im vorzeichnen, vnd sich befleissen, gute teutsche Buchstaben zu machen."

Mit den deutschen   Schulen ließ sich Herzog Christoph indes nicht genügen; neben diesen und den natürlich ihnen übergeord­neten lateinischen Schulen ordnet er die Einrichtung besonderer Anstalten zur Heranbildung von Schreibern an, und zwar zu Stuttgart  , Tübingen   und Ürach, dieweil an gutten Landschrei­bern vnd Rechnern bey vnser Landtschafft, Stetten, vnd Statt­schreibereien nit kleiner mangel, vnd darnacht vns vnd den gemeinen nug, auch gutter Haußhaltung nit wenig daran ge­legen sein will."

In der gelehrten Schule herrschte während des 16. Jahr­hunderts die lateinische Sprache noch in aller Unumschränktheit, ohne daß die Reformation und Luthers   Bibelübersezung daran wesentliches zu ändern vermochten.

So verordnet die Kursächsische Schulordnung von 1526 noch: Erstlich, sollen die Schulmeister vleis ackern, daß sie die kinder allein lateinisch leren', nicht deutsch oder grekisch, oder ebreisch. Es sollen auch die knabe dazu angehalten werden, das sie lateinisch reden, Vnd die Schulmeister sollen selbs, so viel müglich, nichts denn lateinisch mit den Knaben reden."

Auch Johannes Sturm  , der berühmteste und einflußreichste protestantische Schulmann des 16. Jahrhunderts, duldete in den gelehrten Schulen nur das eine Ziel, die Schüler zu trefflichen Lateinern und Griechen, insbesondere zu Jüngern und Nach ahmern ciceronianischer Beredsamkeit zu machen. So verordnete er 1538 als Organisator des eben ins Leben tretenden Straß­burger Gymnasiums, mit dem übereinstimmend die meisten übrigen Lehranstalten im protestantischen Deutschland   eingerichtet wurden, daß die Schüler immer nur lateinisch sprechen sollten und alles daran gesezt werden müsse, die verloren gegangene Kunst der Griechen und Römer im Lehren, Reden, Disputiren und Schreiben ihrer Sprachen wiederzugewinnen.

So falsch und verderblich dieser Grundsaz für die Geistes­bildung in Deutschland   war, so tüchtig und energisch wurde er von dem selbst vorzüglich beanlagten Pädagogen Sturm durch geführt. Die Schüler strömten nach Straßburg   nicht nur aus Deutschland  , sondern auch aus Frankreich  , Dänemark  , England, Polen   und Portugal  , und 1567 wurde Sturms sehnlichster Wunsch erfüllt, indem Kaiser Maximilian II.   dem straßburger Gymnasium die Privilegien einer Akademie verlieh, d. i. eines Mitteldings zwischen Gymnasium und Universität, zu welch lezterer, als dem höchsten Range unserer Bildungsanstalten, sich die straßburger Lehranstalt 1621 emporschwang. Bis 1583 blieb Sturm Rector perpetuus( ständiger Leiter) der Akademie, und als er endlich 76 Jahr alt seiner Aemter enthoben wurde, geschah es nicht, weil ihm die Pädagogik seiner Zeit über den Kopf gewachsen wäre, sondern infolge der teologischen Streitig keiten zwischen Lutheranern und Reformirten.

Wurde auch hie und da von einem andern Schulmann der selben Epoche, wie z. B. von dem gelehrten Organisator des augsburger Gymnasiums zu St. Anna, Hieronymus Wolf  , der deutschen Sprache wenigstens als Hilfsmittel beim lateinischen und griechischen Unterricht mehr Bedeutung zuerkannt, als dies seitens Sturms geschah, so blieb doch unsere Muttersprache an den gelehrten Bildungsanstalten noch weniger als ein Aschen­brödel bis zu dem Auftreten des 1591 geborenen Holsteiners Wolfgang Ratich, Ratichius genannt, der am 7. Mai des Jahres 1612 dem Deutschen Reich" auf dem Wahltag zu Frankfurt   ein Memorial übergab, worin er eine ganz neue Metode der Pädagogik einzuführen und mit dieser Einführung die herrlichsten Erfolge für das deutsche   Geistesleben zeitigen zu können versprach.

"

Der Grundgedanke, aus dem Ratichius   seinen Lehrplan ent­wickelte, war zweifellos richtig und heilbringend: zuerst solle die Jugend ihre Muttersprache recht und fertig lesen, schreiben und sprechen lernen, denn diese sei das nüzlichste Werkzeug zur An­eignung aller andern notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten. In allen Fakultäten könne und solle man sich deutsch statt lateinisch ausdrücken lernen und deutsch   lehren, dadurch werde

387

Lehrern wie Schülern viel Zeit und Plage erspart und der Verstand viel besser gebildet werden als bisher.

Dieser zutreffende Grundgedanke gebar auch wohl die be= deutsamen Erfolge des Ratichius  . Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm von Neuburg, Landgraf Ludwig von Darmstadt, die verwitwete Herzogin von Weimar  , Fürst Ludwig von Anhalt  - Köten, der schwedische Kanzler Oxenstiern und die Räte der freien Städte Frankfurt   und Augsburg   bewiesen lebhaftes und hilfbereites Interesse für die Pläne des kühnen Schulreformators. Der darmstädter Landgraf ließ dieselben von den zwei berühmten gießener Professoren Helvicus und Jungius  , die Herzoginwitwe von Weimar   durch die jenenser Gelehrten Grawer, Brendel, Walter und Wolf prüfen und beide Prüfungen förderten vor. teilhafte Berichte zutage.

Die zur Abgabe ihres Gutachtens aufgeforderten Gelehrten nahmen nicht Anstand, sich mit Ratichius   wider die lateinische Sprache als Sprache des Unterrichts und für die deutsche   zu erklären. Die Muttersprache, meinten sie, müsse recht und fünstlich gelehrt werden";" zudem," führte Helvicus aus, ist es auch die lautere Wahrheit, daß alle Künste und Wissen­schaften, als Vernunftkunst, Willen und Regierkunst, Maß, Wesen und Naturkundigung, Arznei-, Figur, Stern, Bau-, Befestkunst, oder wie sie Namen haben mögen, viel leichter, bequemer, richtiger, vollkömmlicher, und ausfürlicher, in deutscher  Sprach können gelehret und fortgepflanzet werden, weder jemals in griechischer, lateinischer oder arabischer Sprache geschehen ist.

Indessen erging es dem Ratichius auf dem Felde der Praxis, wie es allen für ihre eigenen Projekte und Entdeckungen blind eingenommenen und darum die Macht der gegebenen Verhält­nisse unterschäzenden Neuerern auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens notwendig gehen muß, die Erfolge blieben weit hinter den Erwartungen und teilweise renommistischen Verheißungen zurück, soweit, daß schließlich nicht nur seine Feinde ihn für einen Schwindler erklärten und anfeindeten.

-

Dennoch verblieb seinen Bestrebungen nicht unerheblicher dauernder Erfolg, indem danach die Bemühungen, das Lateinische aus seiner Alleinherrschaft zu verdrängen, nicht mehr abließen und, wie wir sehen werden, binnen nicht allzulanger Zeit zu relativ bedeutenden Erfolgen führten.

Der schon fünf Jahre nach dem ersten Auftreten des Ratichius  jung dahinscheidende treffliche Helvicus hinterließ ein in lateini­scher und deutscher Sprache abgefaßtes Werk über die Sprach­fünste", in dessen deutschem Teile er die gesammte Sprachwissen­schaft zum erstenmal deutsch   zu lehnen versuchte. Seine Hinter­bliebenen übergaben das Buch 1619 der Deffentlichkeit und bemerkten dazu in der Vorrede: Bißhero, vnd noch, seind in den Schulen der zarten angehenden Jugend die Sprachkuenste nicht in der angebornen Mutter- sondern Lateinischen Sprache, so deroselben ganz ohnbekannt vnd eben als Gräkisch vnd Türkisch ist, vorgetragen, vnd zwar nicht ohne der lieben Jugend große Verwirrung, Außmattung vnd Verseumnuß. Dann ja feinem erwachsenen wohlverstendigen Menschen, geschweige an­fangenden Knaben, ichtwas in fremder, ohnbekannter Sprach kann bejgebracht werden. Solchem ohnersetzlichem Schaden vorzubawen hat vnser nunmehr in Gott   ruhender respective Ehevogt vnd Vatter Christophorus Helvicus mit großer langwaehrender Muehe, Zuseßung seiner Gesundheit, vnnd nicht geringem ohn­fosten den Anfaenglingen zu gutem die Sprachkuenste in vnsere Teutsche Sprach vnd in ein fein einstimmende Harmoni ge= bracht."

Auch andere Gelehrte beschritten die von Ratichius gewiese­nen Bahnen. Unter ihnen ragt neben Helvicus der weimarische Generalsuperintendent Johannes Kronmayer hervor, der im Gegensaz zu den vorher erwähnten in lateinischer Sprache ab= gefaßten deutschen   Grammatiken die erste deutsche   Grammatik deutsch   schrieb und 1618 erscheinen ließ.

Alle diese Bemühungen trugen für den Augenblick vielver­sprechende Früchte. Der Gedanke, daß die deutsche Sprache zur Grundlage alles Jugendunterrichts zu machen sei, drang u. a. in die hessische Schulordnung von 1618 und in die wei­