die Alleinherrschaft erobert. Er hat ferner die Poesie von den fremden Wörtern und Redensarten wie von den mundartlichen Einmischungen gesäubert. Er hat endlich die noch jezt beinahe vollständig gültige Prosodie und Silbenmessung wenn auch nicht geschaffen, so doch bis zum hohen Grade ausgebildet und zur allgemeinen Anerkennung gebracht. Sein Grundsaz, daß die Poesie, indem sie ergöze, zugleich auch nüzen und belehren müsse, räumt der Lehrdichtung ein ganz unverhältnismäßig großes Feld ein und er mußte auch der Satire, als Zweig der Lehrdichtung, zugute kommen. Unter den Satirikern dieser Periode ist vor allem zu nennen der als Mensch wie als Dichter gleich hochstehende, gedankenreiche und scharfäugige Friedrich v. Logau ( 1604 bis 55), der größte Epigrammatiker der Deutschen , von dem Lessing bemerkt, daß wir in ihm allein einen Martial, einen Catull und Dionysius Cato besizen. In der entsezlichen sittlichen Verkommenheit seiner Beit steht er auf der einsamen Höhe der Tugend und zeigt sich als ein Mann von bewährtem Karakter. Die von ihm unter
dem Titel:„ Salomons von Golaw( Anagramm für Logaw) deutscher Sinngedichte drey Tausend," umfaßt teils milde und gemütliche Sinnsprüche, welche allgemeine Verhältnisse des innern und äußern Lebens behandeln, und in welcher er die Schäze seiner Erfahrung niederlegt und Lehren der Weisheit erteiltteils wizige, scharfe und schneidige Epigramme, welche vorzugsweise die politischen und sittlichen Zustände seiner Zeit behandeln. In diesen wie in jenen bekundet sich ein hoher Adel der Gesinnung, ein tiefes Gefühl der Wahrheit und Sittlichkeit, in lezteren überdies die wärmste Vaterlandsliebe und echter Freiheitssinn. Nebst dem Kriege und dessen Folgen waren die Fürsten und Höfe eine Hauptquelle des Elends, dem Land und Volt erlagen; Logan, der selbst an einem Hofe lebte fühlte das Kanzleirat bei dem Herzog Ludwig von Brieg tief und troz seiner Abhängigkeit von einem Fürsten sprach er sich doch hierüber mit aller eines edlen Karakters würdigen Freimütigkeit, selbst mit Schärfe, aus, und er tadelte nicht blos die Heuchler und Schmeichler, welche die Fürsten verderben, sondern auch diese selbst; ja, er wagt es, ihnen zu sagen, daß sie nur des Volkes wegen da seien und sich als dessen Knechte betrachten müssen, wenn sie anders ihrem hohen Berufe entsprechen wollen, z. B. in folgendem Epigramm:
Obrigkeit und Untertanen.
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er war
Ob die Untren von den Obren, ob der Untren Obre wegen, Fragstu, sind? Frag, ob ant Hirten ohne Herd ist viel gelegen.
Auch den törichten Aamaßungen des Adels tritt er ent
gegen, obgleich er selbst aus einem altadeligen Geschlechte stammte, wie im nachstehenden: