gegenüber, die ihm mit keinem Worte entgegenkam. Im Gegen­teil, wie eifrig sie auch bemüht war, dem schüchternen Jungen so böse und unnahbar zu erscheinen, als würde sie ihm seine Unterlassungssünde nie und nimmer verzeihenheimlich weidete sie sich nicht wenig an seiner Verlegenheit und an dem stolzen Bewußtsein, welche Macht sie über diesen jungen Riesen aus­übte, der sie mit Leichtigkeit in einer seiner ungeschlachten Hände emporheben konnte.

" Nun, Grete," sagte er bittend und hielt seine Hand zum Einschlagen hin.

Sie warf den hübschen Kopf schmollend in den Nacken und legte die Hände auf dem Rücken ineinander.

" Bist du auch wieder da, Franz?" sagte sie kühl. Ich dachte, du wärest auf Nimmerwiedersehen fortgegangen in die weite Welt, dein Glück anderwärts zu versuchen!"

Aber, Grete," unterbrach er sie vorwurfsvoll. Hat dir der Herr Burghardt nicht gesagt

Sie ließ ihn nicht ausreden.

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Ach ja," sagte sie schnippisch. Ich erinnere mich. Es geht mich auch weiter gar nichts an. Bist ja dein eigener Herr."

Er schüttelte heftig den Kopf. Dann, als er sah, wie mut­willig ihre Augen blizten und wie sie ihn verstohlen erwartungs­voll ansah, lachte er laut auf und sezte sich behaglich nieder.

" Der Doktor hat recht," sagte er, verliebt auf sie nieder­sehend, während er ihre beiden Hände fest in seiner Rechten hielt, daß sie ihm nicht entschlüpfen konnte. Du bist eine Here. Du kannst niemals Frieden halten. Was gibst du mir aber, Grete, wenn ich dir etwas Schönes von der Reise mit­gebracht habe?"

" Du?" meinte sie zweifelnd, und wiegte bedächtig das Köpfchen hin und her." Das wird wohl was Rechtes sein." Rate einmal," sagte er lustig.

"

Sie hatte ihre Rechte freigemacht und gab ihm damit einen leichten Nasenstüber.

" Ich will nichts von dir haben," sagte sie schnippisch. Noch sind wir beiden nicht gut Freund miteinander."

Er lachte vergnügt.

" Errätst du noch immer nicht, was ich dir mitgebracht habe, du dumme Grete?"

Sie sah ihn aufmerksam an. Eine Vermutung drängte sich ihr auf. Aber nur für einen Augenblick. Dann legte sich eine leise Wehmut über ihr lachendes Gesicht.

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Geh," sagte sie und versuchte, sich von ihm loszumachen. Warum läßt du mich erst auf diesen Gedanken kommen!"

Er hielt ihre Hände fest und nickte ernsthaft mit dem Kopfe. Sie riß sich von ihm los und legte ihre Hände auf seine Schultern.

" Franz," rief sie frohlockend. Ist es wirklich wahr? Hast du Lisbeth mitgebracht?"

Er war so gerührt, daß er kein Wort über seine Lippen bringen konnte. Aber in seinen Augen war die Antwort deutlich zu lesen, und laut aufjubeld warf sich Grete an seine Brust und umschlang ihn mit ihren Armen.

Du Lieber, Böser!" rief sie atemlos vor Freude und tanzte aufgeregt um ihn herum, bis er ihr kleines, rundes Figürchen in seine Arme nahm und zärtlich an sich drückte.

"

Wo ist sie?" fragte sie dann und richtete sich lachend und weinend in seinen Armen auf. Bei deiner Mutter? Ich will zu ihr gehen und sie hierher führen. Du bleibst inzwischen beim Vater und bereitest ihn auf das Wiedersehen vor." Er schüttelte in hilflosem Entsezen den Kopf.

"

Das bringe ich nicht fertig, Grete," sagte er treuherzig. " Ich bin zu ungeschickt du weißt es ja."

" So fomm," entgegnete sie." Wir wollen beide hinüber, sie holen. In ein paar Augenblicken sind wir wieder zurück." Sie öffnete das Fenster und winkte dem Kleinen, an dem sie vor wenigen Minuten zur barmherzigen Samariterin ge­worden war.

Du bleibst hier, bis ich zurückkomme," sagte sie mit ihrem hellen, resoluten Stimmchen, das keinen Widerspruch aufkommen ließ. Wenn der Vater nach mir frägt, bin ich um die Ecke zum Kaufmann gegangen."

Dann liefen die beiden jungen Leute Hand in Hand über die Straße.

" Du, Grete," sagte der junge Mechaniker." Ich weiß, wie wir den Vater vorbereiten wollen. In der Bibel steht, wie ich mich noch von der Schule her erinnere, die Geschichte vom verlorenen Sohn. Die leje ich ihm vor. Und dann mußt du ein paar Bemerkungen daran knüpfen, wie auch heutzutage noch ein verlorenes Kind wiederkehren kann zu den Vater, der die Hoffnung auf ein Wiedersehen schon aufgegeben hat und wie schön das ist und-"

"

Laß mich nur machen," unterbrach ihn die rechthaberische fleine Person zuversichtlich. Das verstehe ich besser als du." ( Fortsezung folgt.)

Aussicht vom Rigi .

( Bild nebenstehend.)

Wer kennt ihn nicht, wenigstens par Renommée, den herr-| lichen Giganten, den Stolz des Schweizerlandes, das Ziel der Sehnsucht aller, die zur heiligen Mutter Natur wallfahren, um sich an ihrer Schönheit zu erquicken. Drei herrliche Seen, der Vier­ waldstätter , Zuger und Lowerzer See, wetteifern, seinen Fuß mit ihren bläulichen Fluten zu bespülen, indes sein Haupt in die Wolken ragt und den Schritt der Jahrhunderte gelassen beobachtet. Es war zur Zeit der drei Tellen im Grütli, da in den drei Tälern drunten der mit der Armut vermählte Fleiß weinte, indes das vornehme Laster schwelgt und freche Willkür durch österreichische Landvögte regierte. Da geschah es, daß drei fromme Schwestern zu Art, die durch ihre Schönheit die Lüstern­heit des Herrn von Schwanau gereizt hatten, von diesem arg bedrängt wurden. Um ihre Ehre zu schüzen, blieb ihnen nichts als die Flucht und so stiegen sie in der Nacht in die noch gänz­lich unwegsame Wildnis des Rigiberges hinein und kamen bis dahin, wo ob Weggis aus dem zerklüfteten Nagelflutgestein laut murmelnd ein kalter Born entspringt. Hier bauten sie eine notdürftige Rindenhütte. Niemand weiß, wie lange sie da, ab­geschieden von den Menschen, ihr Leben gefristet, bei den Tieren des Waldes, mit Beeren und Wurzeln und dem frischen Wasser

des Bergquells. Im Tale waren sie verschollen. Wohl längst waren sie gestorben, als die Sennen des Berges endlich jede Nacht drei bleiche Lichtlein über einem Punkte des Waldes flimmern sahen. Neugierde lockte sie hinzu, und da finden sie neben dem Born die zu Mumien gewordenen Körper der drei Schwestern. Da bauten sie an dem Ort eine Kapelle, den Quell aber nannten sie Schwesternborn. Durch den Mund der Hirten ward die Geschichte ruchbar im ganzen Lande und einzelne fromme Seelen stiegen hinauf zu Kapelle und Quelle, deren Wunderheilkraft bald genug in Ruf kam. So pilgerten schon frühe Hirten, Bauern und Wallfahrer herauf, beteten vor dem Bild der heiligen Maria zum falten Bade und wen von ihnen das Wechselfieber oder die Nerven plagten, der tauchte dreimal in dem eiskalten Wasser unter, das sich in einem hölzernen Tröglein sammelte, stieg in gutem Glauben an Heilung wieder heraus und den Berg hinab. So kam Rigi Kaltbad in Ruf.( S. W. Kaden, das Schweizerland.) Da geschah es, daß im Jahre 1593 ein fräutersammelnder Mönch auf andern Pfaden die Ostseite des Berges hinwandelte, dort, wo er gegen Lowerz abfällt und dort entdeckte er eine andere, eine herb­schmeckende Quelle, an derselben Stelle, die heute den Namen