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Louis Blanc .

Eine biographische Skizze von. fos.

( Porträt s. S. 285.)

Dem Mann hat es Zeit seines Lebens nicht an Feinden gefehlt. Nun er zum Schoß der Mutter Erde zurückgekehrt, läßt sich sein Wirken und seine Bedeutung vorurteilsloser er­messen, als früher. Zieht man die Summe seines Wirkens und Strebens, so muß man sagen: Er hat seinem Vaterlande gedient nach seinem besten Willen und nach seinen besten Kräften, oft mit Erfolg, oft mit Mißerfolg, aber immer aufrichtig und redlich. In dem großen Sektenstreit, der das politische Leben Frankreichs durchsezt, ist seine Person nicht unberührt geblieben und die Gehässigkeit hat sich gerne an ihm gerieben. Aber niemand hat gewagt, ihn des Egoismus zu zeihen, und das ist schon viel.

Die Tätigkeit Louis Blancs ist eine sehr vielseitige gewesen. Er trat auf als Jurist, als sozial- ökonomischer Teoretiker, als Geschichtsschreiber, als Parlamentarier und als praktischer Staats­mann. In der lezten Rolle hatte er allerdings den größten Mißerfolg aufzuweisen, ein Schicksal, das er mit vielen anderen, die wie er auf den Schultern des Volkes emporgestiegen, teilt, und dem sogar der mit weit glänzenderen staatsmännischen Ta­lenten ausgerüstete Gambetta nicht entgangen ist.

Seine Jugend schien ihm die künftige Bahn nicht leicht machen zu wollen; er mußte sich durch ärmliche Verhältnisse hindurcharbeiten. Sein Vater war vor den Bonapartes ge­flüchtet und lebte in Spanien ; so wurde denn auch Louis Blanc im Lande der Kastanien und zwar zu Madrid im Oktober 1813 geboren, zur Zeit, als Wellington die lezten Franzosen aus Spanien hinausschlug und den Weg über die Pyrenäen suchte. Die Mutter Louis Blancs war eine geborene Pozzo di Borgo, aus jenem alten und verarmten korsischen Adelsgeschlecht, das in dem bekannten Diplomaten Pozzo di Borgo dem alten Na­poleon einen so furchtbaren und ausdauernden Gegner gestellt hat. Der alte Pozzo di Borgo, der 1842 in Paris starb, hatte noch Gelegenheit, die ersten literarischen Triumphe seines jungen Verwandten zu erfahren; sie werden ihn, den starren Reaktionär, wenig erbaut haben, wie denn auch Heinrich Heine spöttisch bestätigt, Pozzo di Borgo sei mit der Richtung des jungen Mannes" nicht sehr zufrieden gewesen.

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Louis Blanc ward in Korsika und in Rodez ( Departement Aveyron ) erzogen; seine Jugend bietet nichts Bemerkenswertes. Er fam nach Paris im Jahre 1830, als das rauschende politische Leben für junge Talente die mannigfachsten Aussichten eröffnete. Anfangs wollte es freilich nicht recht mit ihm gehen. Er mußte Unterricht geben, um nur leben zu können, und sah sich sogar genötigt, bei einem Advokaten als Schreiber zu dienen. Schließ­lich bekam er in Arras eine Stellung als Erzieher und verblieb zwei Jahre in derselben. Seine damaligen literarischen Arbeiten fanden indessen wenig oder keinen Anklang. Als er nach Paris zurückkehrte, eröffnete sich ihm die Publizistik, die für elastische Geister immer bereitwilligst ein Heim zur Verfügung stellt. Er wurde zunächst Mitarbeiter an verschiedenen Journalen, bald aber gründete er ein eigenes Blatt, die ,, Revue du Progrès", die von Heine als das bedeutendste Organ des Republikanismus bezeichnet wird. In seiner Zeitschrift hatte Louis Blanc eine große Hinneigung zu den Rousseauschen Ideen an den Tag gelegt und seine Arbeiten, die einen glänzenden Stil und gründ­liche Studien zur Schau trugen, erregten in weiten Kreisen Aufsehen.

Schon sehr bald hatte sich Louis Blanc mit der Lage der arbeitenden Klassen beschäftigt. In den dreißiger Jahren tauchten in Paris zahlreiche sozialistische Sekten auf; da waren die Saint- Simonisten, die Fourieristen mit ihren seltsamen Schwär­mereien in Ménilmontant, die Babouvisten, angeregt durch den alten Buonarotti, den Mitangeklagten Babeufs, die Cabetisten mit ihrem phantastischen Jkarien u. 5. w. Zahllose Gedanken und Ideen kreuzten einander und jeder glaubte, das richtige

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System gefunden zu haben. Da trat denn auch Louis Blanc mit einem eigenen" System" auf. Um der Not unter den arbeitenden Klassen abzuhelfen, schlug er vor, der Staat solle verpflichtet werden, jedem Arbeit zu geben, der solche bei Privat­unternehmen nicht erlangen könne oder wolle. Um den Staat in den Stand zu sezen, dieser Verpflichtung nachzukommen, sollten allgemeine Werkstätten"( später: Nationalwerk­stätten ateliers nationaux) errichtet werden, in welchen auf stätten Rechnung des Staats alle möglichen Produkte angefertigt werden sollten, deren Vertrieb Sache des Staats wäre. Louis Blanc hoffte, wie er vielfach ausgesprochen hat, die Konkurrenz dieser Staatswerkstätten werde nach und nach die Privatunternehmer erdrücken und so sein Gedanke siegreich zum Durchbruch ge= langen. Diese Teorie wurde in einem kleinen Schriftchen nieder­gelegt, betitelt: Die Organisation der Arbeit," das viel Auf­sehen machte, auch über die Grenzen Frankreichs hinaus. In vielen deutschen Zeitschriften der vierziger Jahre findet man teils ganze Uebersezungen, teils Auszüge aus dieser Schrift.

Aber zu einer Berühmtheit wurde Louis Blanc erst, als seine Geschichte der zehn Jahre" erschien, im Jahre 1840. Dieses verdienstvolle Werk behandelt die ersten zehn Jahre der Regierung des durch die Julirevolution auf den Tron getragenen Königs Louis Philipp. Die Freimütigkeit, mit welcher der Verfasser das Julitönigtum kritisirte, seine Entstehung darlegte und seine Fehler blosstellte, verlieh dem Werke eine ungewöhn­liche Bedeutung; der Absaz war ein reißender, der Schlag gegen das" System" Louis Philipps ein schwer zu erwidernder. Das Buch enthält eine Menge wichtiger und interessanter Aftenstücke, die für die Regierung Louis Philipps kompromittirend sind; es läßt sich denken, daß das Buch förmlich verschlungen wurde. Die allgemeine Aufmerksamkeit richtete sich auf den sieben­undzwanzigjährigen Schriftsteller, und in einem pariser Briefe vom 6. November 1840 beschäftigt sich auch Heinrich Heine mit ihm. Der gefährliche Spötter läßt, wie es seine Art ist, gegen Louis Blanc erst seinen ganzen unbarmherzigen Wiz spielen, um dann mit einem wohlwollenden Händedruck und einem graziösen Lächeln sich von dem Verwundeten zu verab schieden, nachdem er ihn seiner unverbrüchlichen Freundschaft versichert hat. Die kleine Gestalt Louis Blancs gab natürlich der Heineschen Spottlust sofort Stoff. Herr Louis Blanc , sagt Heine in dem zitirten pariser Brief, ist ein junger Mann, höchstens einige dreißig Jahre alt, obgleich er seinem Aeußern nach wie ein kleiner Junge von dreizehn Jahren aussieht. In der Tat, seine überaus winzige Gestalt, sein rotbäckiges, bart­loses Gesichtchen und auch seine weichlich zarte, noch nicht zum Durchbruch gekommene Stimme geben ihm das Ansehen eines allerliebsten Bübchens, das eben der dritten Schulklasse ent­sprungen und seinen ersten schwarzen Frack trägt, und doch ist er eine Notabilität in der republikanischen Partei, und in seinem Räsonnement herrscht eine Mäßigung, wie man sie nur bei Greisen findet.... Ich glaube, der Knirps möchte jedem den Kopf abschlagen lassen, der das vorgeschriebene Refrutenmaß überragt, versteht sich im Interesse des öffentlichen Heils. Er selbst ist mäßig und will daher im Staate allgemeine Küchen­gleichheit einführen, wo für uns alle dieselbe spartanische schwarze Suppe gekocht werden soll.... Louis Blanc ist ein spaßhaftes Kompositum von Liliputaner und Spartaner. Jedenfalls traue ich ihm eine große Zukunft zu, und er wird eine Rolle spielen, wenn auch eine kurze." Und so weiter in bekannter Mischung von Spott und wohlwollendem Interesse, wie sie eben nur bei Heine möglich ist. Die Prophezeiung ist indessen eingetroffen, Louis Blanc hat eine Rolle" gespielt, wenn auch nur eine kurze".

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Das Julifönigtum, innerlich morsch geworden und von allen Seiten angegriffen, brach unter der Februarrevolution zusammen,