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Der Schwedeneinfall.
Erzählung von Offo Sigl.
Der alte Lindenegg hatte für Baron Camill, seinen ältesten Sohn und Majoratserben schon mehrfach nach einer reichen Partie gefahndet, wodurch Schloß Moosach in alter Pracht erstehen und der Unkenteich, sowie die verrottete Finanzlage wieder flüssig werden sollten. Aber unter den adeligen und reichen Töchtern des Landes fand sich leider keine, welche sich von den Reizen des Krötenschlosses und der Persönlichkeit seines fünftigen Besizers angezogen fühlte. So entschloß sich denn der alte Freiherr , als die Beklemmungen immer beängstigender sich gestalteten, schweren Herzens zu dem nicht mehr ungewöhnlichen Schritt, allen Vorurteilen zu entsagen, und zur Vergoldung des Lindeneggschen Wappenschildes seinem Camill eine Bürgerliche zuzuführen. Seine hierin sehr naheliegende Wahl war auf die schöne Brauerstochter Maria Hofmaier gefallen. Diese Notheirat erschien nicht nur wegen der reichen Mitgift, sondern auch im Hinblick auf die vortreffliche Bildung des Mädchens in einem der ersten Pensionate in einer immerhin noch günstigen Beleuchtung. Vater Hofmaier war, so sehr er einer Verbindung seiner Tochter mit einem schlichten Bürger widerstrebte, doch einer Mesalliance nach oben freudig geneigt. Frau Hofmaier dagegen äußerte lebhafte Bedenken gegen den künftigen Eidam. Baron Camill war vor einem halben Jahr auf das väterliche Gut zurückgekehrt, nachdem er zwei Universitäten besucht hatte. Seinen Umgang hatte sich der junge Freiherr mit Vorliebe unter den zum Glück in unseren Tagen selten gewordenen Studenten gewählt, für welche die segensreiche akademische Freiheit mur zügellose Ungebundenheit bedeutet. Der übermütige Ton, welchen er von der Hochschule heimgebracht, erwarb ihm in Glonheim keineswegs Beliebtheit. Baron Camill galt nicht mit Unrecht für einen eingebildeten und hochfahrenden Junker. Doch erfreute sich der junge Baron scharfen Verstandes, gewandter Umgangsformen und eines hübschen eleganten Aeußern. Da gegen spielte um den etwas breiten Mund ein geringschäzender herausfordernder Zug, der nicht nur als zufällige physische Erscheinung, sondern als Abglanz der Sinnesart sich darstellte.
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Mit dem goldenen Heiratsprojekt erwies sich Baron Camill, welcher überdies für die Reize der voll entwickelten schwarzäugigen Marie nicht unempfindlich schien, sogleich einverstanden. Er stellte es seinem Vater in nachlässigem Tone völlig anheim, alle nötigen Formalitäten möglichst rasch mit Schwiegerpapa Gambrinus" abzumachen. Baron Camill hatte keine Ahnung, daß es nicht nur galt, Förmlichkeiten schnell zu erledigen, sonSern gewichtige Steine des Anstoßes aus dem Weg zu räumen. Nachdem die entscheidende Unterredung zwischen dem alten Baron und dem Brauer zu beiderseitiger Zufriedenheit stattgefunden, hatte Herr Baltasar noch einen lezten Widerstand von Seite seiner Gattin zu überwinden. Da Frau Hofmaier seinen Gründen für diese Heirat über den Stand eben so triftige dagegen vorzuführen wußte, schnitt der Brauer allen weiteren Einspruch mit dem eheherrlichen Machtwort ab:„ Und nun erst recht!" Damit verließ er das Zimmer, um seine Tochter von dem ihr bevorstehenden Glück zu verständigen. Hofmaier glaube, der Boden tue sich unter ihm auf, als Marie bewegt, aber entschieden erflärte, dem jungen Baron nie und nimmer angehören zu können. In seiner ersten Bestürzung ward Hofmaier schier unheimlich sanft und fragte, was Fräulein Tochter gegen diese ehrenvolle Verbindung einzuwenden habe. Nach einigem Zögern, das sie aber mutig niederkämpfte, erwiderte das Mädchen, daß sie den Georg Walter einmal in ihr Herz geschlossen und ihm oder keinem andern je ihre Hand reichen werde. Vater Hofmaier hatte sich nicht träumen lassen, daß Marie es wagen würde, troz seines Machtgebots noch an den kleinbürgerlichen Zinn gießer zu denken. Jezt wallte es übermächtig in ihm auf. Er tobte geradezu, überhäufte seine Tochter in schonungsloser Weise mit Vorwürfen und erklärte schließlich in bindigster Form, daß cs bei der Verbindung mit Baron Camill sein Bewenden habe,
( Fortsezung.) sonst solle das Mädchen keine gute Stunde im Hause verleben. Als gute Tochter war Marie im Innersten erschüttert, des Vaters Willen widerstreben zu müssen, aber sie beharrte standhaft darauf, daß sie Georg Treue bewahren wolle und müßte sie darüber zu Grunde gehen. Da Herr Baltasar den entschiedenen Karakter seiner Tochter kannte, so ließ er sich endlich herbei, mildere Saiten aufzuziehen. Er wollte Marien Bedenkzeit auswirken, während welcher sich der junge Freiherr gewiß ihre Neigung erringen würde. Von dem überspannten Zinngießer, der sich auf den Künstler hinausspielen möchte, sei, so lange er am Leben, nie und nimmermehr die Rede. Mit diesen Worten entfernte sich der Brauer, vor Aufregung einem Schlaganfall nahe, aus dem Zimmer. Hofmaier war bei all seinen Schwächen und seiner rauhen Art doch eine gerade Natur. So fonnte er es nicht über sich gewinnen, Lindeneggs die Wahrheit zu verschweigen, sondern eröffnete ihnen mit dürren Worten, daß vorläufig der geplanten Verbindung die unsinnige Neigung seiner Tochter für den jungen Zinngießer im Wege stände. Dabei sprach Hofmaier die sichere Ueberzeugung aus, daß es dem Herrn Baron Camill ein Leichtes sein würde, Marie für sich einzunehmen, wenn er sich nur dazu verstehen wollte, allen Ernstes um ihre Gunst zu werben. Im Grunde ist dies auch der einzig richtige Weg," sezte der Brauer selbstbewußt hinzu, ,, und meine Tochter ist es wohl wert, daß man sich ein wenig Mühe um ihren Besiz nicht verdrießen läßt."
Baron Camill verzog spöttisch den Mund.„ Wenn-Fräulein Marie ein bischen Komödie vor der Verlobung liebt- meinetwegen!" erwiderte er.„ Die Hauptsache bleibt, daß die Geschichte nicht allzulange währt und die beiden, wie im Luftspiel, sich wirklich bekommen."
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" Falls der Herr Baron die ganze Sache nur als Komödie betrachtet dafür ist denn doch meine Tochter zu gut!" entgegnete Hofmaier unwillig und seine ohnedem gerötete Gesichtsfarbe näherte sich noch um einen Ton dem Karmin,
Der alte Freiherr warf seinem Sohn einen verweisenden Blick zu und richtete einige begütigende Worte an Hofmaier. Auch Baron Camill war flug genug, einzulenken, da er wohl wußte, daß der Brauer auch seinen Stolz besaß und eine geringschäzige Behandlung der etwas heiflen Angelegenheit ihn am Ende gar andern Sinnes machen könnte. So erklärte er denn, er wolle mit Herrn Hofmaiers Erlaubnis in aller gebührenden Form bei passenden geselligen Anlässen sich um des liebenswürdigen Fräuleins Gunst bemühen.„ Den tecken Zinngießer werde ich bald falt gestellt haben," fügte Camill höhnisch lächelnd hinzu. Der Brauer verabschiedete sich bald darauf, im Innersten nicht eben erbaut von der leichtfertigen Weise seines fünftigen Schwiegersohns.„ Aber sei dem wie immerer soll die Marie heiraten, ich habe einmal meine Zusage gegeben!" sagte er zu sich, als er die unter seiner wuchtigen Gestalt ächzende baufällige Treppe des Schlosses hinabstieg.
IV.
Eine Gartenmusit mit Tanz, welche furze Zeit darauf, an einem Augustnachmittag, in Glonheim standfand, sollte dem Baron Camill, wie er meinte, die erwünschte Gelegenheit bieten, den Zinngießer falt zu stellen und dafür im Herzen der schönen Marie eine verheerende Glut anzufachen.
Marie hatte Mittel gefunden, brieflich Georg von dem ihr zugedachten Geschick zu verständigen, aber auch die Unvandelbarkeit ihrer Gesinnung zu beteuern. Wie drängte es nunmehr den jungen Mann, sich einmal mit der Geliebten mündlich auszusprechen! So wagte es Georg troz alledem, Hofmaiers Grimm zu trozen und Marie zu einem Walzer aufzufordern, den sie ihm auch freudig zusagte. Während des Tanzes konnten sie nur wenige Worte wechseln, und so gelobten sie sich ohne Phrasen, aber heiß und innig, in Treue auszuharren bis auf bessere