schaffen suchen; sie schuf der furchtbare Ernst des Dramas, das die beiden zärtlichen Gatten verschlang. Der Verlauf des Prozesses gegen Danton und Genossen ist bekannt. Mehrere Tage hielt die donnerude Stimme des gewaltigen Volksredners die revolutionäre Justiz auf. Die Menge wurde aufgeregt, als sie diese bekannte Stimme vernahm; man vernahm zahlreiche Aeußerungen zu Gunsten der Angeklagten und einige Gefangenen im Luxembourg , darunter der Hebertist Chaumette und der General Dillon, die Verbindungen nach Außen hatten und stündlich ihre Anklagen erwarten mußten, beschlossen dies zu benuzen. Sie sezten sich in Verbindung mit Lucile, die verzweifelnd und wehklagend um das Gefängnis ihres Mannes schweifte und die hoffnungslosesten Versuche zu dessen Rettung unternahm, und schlugen ihr vor, sie solle sich unter das Volt stürzen und es zur Befreiung von Danton und Desmoulins aufrufen. Sicherlich wäre eine solche Unternehmung gegenüber der Stärke der Regierung ohne Erfolg gewesen. Der Plan wurde verraten und beschleunigte nur das Verderben. Lucile Desmoulins wurde in der Nacht verhaftet und die Regierung benuzte die sogenannte Verschwörung, um vom Konvent ein Defret zu erlangen, nach welchem die Angeklagten vor dem Revolutionstribunal des Rechts der Verteidigung für verlustig erklärt werden konnten, sobald sie die Nationaljustiz beleidig ten". Von diesem Dekret machte man denn auch sogleich Gebrauch und so wurden die Angeklagten verurteilt und hingerichtet.
Wenige Tage darauf erschien auch Lucile Desmoulins vor dem Revolutionstribunal. Ihre Mutter hatte sich vergebens an Robespierre gewandt. Man hatte Lucile zugleich mit der Frau Heberts, einer früheren Nonne, vorgeführt; sie wurden beide verurteilt. Lucile starb mit bewunderungswürdigem Mute; dies zarte Wesen beschämte manchen Mann durch ihre Festigkeit
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im Tode. Treffend sagt Lamartme:" Luciles Tod war das bewährteste Blatt des alten Cordelier."
In den Memoiren des Henkers Samson findet sich eine ergreifende Darstellung einer Zusammenkunft Samsons mit den Eltern Luciles. Diese, die vermögende Leute waren, boten dem Henker eine große Summe Geldes an, wenn er ihnen einige der von Lucile im Gefängnis hinterlassenen Gegenstände, ihre vor der Hinrichtung abgeschnittenen Haare u. s. w. verschaffen wolle. Der Henker, der sich nur mit persönlicher Gefahr in das Haus einer geächteten Familie wagen fonnte, war von Luciles Erscheinung so stark ergriffen worden, daß er auf den Vorschlag einging und den untröstlichen Eltern, welche die hilflosen Kinder des hingerichteten Gattenpaares zu sich genommen hatten, die lezten Andenken Luciles überbrachte.
Die Hinrichtung Luciles brachte den Gewalthabern keinen Nuzen, wohl aber großen Schaden. Man war empört, diese zarte und reizende Gestalt mit ihrem noch kindlichen Autliz auf dem Henkerkarren durch die Straßen fahren zu sehen; indem man hörte, wie sie in den zärtlichsten Tönen nach ihrem Gatten und nach ihren Kindern rief, konnte man sich nicht überzeugen, daß sie ein„ Verbrechen gegen die Nation" begangen habe. Es gab Konventsmitglieder, die Nache schworen, wie z. B. Fréron, welcher Lucile eine heiße Verehrung gewidmet hatte, dessen Rache nach dem 9. Termidor aber nichts weniger als eine edle war. Wenn Danton gerufen hatte:" Ich ziehe Robespierre nach, er folgt mir!" so erfüllte sich dies schon nach kurzer Zeit. Am 5. April siel Dantons Kopf , am 10. Juli derjenige Robespierres. „ In der Person Luciles traf der Tod nicht die Meinung, sondern die Natur," sagt ein französischer Schriftsteller. Ganz richtig; das Beil hatte in ihr keine Partei, sondern nur die Schönheit, die Jugend und die Liebe getroffen und ein solches Verbrechen rächt sich immer, gleichviel von wem es verübt wird.
Serena.
Eine venetianische Novelle von Max Vogler.
Ein Schritt, welcher der Marchesa, deutlich dartat, daß es ihrem Gemahl mit seiner Einwilligung in die Verbindung zwischen ihm und Serena ernst sei, war bereits geschehen. Serena hatte den Vater jezt schon wenigstens zur Erfüllung der Bitte vermocht, das von ihr zärtlich geliebte Schwesterchen Camillos herbeirufen zu dürfen. Am dritten Tage, nachdem die Stahl stichkopie jenes Gemäldes in den Palast gekommen, hatte die Kleine zum erstenmal wieder ihren Fuß über die Schwelle des lezteren gesezt.
Das eiligste, was die kleine Adele nach der freudigen Aufregung der ersten Augenblicke tat, war, daß sie ein sorgfältig zusammengefaltetes Papier aus der Tasche hervorzog und mehrere Briefe, die sie darin eingehüllt hatte, Serena überreichte.
Während das erste der von Serena mit hastigen Händen ergriffenen Schreiben noch ganz die süße Schwärmerei für die Geliebte aussprach, gelangte in dem zweiten schon eine ängst liche Besorgnis über das von Serena auf jenes becbachtete Schweigen zum Ausdruck, und in den folgenden erschien diese Besorgnis nun vollends in leidenschaftlichster Weise bis zum höchsten Grade gesteigert. Der Schreiber derselben zweifelte zwar nicht im geringsten an der unverbrüchlichen Treue und unbeirrbaren Ausdauer der Geliebten, aber er fürchtete, daß man vielleicht dem von beiden Seiten unterhaltenen Briefwechsel auf die Spur gekommen, und daß man sie nun aufs peinlichste bewache, daß man ihr vielleicht neues Ungemach bereitet, und dazwischen endlich auch hatte sich die allein der Wirklichkeit entsprechende Befürchtung, Serena möge vielleicht krank sein, eingeschlichen. Begreiflicherweise trug zur immer heftiger das Herz Camillos beklemmenden Pein dieser Besorgnisse nicht wenig die diesem von der Schwester gewordene Mitteilung bei, daß sich Serena schon seit Wochen nicht mehr zur Entgegennahme der gewohnten Briefe bei ihr eingefunden. Hatte sich nun Camillos
( 11. Fortsezung.)
infolge dieser Umstände eine derartige Aufregung bemächtigt, daß er schließlich den gefährlichen Schritt, an Serena unter ihrer unmittelbaren Adresse zu schreiben, zu wagen geneigt war, so ließ ihn doch die gänzliche Ungewißheit, ob jene überhaupt zur Zeit in Venedig weilte und die unüberwindliche Angst, daß sein Schreiben in andere Hände geraten und dadurch nicht allein nur für Serena sehr unangenehme Folgen haben, sondern auch vielleicht vollends jede Möglichkeit einer schließlichen günstigen Wendung der obwaltenden schlimmen Verhältnisse abschneiden könne, immer und immer wieder nicht zur Ausführung dieser Absicht kommen.
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Vor der schmerzvollen Bewegtheit dieser lezten Briefe schwand der Hauch seliger Freude, der beim Empfang derselben über Serena gekommen, und das Bewußtsein, daß er aus banger Sorge keine Ruhe finde, während sie sich in der wieder für sie aufgehenden Sonne des Glücks erwärmte und in süßen Gefühlen froher Erwartung sich in eine nahe schöne Zukunft hineinträumte, marterte sie peinvoll. Nein, das durfte nicht sein, durchdrang es sie im tiefsten Innern er sollte wenigstens wissen, daß sie noch mit gleicher Innigkeit ihres Empfindens seiner gedachte, und mochte sie sich dabei des dem Vater gegebenen Versprechens auch noch so sehr erinnern, das wollte sie ihm in jedem Falle sagen!... Sie brauchte ihn ja nicht gleichzeitig von all dem inzwischen Vorgefallenen zu unterrichten, sie brauchte ihn dabei nicht zu sofortiger Rückkehr veranlassen zu wollen und würde dadurch den Wünschen ihres Vaters immerhin gerecht werden. Aber daß schwere, wochenlange Krankheit die Schuld an ihrem Schweigen trage, daß er ruhig sein könne, daß alles noch gut werden würde und daß er in den nächsten Tagen ausführlichere Nachrichten von ihr erwarten dürfe, das wollte, - das mußte sie ihm mitteilen in furzen Worten, und zwar ohne alles Zögern und Säumen, sogleich
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