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übrigens achtungswert sind dekretirte Unsterblichkeit oder Verdammung. Die Dichter schrieben nicht für die Nation, sondern für den Cirkel von Versailles und Ludwig XIV . war nicht allein ihr Mäcen, sondern geradezu ihr Apoll, der Lorbeerkränze und Pensionen austeilte und dagegen in allen Variationen des Servilismus angesungen wurde. Bei alldem ver
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leugnete sich die reiche dichterische Begabung Frankreichs nicht und das Zeitalter Ludwigs XIV. sah jene flassische" frunzösische Literatur entstehen, welche mehrere glänzende Dichtergeister, wie die Tragiker Corneille und Racine und den unSterblichen Komödiendichter Molière hervorgebracht und, wenn auch auf falschen Prinzipien beruhend, Europa lange Zeit die
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Geseze des Geschmacks diktirt hat, und erst durch die gesunde Kraft des stammverwandten englischen und deutschen Genius aus dem Felde geschlagen wurde.
Was die Satire anbelangt, so hatte dieselbe schon früher einen Pfleger gefunden in Regnier( † 1613), welcher der französischen Satire ihre bleibende Kunstform gab. Seine 16 Satiren verraten durchgehends scharfe Beobachtungsgabe und schlagenden Wiz. Es war etwas von Rabelais sarkastischer
Ader in ihm und seine Form ist so wenig geschleckt und geleckt, daß sie ihm von einem späteren Poeten, in dem die konven tionelle Geschmacksrichtung der Klassik ihren vollständigsten Ausdruck fand, einen höhnischen Seitenhieb eintrug. Dieser Poet war Nicolas Boileau ( † 1711), welcher der gefeiertste Lyriker und zugleich der kritische Gesezgeber des neuen Klassizismus wurde und dessen Hauptwerk, die nach horazschem Muster ausgearbeitete Poetik( L'art poétique), sozusagen die Bibel des