Werfen wir nun wiederum einen Blick zu unsern Nachbarn jenseits der Vogesen  . Wir sehen in Rabelais   einen Dichter, der mit eminenter Genialität einen satirischen Spiegel des Denkens und des Lebens seiner Zeit entworfen hat und in welchem sich der gährende Most eines neuen Weltalters zu kolossalen, alles in Wiz und Spott begrabenden Wellen auf­

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bäumte. In ihm machte der französische   Geist gleichsam einen verzweifelten, gewaltigen Versuch, eine selbständige Literatur zu begründen. Aber vergebens, Rabelais   blieb ohne Nach­folger. Die französische Dichtung gestaltete sich vollständig zu einer Poesie des Verstandes; die Alten blieben Muster, aber in sehr einseitigem Sinn, Nüchternheit und Kahlheit wurden

fälschlich für die edle Simplizität der Griechen gehalten und den geistlos aufgefaßten Kunstregeln der Alten, z. B. des Horaz, widmete man eine sflavische Folgsamkeit und abstrachirte aus ihnen eine Torie, deren praktische Folgen gerade so absurd waren, wie die Erscheinung Ludwigs XIV., der mit einer Allongeperrücke und in Schuhen mit roten Absäzen öffentlich als Musengott auftrat. Korrektheit und Eleganz wurden in erster Linie gefordert, die Literatur ward formell und konventionell,

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sie wurde Hof- und Gesellschaftsliteratur im engeren Sinne des Worts, indem sie ihre Anregungen ausschließlich von dem sich neuentfaltenden Hof, Staats- und Gesellschaftsleben empfing und auf dieses Wesen allein zu wirken suchte. Der Hof war der Parnaß, die von Richelieu 1635 als höchster Gerichtshof in Sprache und Geschmack gegründete Akademie( Académie française  ) deren Verdienste um die grammatikalische und stilistische Ausbildung und Gesezgebung der französischen   Sprache