Köpfe spalten, Mag alles durcheinandergehen, Doch nur zu Hause bleibs beim Alten." Nicht etwa aus Schwärmerei für Naturschönheiten betrachten die fünf Helden unseres Bildes so andächtig das Panorama, das sich vor ihren Blicken ausbreitet, so wenig wie der Vierfüßler, der seinen Herrn so köstlich parodirt. Schwärmerei steht überhaupt nicht im Lexikon des Spießbürgers, dessen ehrsame Devise lautet: Hübsch be= dächtig! und dem nichts mehr zuwider ist als geniales Ueberdieschnurhauen. Nein, sie suchen die Natur auf, weil das ein billiges Vergnügen ist, weil es nichts kostet, denn Sparsamkeit ist des Spießbürgers Kardinaltugend, sein Alpha und sein Omega. Stören wie die Wackeren nicht in ihrem wohlfeilen Sonntagsvergnügen, wenn wir auch mit dem lustigen Vögelein auf dem Telegraphendrat denken:
Was ist ein Philister?
Ein hohler Darm
St.
Ein kalifornischer Holzzug.( Illustration s. S. 313.) In dem Klima Kaliforniens zeigen sich( nach der Klimatologie von Erman) viele Eigentümlichkeiten der tropischen und subtropischen Zone mit andern der gemäßigten und sogar der kalten Klimate vereinigt. Diese eigentümlichen klimatologischen Verhältnisse wirken auf das Tier- und Pflanzenleben so ungemein günstig, daß der Reichtum an animalischen und vegetabilischen Produkten mit der Goldproduktion zu wetteifern scheint und dieser gegenüber in kurzer Zeit alleinherrschend auftreten wird. Von hohem Interesse ist es, nachzuweisen, wie sich die klimatischen Gegensäze auch in der Fauna und Flora des Landes wiederfinden. Ein von Norden kommender Jäger, sagt Erman, der im Dezember bei San Franzisko landet, würde seine kühnsten Erwartungen übertroffen finden durch die unsägliche Menge und Mannigfaltigkeit von Schnepfen, Gänsen, Enten, Säbelschnäblern, Reihern, Pelikanen u. s. f., welche alle Buchten bevölkern und die er großenteils noch vor wenig Monaten auf Kamtschatka oder an den nördlichsten Punkten der amerikanischen Westküste gesehen hat. Dabei erinnern verschiedene Oriolusarten, die in ungeheuren Schwärmen zugleich mit diesen Schwimmvögeln an Kaliforniens Küsten und Seen verweilen, schon durch ihre prachtvolle Färbung an ihre jüdliche Abstammung, ebenso ein äußerst zierlicher Kolibri, der in Oberkalifornien das ganze Jahr gesehen wird. Aehnliche Kontraste finden sich auch bei den Säugetieren. Neben dem Kuguar, Jaguar und Schakal finden sich zwei Bärenarten aus ungleich kälteren Gegenden. Die falifornischen Pferde haben unter dem Einfluß der Naturverhältnisse, denen man sie bis zur Verwilderung überläßt, von der ausgezeichneten Höhe und dem feinen Bau ihrer europäischen Stammeltern noch nichts eingebüßt, während doch dieselbe Rasse in den südamerikanischen Pampas beträchtlich ausgeartet ist. Ebenso reichhaltig sind die Produkte des Pflanzenreichs. Von den gewöhnlichen Getreidearten scheint der Weizen die Hauptfrucht zu werden, obgleich gegenwärtig Gerste in größerer Menge gebaut wird. Im Süden und in wenigen der niederen Täler bis zur Bai von Franzisko gedeihen Feigen, Datteln, das Zuckerrohr, selbst Bananen. Viel wichtiger noch scheinen die Olive und der Wein zu werden, für die sich das Klima vortrefflich eignet. In den westlichen Teilen findet man an den Küsten prachtvolle Waldungen, bestehend aus Fichten, Tannen, Zedern( Red wood), Kiefern, Eichen u. f. f. Manche dieser Bäume erreichen eine erstaunliche Höhe, besonders die Red wood , die Fichte und Edeltanne, die man an manchen Stellen 200 bis 300 Fuß hoch und von 15 Fuß Stammdurchmesser trifft. Sie liefern vortreffliches Bauholz. Im Innern des Landes bestehen die Wälder mehr aus Steineichen und Eschen. Besondere Beachtung, sagt Hellwald ( Die Erde und ihre Völker), verdienen die Waldbestände der Sierra Nevada . Von San Franzisko bis nach Sakramento , vom Küstengebirge bis zum Fuße des Hochgebirges fann man Kalifornien durchreisen, ohne wahre Wälder zu sehen. Was man begegnet, sind äußerst lichte Haine von immergrünen Eichen, welche über die gelben Weizenfelder und den zur Sommerszeit ebenso gelben Rasen des Hügellandes wie die Fruchtbäume in unsern Feldern oder besser wie Olivenbäume in Delgärten zerstreut sind. Den Olivenbäumen vergleicht sich am besten ihr vorwiegend niedriges, fnorriges Wachstum und das Grau ihres kleinblätterigen, aber allerdings mehr als olivenartig dichten Laubwerks. Der landschaftliche Karakter ändert sich in Kürze, wenn man in die Vorberge der Sierra eintritt, ohne daß aber zunächst, so wenig wie in der Ebene und im Hügellande, echte Wälder sich zeigen. Nur merken wir schon an einigen vorgeschobenen Posten, daß wir uns dem Gebiete der Nadelholzwaldungen, d. h. den einzigen Waldungen nähern, welche in Kalifornien diesen Namen ohne Einschränkung verdienen. Laubwälder, wie sie bei uns Buchen oder Eichen bilden, fehlen in Kalifornien . In der mittlern Region der Sierra stehen Gelb- und Zuckerföhre mit Libozedruswäldern
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zusammen, deren stolze Pracht und Großartigkeit alle Nadelwälder der alten Welt hinter sich läßt, und es bedürfte nicht der Riesenzedern oder Mammutbäume, die in einigen Gruppen unter ihnen zerstreut wachsen, um diesem Walde den Ruhm einer der großartigsten Erscheinungen im Gebiete der Waldnatur zu sichern. Die Douglastanne und die Balsamfichte gesellen sich zu den Föhren. Ein Geschlecht, echter kalifornisch als alle die genannten riesigen Tannen und Föhren, wächst endlich die Riesenzeder( Sequoia gigantea), auch Mammutfichte, Wellingtonie, Washingtonie 2c. genannt, in einer Anzahl von größern und kleinern Gruppen auf einem schmalen Streifen Landes in den höhern Vorbergen der Sierra Nevada . Man hat indes die Höhe der Riesenzeder übertrieben; die genaueste Messung, die man von der höchsten Riesenzeder bejizt, giebt 99 Meter an. Der australische Eucalyptus globulus ( blauer Gummibaum) würde also die höchsten Sequoien noch um mehr als 30 Meter übertreffen. Wunderbar großartig ist die Szenerie, welche den Reisenden auf der Eisenbahnfahrt über die Sierra Nevada begleitet. Fortwährend wird das Auge durch die herrlichsten Panoramas entzückt. Bald sind es idyllisch grüne Täler, die in duftiger Ferne träumerisch am Fuße der Gebirge daliegen, dann bewaldete Bergkuppen, umkränzt von schneegekrönten Gipfeln, die sich hoch in den blauen Aeter emportürmen; jezt verfolgt das Auge wild herabbrausende Waldbäche, die talwärts stürzen, dann einen Fluß, der sich, einem Silberbande gleich, hunderte von Metern tief unten hinschlängelt, während ein Meer von grünen Tannenwipfeln zwischen der Bahn und dem tiefen Talgrund den ganzen Abhang in breiter, welliger Fläche bedecken. Doch fehlt das Liebliche der deutschen oder schweizerischen Gebirgslandschaften, es fehlen die Dörfer, Mühlen, Sennen mit ihrer Bevölkerung und ihren Haustieren, welche die Täler und Abhänge lebendig machen. Unser Bild gibt eine deutliche Vorstellung von der Größe und dem Umfang der gigantischen Bäume Kaliforniens . St.
Die Myte des Baumwollenbaums. In seiner hochinteressanten Mytologie der Pflanzen"*) erzählt de Gubernatis nachstehende Sage, die in Brasilien verbreitet ist: Der erste der Menschen war ein Halbgott. Er hatte einen Sohn, den er los sein wollte. So formte er aus Ton ein Armadill, blies ihm Leben ein, und grub es in die Erde, so daß nur der Schwanz heraussah. Dann schickte er seinen Sohn hin, es zu holen. Sobald dieser das Armadill am Schwanz hatte, stürzte es sich in die Eingeweide der Erde und riß ihn mit. Aber der Jüngling kam aus der Unterwelt wieder herauf und erzählte es seinem Vater, daß da unten Männer und Weiber wären, die den Erdboden bebauen könnten, wenn sie heraufgeschafft würden. Der Halbgott schuf nun den Baumwollenbaum und machte aus Baumwolle ein langes Seil, mit welchem er einen der unterirdischen Menschen heraufholte. Die ersten davon waren klein und häßlich, allein die folgenden waren schon ansehnlicher, und je mehr herauskamen, desto hübschere Menschen waren es. Unglücklicherweise zerbrach das Seil, ehe die schönsten oben waren. Und das ist der Grund, meinen die brasilianischen Indianer, warum hübsche Menschen auf der Erde so selten sind ( in Brasilien sind sie es allerdings) und man unter die Erde gehen" muß, um wirklich schöne Menschen zu sehen.
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*) La Mytologie des Plantes: ou les Légendes du Regne végétae. Par Angelo de Gubernatis . Paris ( chez Reinwald)
Rebus.
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Auflösung des Rebus in Nr. 11: Im Weine liegt Wahrheit.
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Inhalt: Vom Baume der Erkenntnis. Roman von J. Zadeck.( Forts.) Aussicht vom Rigi. ( Mit Illustration.) Die Satire der Neuzeit.( Frühere Epoche.) Von Dr. Richard Ernst.( Schluß.) Meerleuchten. Von Dr. B. Langkavel. Eine Jdylle im Erdbeben. ( Mit Illustr.) Serena. Eine venetianische Novelle von May Vogler.( Forts.) Was man meint und wie man urteilt. Eine Plauderei von Bruno Geiser. Der Schwedeneinfall. Erzählung von Otto Sigl. Chillon . Idylle vom Lac Léman ; von Hans Barth. Spießbürger.( Mit Illustr.) Ein falifornischer Holzzug.( Wit Illustr.)- Die Myte des Baumwollenbaums. Rebus. Gemeinnüziges.- Mannichfaltiges. Verantwortlicher Redakteur Bruno Geiser in Stuttgart . Redaktion: Neue Weinsteige 23. Druck und Verlag von J. H. W. Dieß in Stuttgart .
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